„Die Preise für Holz fielen in den Keller“, erinnert sich Gerhard Potzel, Geschäftsführer der Waldbauernvereinigung BAyreuth. Vom Ruin bedroht waren damals allerdings die allerwenigsten Waldbauern. Auch weil, wie Potzel sagt, der Freistaat prompt half. „Und die meisten sind eh im Nebenerwerb Waldbauern.“
Aber auch abseits der bloßen finanziellen Folgen traf der Sturm die Oberfranken ins Mark. „Man ist ausgeliefert. Man könnte weinen“, sagt Potzel. „Da wird in kürzester Zeit die Arbeit von 20, 30 oder mehr Jahren zerstört, die teilweise schon von den Eltern begonnen worden war.“ Nach dem Wind kamen die Borkenkäfer, für sie war das Chaos in den Wäldern ein „gefundenes Fressen“, sagt Dirk Schmechel von der Landesanstalt Wald- und Forstwirtschaft. „Und sie griffen angeschlagene Bäume an, die sich nicht wehren konnten“, sagt Potzel.
Jahre später erst waren die Wunden im Wald vernarbt. In manchen Privatwäldern sieht man die Spuren bis heute. Wiebke schnitt aber auch tief ein ins Bewusstsein der Menschen. Zum ersten Mal war „Klimawandel“ ein Begriff nicht nur für Ökofanatiker und Fachleute. „Das Bewusstsein hat sich geändert, und die Stürme haben etwas dazu beigetragen“, sagt Potzel. „Wiebke hat die Denkweise geändert“, sagt auch Schmechel.
Ein besonderes Interesse für Wetterphänomene entwickelten seitdem die Versicherungen. Ein Unternehmen, das Risiken für Versicherer berechnet, ist Aon. „1990 war eigentlich der Höhepunkt der Sturmaktivität“, sagt Aon-Sprecher Parwiz Behboud. Allerdings: „Was Sommerereignisse angeht, also Gewitter und Hagel, so gibt es Hinweise, dass diese in den letzten Jahren tatsächlich zugenommen haben.“ Der neue Weltklimabericht bestätigt die Studien der Risiko-Analytiker: In der nördlichen Halbkugel sei die Periode zwischen 1983 und 2012 wahrscheinlich die wärmste 30-Jahresperiode der vergangenen 1 400 Jahre gewesen, heißt es im neuen Weltklimabericht.
Seit Wiebke sind die Wälder in Bayern ein Stück weit besser auf die Erderwärmung vorbereitet. Wo der Sturm die Wälder niederlegte, musste neu aufgeforstet werden. Dabei vermieden die Waldbauern Fehler der Vergangenheit. „Man setzt nun viel stärker auf Risikostreuung“, sagt Potzel. Auch wenn Laubbäume viel mehr Zeit benötigten, „hat man nun nicht mehr nur Nadel-, sondern auch Laubbäume“. Vor allem Eichen findet man seit den 90er Jahren wieder verstärkt in Bayerns Wäldern. Anteile verloren hat hingegen die Fichte, eigentlich der „Brotbaum“ der Forstwirtschaft. Denn sie hat es schwer auf trockenen Böden.
„Die Sensibilität für Umweltprobleme, aber auch nachhaltiges Wirtschaften ist gewaltigen gestiegen“, sagt Potzel. Das klingt gut. Besser jedenfalls als seine weiteren Beobachtungen. „Wir haben steigende Durchschnittstemperaturen, wir haben in der Summe sinkende Niederschlagsmengen“, sagt Potzel. „Extremereignisse nehmen zu.“
Dazu gehören offenbar auch Stürme wie 2007 der Orkan Kyrill, dazu gehören mehr noch Hochwasser wie das von 2013, das unter anderem den Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf überschwemmte. Kurier-Leser spendeten damals 300 000 Euro. Eine Solidarität, die von den Deutschen künftig wohl öfter verlangt sein wird – wie man sich seit Wiebke ausrechnen kann.