Die Gebrüder Goller fühlen sich von ihrer Bank betrogen: Sie kommen seit Jahren von ihren Schulden nicht runter "Uns hat die Bank um unser Geld gebracht"

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Hat die Bank ihnen 692 000 Euro zuviel abgenommen? Ralf und Reiner Goller (56 und 55), Weinhändler, zahlen seit 22 Jahren einen Kredit ab, und die Schulden werden nicht weniger.⋌Foto: Wittek Foto: red

Es sind Sätze wie diese, die darauf hinweisen, dass die Geschichte den Handelnden entgleitet: „Der Bankräuber ist die Bank.“ Dabei haben die Weinhändler Reiner und Ralf Goller (55 und 56) ganz nüchtern nachgerechnet. Ihr Ergebnis: „Betrug“. Auch die Bank rechnet nach: „Nix dahinter.“ Aber mit einer Detektivin hat niemand gerechnet.

 
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2011 war für Ralf und sein Bruder Reiner Goller ein gutes Jahr. Ihr Geschäft, sie handeln mit Beerenweinen, machte wieder Gewinn. Dachten sie.

Die Gollers, geboren in Essen, kamen mit vier und fünf nach Oberfranken, nach Schwarzenbach/Saale. Von dort zogen sie nach Stein bei Gefrees. Die Eltern hatten ein Gasthaus und einen Weinhandel, den die Brüder 1972 übernahmen. Ein hartes, aber solides Geschäft. „Wir haben viel gearbeitet“, sagen sie, nichts zum Reichwerden. „Aber wir sind zufrieden.“ 1992 bauten sie ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen und Geschäftsteil für 300 000 Euro. 2116 Euro zahlen sie seitdem jeden Monat. Seit 22 Jahren. Dann merken sie: „Die Schulden werden nicht weniger.“ Noch heute sind es fast genauso viel wie am Anfang. Dann wechseln wir eben die Bank. Dachten sie.

Seit 2012 schreiben sie viele Briefe, solche, in denen Worte fett gedruckt sind. Worte wie Bilanzfälschung, Manipulation, Parteiverrat, Untreue, organisierte Kriminalität. Und immer wieder Betrug. Ein Millionen-Betrug! „Wir haben 692 000 Euro zu viel gezahlt.“

Alles fing mit dem „Kontokorrent-Kredit 65005“ an, ein Darlehen für Haus und Grundstück für Bad Berneck. „Später folgte dann die erste Umschuldung, die zu einem überhöhten Kapitalbedarf führte“, sagt Anna Maria Möntmann (67). Die Konten-Detektivin aus dem hessischen Bad König hat nachgerechnet, Kontoauszug für Kontoauszug, Vertrag für Vertrag.

Ab 1991 habe die Bank „wohl jegliche Hemmungen verloren“, was die Interessen der Gollers angehe. Teilweise habe die Bank bis zu sieben Prozentpunkte mehr Zinsen verlangt. Die Diagnose der Detektivin: vier angebliche „Zinsmanipulationen“, zweimal versteckte Provisionen, die falsche Form des Kredites und „eine Vielzahl von Wertstellungsfehlern“. Den angeblichen Gesamt-Schaden kann sie nicht beziffern, denn sie hat die Konten nur bis 1993 geprüft. Was sonst noch falsch lief, kann sie nur vermuten.

Alles alte Vorwürfe, die geklärt seien, „durchdiskutiert“ seien, sagt Andreas Held, Vorstand der Raiffeisenbank Gefrees. „Die Themen sind schon lange durch.“ Man werde sich auch keinem Gespräch verweigern, sagt Held. Nur in einem Punkt lässt er nicht mit sich reden. „Gegen die Vorwürfe werden wir uns definitiv zur Wehr setzen.“ Da sei „nix dahinter.“ Er wird gegen die Gollers Anzeige erstatten wegen Verunglimpfung. Mehr darf Held nicht sagen, das Bankgeheimnis ist ein Heiligtum, in dem auch unzufriedene Kunden geschützt sind.

Gollers können sich das alles nur noch mit einer großen Verschwörung erklären. Bis 2011 kamen sie und ihr Steuerberater immer auf die gleichen Ergebnisse bei den Jahresabschlüssen ihrer Firma. Erst als sie die Bank wechseln wollen, kommt ihr langjähriger Steuerberater auf ein Plus von nur 100 Euro, obwohl sich die Geschäftszahlen nicht geändert haben. Im nächsten Jahr, 2012, in etwa die gleichen Geschäftszahlen, kommt ein anderer Steuerberater sogar auf ein Minus von 3500 Euro. Und das im drittbesten Jahr der Firmengeschichte.

„Es müssten etwa 24 000 Euro Gewinn sein“, sagen die Gollers. Sie sitzen auf der Couch in ihrem kleinen Büro, nichts deutet auf Luxus hin. Morgens liefern sie Weine aus, mittags sind sie im Geschäft. Das sollte sie ernähren, dazu die Mieteinahmen aus ihrem Haus. Wie gesagt, nichts zum Reichwerden. Jetzt drohen sie ärmer zu werden. Oder ärmer gerechnet zu werden. Und weil sie das nicht verstehen können, weil es um ihre Existenz geht, weil sie sich allein gelassen fühlen, versuchen sie es sich zu erklären. Mit Flucht in die Verschwörungstheorie.

Stützen sich die beiden Steuerberater gegenseitig? Wollen sie der Bank helfen, die Gollers als Kunden nicht zu verlieren, die 1,7 Millionen Euro an Sicherheiten in Form von Grundstücken und Häusern haben? „Mit Negativ-Bilanzen können wir die Bank nicht wechseln.“ Weil beim Bankwechsel die Fehler bei der Kontoführung offengelegt würden. „Bilanzbetrug“, sagen die Gollers. Sie zeigen die Steuerberater an. Die Bank lehnt die Kontenprüfung ab. „Kriminelle Organisation.“ Sie zeigen die Bank an. Ein Steuerberater schickt Mahnbescheide, ein Anwalt lässt die Einspruchsfristen verstreichen. „Korrupt.“ Die Bank schickt den Gerichtsvollzieher vorbei. Mietpfändung. Ein Anwalt schafft es nicht, dagegen zu klagen, versäumt die Fristen. „Parteienverrat.“ Der Bayreuther Staatsanwalt sieht „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“, also auch keine Ermittlungen.

Die Gollers denken, sie sollen untergehen, sie sollen keinen Boden mehr finden. „Verschwörungstheorie? Das passiert eben, wenn man sich so als Kämpfer gegen die Windmühlen fühlt. „Da kriegst du so ein gewisses Feeling, wenn sie dich verkaufen.“ Sie lesen sich ein, schauen sich im Internet Seiten über „Banken-Abzocke“ an. „Du wächst rein.“ Rein in den Kampf.

Sind die Banken wirklich so schlimm? „Ich würde bei jedem was finden – aber nicht immer lohnt es, sich dagegen zu wehren“, sagt Detektivin Möntmann. Eine Kontenprüfung führe nicht zu einem „1:1-Ergebnis“. Es gehe darum, eine Basis für Verhandlungen aufzubauen. Allerdings warnt sie auch davor, bei jeder falschen Berechnung gleich von „Kriminalität“ sprechen.

Die Gollers seien vor langer Zeit in einem Vertrag „falsch behandelt“ worden. Um sich zu einigen, brauche es aber gar keinen Richter, sondern „einen guten Verhandler“. Und „ein vertrauensvolles Gegenüber“: „Ein Banker, der versteht, dass vor 20 Jahren Fehler gemacht worden sind“. Fehler, die sich bis heute durchzögen.

Fehler, die sich die Gollers nur so erklären können: „Um an unser Vermögen zu kommen, muss einer kriminell werden.“

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