Einsatzkräfte: Gaffer immer dreister

Von Brigitte Grüner
Die Feuerwehr löscht, Gaffer fotografieren und filmen und posten das in sozialen Netzwerken. Das verurteilen Feuerwehr und Rettungsdienste. Das Foto hat mit dem Thema nichts zu tun, es entstand bei einer Übung. Foto: Brigitte Grüner Foto: red

Feuerwehr, Sanitäter und Polizisten sind wichtig. Die Menschen vertrauen den Einsatzkräften. Trotzdem werden die Hilfsorganisationen immer öfter mit Gaffern konfrontiert, die im Weg stehen, Fotos machen oder sich den Anweisungen der Hilfskräfte widersetzen. Und das kann gefährlich sein.

 
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„Es wird leider immer schwieriger, die Gaffer fernzuhalten“, bestätigt Kreisbrandinspektor Peter Deiml. Hinzu komme noch die moderne Kommunikation: Oft werden noch während des Einsatzes Fotos ins Netz gestellt. „Hier müssen wir den Sperrbereich immer mehr erweitern“, kündigt der Kreisbrandinspektor an.

Jeder hat auf Facebook Ahnung

Die Rettungssanitäter würden laut Markus Popp vom BRK in Auerbach mit Zaungästen selten konfrontiert, da sich die meisten Einsätze im Privatbereich abspielten. Im öffentlichen Bereich hielten Feuerwehr und Polizei den Rettern im Ernstfall sehr gut den Rücken frei. Was Popp auch stört, ist der Umgang mit den sozialen Medien. Hier meinen viele, allen ihre Meinung kundtun zu müssen, obwohl diese „Wichtigtuer keine Ahnung vom eigentlichen Ausmaß haben“. „Genauso kann es nicht sein, dass Angehörige von Unfällen aus dem Netz erfahren, bevor sie durch Polizei oder Rettungsdienst informiert werden können.“

Ton im Gefahrenbereich schärfer

Thomas Kulacz, Kommandant der Feuerwehr Neuhaus, setzt auf die Zusammenarbeit mit der Polizei. Bislang habe er im Einsatz kaum Probleme mit Gaffern gehabt. Die Wehr arbeite dann eng mit der Polizei zusammen, die eine großräumige Sperrung der Einsatzstelle übernimmt und die Gaffer notfalls entfernt. Dagmar Schnappinger findet, dass Gaffer höflich, aber bestimmt weggeschickt werden sollten. Wenn sie sich im Gefahrenbereich aufhalten, könne der Ton schon mal unhöflicher werden. „Bitte“ und „Danke“ jedoch gehören für die Vorsitzende der Neuhauser Wehr auch dann noch dazu.

Jürgen Thiem von der Feuerwehr Michelfeld findet Leute, die den Anweisungen der Helfer nicht Folge leisten – zum Beispiel bei Absperrungen zu Verkehrsunfällen – am schlimmsten. Das Phänomen nehme leider immer mehr zu, weiß auch Kommandant Stefan Egerer aus Erfahrung. Es werde mit dem Handy fotografiert und gefilmt, was gerade im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen problematisch sei. „Wir müssen daher die Einsatzstellen zunehmend absperren und abschirmen.“

Möglichkeit: Voyeuren die Sicht versperren

In Zeiten der sozialen Medien seien die ungebetenen Zaungäste ein großes Thema, bestätigt Michael Schmidt von der Feuerwehr Auerbach. „Ich kann es nicht verstehen, wenn es Verletzte gibt, und andere meinen, sie müssen mit dem Handy draufhalten.“ Den Einsatzkräften bleibe die Möglichkeit der deutlichen Aufforderung oder den Voyeuren die Sicht zu versperren. „Alle Kräfte, die an den Einsatzstellen arbeiten, müssen innerhalb von Sekunden entscheiden, was zu tun ist.“ Im Nachhinein werden solche Situationen dann in sozialen Medien oft kritisch bewertet. „Hier hat man auch Zeit, sich die beste Lösung zu überlegen“, so der Zweite Kommandant. Was er gar nicht verstehen könne, sei der Fall, dass sich Leute zu Unfallstellen aufmachen und dann auch noch ihre Kinder im Arm haben. „Solche Orte sind beim besten Willen nichts für Kinder.“

Diese Auffassung teilt Wilfried Heberl, Kommandant der Feuerwehr Nitzlbuch. Das Wegschicken von Neugierigen sei oft gar nicht so einfach. „Sind Personen betroffen, ist deren Privatsphäre zu wahren, indem man die Einsatzstelle mit Decken, Planen oder Einsatzkräften abschirmt.“ Bei größeren Ereignissen könne dies durchaus problematisch werden. Auch Heberl kennt die Krux mit den modernen Medien. „So ist es auch in unserem Einsatzbereich schon dazu gekommen, dass die Gaffer schneller an der Einsatzstelle waren und die Einsatzkräfte nur mit Mühe durchgekommen sind.“

Passanten respektieren in der Regel Privatsphäre

„In der Regel akzeptieren die Passanten die Privatsphäre des Patienten“, hat Roland Löb, der oft als „Helfer vor Ort“ des ASB Jura unterwegs ist, festgestellt. Wenn das Geschehen in der Öffentlichkeit ist, werde versucht, den Patienten abzuschirmen. Bei ganz Aufdringlichen habe bislang der Hinweis gereicht, dass man in gleicher Situation auch nicht durch Andere “besichtigt” werden möchte.

Markus Held, Sanitäter und Feuerwehrmann schafft es, die Gaffer auszublenden. „Ich habe meinen Fokus auf dem Einsatz.“ Falls jemand im Weg steht, werde er mit lauter und deutlicher Ansprache aufgefordert, aus dem Weg zu gehen. „Das hat bei mir bisher immer funktioniert.“ Bei Bedarf können Sichtschutz oder Absperrmaßnahmen die Gaffer fernhalten. „Gegen die Idioten, die eine Absperrung ignorieren und sich gewaltsam den Weg bahnen wollen, gibt es leider kein Patentrezept.“ Solche Menschen werde es immer geben und es bleibe nur zu hoffen, dass diese weiterhin die große Ausnahme sind.

Strafrechtlich noch zu selten verfolgt

Das größte Problem mit Gaffern sieht Held auf der Straße, wo es sogar zu Staus und Folgeunfällen auf der Autobahn kommt, weil Leute langsam am Unfallort vorbei kriechen, um das Geschehen im Vorbeifahren mit dem Handy filmen zu können. „Hier wünsche ich mir ein härteres und konsequenteres Vorgehen der Polizei gegen die filmenden und fotografierenden Gaffer auf der Straße. Solche Aufnahmen vom Unfallort sind eine Straftat und werden leider noch zu selten konsequent verfolgt und geahndet“, hat Held eine deutliche Meinung.

Samariter Andreas Brunner erklärt, dass sich der Rettungsdienst in erster Linie um die Versorgung der Patienten kümmert. Bei tatsächlichen Behinderungen hole man die Kollegen der Polizei zu Hilfe. Im kleineren Einsatzgeschehen werden die Gaffer freundlich gebeten, weiter zu gehen, „da es nichts zu sehen gibt“.

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