Der Mann, der Parsifal erleuchtete: Voxi Bärenklau über Schlingensief, den „Parsifal“ und den Animatographen als ironisches Nebenprodukt - Vortrag am Mittwoch Schlingensief: Leiden am Grünen Hügel

Er war einer von Christoph Schlingensiefs (1960 - 2010) engsten Wegbegleitern, war sein Kameramann und Lichtgestalter. Auch 2004 beim „Parsifal“ in Bayreuth war Volker Voxi Bärenklau dabei. Heute abend spricht Bärenklau im Iwalewahaus über Schlingensief. Zuvor sprach er mit dem Kurier: Über das Leiden am Grünen Hügel und  darüber, wie man Trauer mit Arbeit bewältigt. Und das Geheimnis des Hasen.

 
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Freuen Sie sich auf Ihre Rückkehr nach Bayreuth?

Volker „Voxi“ Bärenklau: Ja, und das ist sicherlich ein ganz neues Gefühl: mal nach Bayreuth zu kommen und sich zu freuen. Unsere Arbeit am „Parsifal“ war alles anderes als freudig, leider. Christoph war am Anfang bei den Beleuchtungsproben gar nicht dabei, da musste ich seine Oper alleine leuchten, nur weil er Angst hatte, und weil er der Meinung war, das sind keine Schauspieler da, was soll ich denn überhaupt dort? Da hat er sich ein bisschen gedrückt. Es ist sehr viel vorgefallen, was uns die Arbeit nicht wirklich als freudiges Schaffen erscheinen ließ, sondern eher als Qual und Pein. Ich freue mich, jetzt ohne Pein in diese Trutzburg am Grünen Hügel zurückkehren zu können.

Eine Trutzburg, mit Wolfgang Wagner als trutzigem Burgherrn. War das Arbeiten unter ihm so traumatisierend?

Bärenklau: Wolfgang Wagner war ein mehr oder weniger ein Highlight für uns. Es war für Christoph eine Vaterfigur. Er hatte ein sehr bestimmtes Auftreten, aber er hatte auch Verständnis für viele Dinge, die wir da gemacht haben. Christoph ist mit ihm sehr gut klargekommen. Es hat uns in Ruhe gelassen, nicht mit ihm hatten wir Probleme, sondern mit seiner Frau Gudrun.

Haben die Angelegenheit mit Jonathan Meese verfolgt? Auch er war ein „Parsifal“-Regisseur…

Bärenklau: Ja. Ich glaube, dass nicht Katharina Wagner die treibende Kraft war, um den loszuwerden. Was da genau los war, weiß ich nicht, ich kann nur davon reden, was wir vor zehn Jahren erlebt haben. Und das war wirklich nicht schön. Christoph wollte unbedingt diese Inszenierung machen. Es war ein zentrales Werk für ihn. Leider gibt es dazu kein wirkliches Dokument, weil die Familie das zu verhindern wusste. Die wollten diesen „Parsifal“ nicht. Doch es war eine sehr große Inszenierung, eine ernste Auseinandersetzung mit vielen Dingen in seinem Leben, die ihm wichtig waren. Das Ergebnis dieser Inszenierung war der Animatograph, auch wenn der keine so große Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung spielt. Doch unter dem Gesichtspunkt der Bildsprache gehört der Animatograph zu seinem Hauptwerk.

Wie würden Sie den Animatographen beschreiben?

Bärenklau: Im Grunde ist das ein cinematographischer Apparat, eine Kamera, die in einer hervorragenden Form zusammenfasst, was ihm wichtig war. Seit er acht Jahre alt war, wollte er Filme machen. In seiner Umgebung gab es einen bedeutenden Sammler von cinematographischen Apparaten, die ihm einen anderen Zugang zum Wesen des Films gaben.

Einen wirklich eigenen Zugang, wie er spätestens mit der „Deutschland-Trilogie“ zeigte.

Bärenklau: Ich werde zeigen, dass er auch sein Leben als Trilogie ansah. Die Trilogie, das war sein Thema, von der „Deutschland-Trilogie“ an, es war immer verbunden mit einer intensiven Auseinandersetzung mit einem wichtigen Werk, mit dem scheinbaren Scheitern und einem Neuanfang. Und am Ende stand immer Afrika. Das hat sich für mich jetzt erschlossen, bei der Arbeit zu seinen Retrospektiven, aber auch zum deutschen Pavillon 2011 bei der Berlinale. Auch das Scheitern war wichtig. Noch der Film „United Trash“ in Simbabwe hatte immer was mit Scheitern zum Tun, mit Verhaftungen, dem Einbruch in ein Kopierwerk, dem Schmuggeln des Materials außer Landes. Es ist übrigens der einzige Film von Christoph, der mit einem professionellen Verleih gestartet ist. Viele Zuschauer hatte er aber trotzdem nicht, deswegen ist auch dieses Unternehmen gescheitert. Matthias Lilienthal holte uns dann ans Theater, an die Volksbühne. Dort haben wir dann versucht, was wir bereits im Film verwendet hatten. Das endete dann mit dem „Attaistischen Welttheater“, wieder einer Trilogie, und dem „Parsifal“.

Den Schlingensief als gescheitert ansah.

Bärenklau: Das war das zweite Scheitern. Einerseits war das eine hervorragende Arbeit, andererseits wurde er nicht wirklich geliebt von den Wagners. Christoph wollte immer Anerkennung, um seine Ideen an den Mann bringen zu können. Er war ja besessen davon, er wollte die Leute ins Kino bringen, und das hat er ja auch geschafft, aber die Leute sind halt schnell geflüchtet. Und da war es letztlich Wolfgang als sein Vater, der den „Parsifal“ nicht gemocht hat oder zumindest uns dieses Gefühl gegeben hat, weil es keine Dokumentation gab und weil er so früh abgesetzt wurde. Letztlich war das nicht wirklich Wolfgang Wagner, aber bei Gudrun war es klar: Das war für sie ein Hassobjekt. Dabei entstand der Animatograph.

„Eine ironisch lakonische Begleiterscheinung im eindrucksvollen Bildschaffen von Schlingensief“, heißt es in der Ankündigung.

Bärenklau: Der Animatograph war für Christoph das Medium, um in die dritte Phase nach Film und Theater zu gelangen: in die Kunstphase. Er war da recht erfolgreich. Aber dann folgte doch wieder ein Scheitern, wegen seines frühen Todes, gerade, als er erfolgreich war. Das war tragisch, sozusagen eine sarkastische Pointe.

Was er vorausgesehen haben will: Der „Parsifal“ werde ihm Krebs einbringen, hat er mal gesagt.

Bärenklau: Christoph liebte die Dramatik, angeblich hat er ja auch versucht, nachrechnen lassen, ob der Krebs wirklich in dieser Zeit ausgelöst wurde. Verständlich wär’s. Auch meine Arbeit dort, meine Erlebnisse waren letztlich so verzweifelt, so schlimm, dass es auch meine eigene Substanz angegriffen hat. Meine familiäre Situation geriet durcheinander. Ja, die Arbeit am „Parsifal“ war etwas wirklich Außergewöhnliches. Ich bin so alt wie er und hab ihn von 1983 bis zu seinem Tode begleitet, habe fast alles mitgemacht. Wir waren sehr nah beieinander. Und ich kann das nachvollziehen. Es ist was dran, dass der „Parsifal“ sein Leben zerstört hat. Weil er sich so intensiv damit beschäftigt hat. Er hat bis zum Schluss daran gearbeitet, hat den Begriff „Werkstatt“ wortwörtlich genommen, obwohl es schlimm war für ihn, nach Bayreuth zu kommen.

Wie war das Gefühl, an der Vollendung seines letzten Werkes mitzuarbeiten, im deutschen Pavillon für die Biennale 2011 in Venedig?

Bärenklau: Das war sehr, sehr heikel. Es war schwierig, überhaupt den Schmerz zu verkraften, weil ich so lange und so symbiotisch mit ihm zusammengearbeitet hatte. Als Kameramann und sein Lichtgestalter war ich nicht sein dramaturgischer Kopf. Letztendlich fragte ich mich, ob ich das machen soll, ob ich das überhaupt kann. Eigentlich wollte ich das nicht, obwohl ich so etwas wie eine Vision hatte. Ich hatte das Gefühl, er diktiert mir, wie es aussehen soll, und ich hab das niedergeschrieben. Umgesetzt habe ich’s nicht. Carl Hegemann (Schlingensiefs Dramaturg, Anm. der Red.) hatte dann die Idee mit dem Nachbau der „Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“. Die Kirche war die erste Arbeit nach der Chemo, es war für ihn eine freudige Erfahrung, dass er wieder arbeiten konnte und die Familie um sich herum hatte. Die Kirche ließ uns an ihn denken, es war etwas, was er als Kompromiss akzeptiert hätte, auch wenn er etwas ganz anderes gemacht hätte. Die eigentliche Arbeit, wie auch kürzlich bei den Ausstellungen in Berlin und New York, die Verarbeitung des Todes von Christoph, war für mich sehr heilsam. Er hat sehr schnell gelebt, er hatte einen Turbo, er hat uns von Projekt zu Projekt gejagt, ohne dass man nachdenken konnte. Als er tot war, hatte er uns die Chance gelassen, nachzudenken. Diese Chance habe ich genutzt.

Was werden Sie bei Ihrem Vortrag noch zeigen?

Bärenklau: Fotos, aber auch private Sachen, zum Beispiel Aufzeichnungen, die wir zuvor gemacht haben, als wir in Namibia waren, um den „Parsifal“ vorzubereiten. Die Verbindung zwischen Parzival und Afrika, die war klar. Feirefiz, gut, der wäre als Mischling nach Nordafrika zu verorten gewesen. Nur wussten wir im Grunde nicht, was wir da genau wollten. Als wir am zweiten Tag von Windhoek losfuhren, sagte er, heute sehen wir einen toten Hasen. Wir lachten erst, doch wirklich, da lag ein toter Hase. Wir sind ausgestiegen und haben sofort angefangen. Das war der Beginn, und später sollte dieser Hase ja immer wieder auftauchen. Dann natürlich die Geschichte, wie der Animatograph entstand. Letztlich lag das an einem Mangel der Bühnentechnik in Bayreuth. Dort gibt es keine Drehbühne. Wir wussten das nicht. Dann fuhren wir zur Bauprobe und sahen die wunderbaren Aufbauten. Wir haben uns so gefreut, dass wir ganz vergessen haben, dass da gar keine Drehbühne war. Erst beim Rückflug ist uns das aufgefallen. Er hat sofort bei Wagner angerufen und eine Drehbühne bestellt, und die wurde für 150 000 Euro gekauft. Ein Wahnsinn! Und er war so begeistert, weil es eine aufgesetzte Drehbühne war, keine eingebaute. Man konnte sie mitnehmen. Letztendlich hat ihn das auf die Idee zum Animatographen gebracht.

⋌Das Gespräch führte Michael Weiser

INFO: „Zum Raum wird hier die Zeit – Der Animatograph als zentraler Monolith im bildnerischen Werk von Christoph Schlingensief“ Vortrag von Voxi Bärenklau, am heutigen Mittwoch, 19 Uhr, Iwalewahaus.

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