Eine Brücke zu mehr Integration Projekt der Kulmbacher Gummistiftung

Ganz wichtig beim Projekt Respekt: Wertschätzung gegenüber den jungen Menschen. Foto: dpa/Uli Deck

Das Projekt „Respekt“ der Gummistiftung möchte junge Menschen wieder für Alltag und Beruf stark machen. Eine gute Beziehung ist dafür die beste Grundlage.

 
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Kulmbach - Es ist 14 Uhr am Nachmittag. Toni (Name von der Redaktion erfunden) kommt nicht aus dem Bett, wie an so vielen Tagen. Zu viel Gras, zu viele Tiefschläge, zu viel Gleichgültigkeit. Und immer allein. Dabei hätte er gerne einen Job, eine eigene Wohnung, wirkliche Freunde. Er hat es ja versucht.

Solche Momentaufnahmen, die eigentlich keine sind, weil sie die Tage, Monate und Jahre vieler junger Menschen prägen, kennt Christine Kohl gut. Im Projekt „Respekt“ der Jugendwerkstatt der Geschwister-Gummi-Stiftung in Kooperation mit dem Jobcenter Kulmbach begleitet die Erzieherin Frauen und Männer von 16 bis 25 Jahren auf ihrem Weg der beruflichen und sozialen Integration – ganz nach dem Leitspruch: „Da geht noch was!“

Manche fallen durchs Raster

Denn manche Jugendliche haben sich aus dem System von Schule, Arbeitsverwaltung oder Jugendhilfe verabschiedet. Einige von ihnen schaffen es nicht in eine Ausbildung oder Anstellung, andere haben diese abgebrochen. In einigen Fällen haben sie ihre Wohnung verloren, wohnen nun bei Freunden. Nicht selten spielen Süchte eine Rolle. „Die Probleme gehen ineinander über: Wenn jemand keine Wohnung hat, ist es zum Beispiel schwer, regelmäßig, gepflegt und leistungsfähig zur Arbeit zu erscheinen“, erklärt Christine Kohl.

In den Lebensläufen der freiwilligen Teilnehmer stecken oft Überforderung und fehlende Bezugspersonen. „Viele möchten ihre Situation ändern. Aber sie wissen nicht, wie und in welcher Reihenfolge sie die nächsten Schritte angehen sollen und welche Angebote es gibt.“ Das wiederum hat Auswirkungen auf das Selbstbild und den Alltag der Frauen und Männer.

Mit Beziehung arbeiten

Die Grundideen des Projekts bestehen in der Stabilisierung und in der Wiederanbindung an das soziale System, das die jungen Menschen begleitet und unterstützt. Die Basis bilden offene Gespräche voller Ehrlichkeit, aber auch Wertschätzung gegenüber den jungen Menschen.

Zudem hilft Christine Kohl beispielsweise beim Ausfüllen von Anträgen bei Behörden, begleitet zu Terminen bei Ärzten, Suchtberatungs- oder Schuldenberatungsstellen – oftmals nur einmal. Denn wenn die erste Anbindung erfolgt und diese „Hürde“ überwunden sei, schaffen viele die nächsten Schritte alleine. „Je nachdem, wo die Frauen und Männer auf ihrem persönlichen Weg sind, schreiben wir auch gemeinsam Bewerbungen.“

Generell gilt jedoch: Das Individuum bestimmt Themen, Tempo, Frequenz und die Interventionstiefe der Begleitung. „Manche sehe ich fast jede Woche, zu anderen fahre ich nach ein paar Wochen nach Hause oder dem Ort, wo sie sich vermutlich aufhalten. Mit der Zeit weiß man ja, wer wo mit wem abhängt. Dann spreche ich schon mal deutliche Worte“, erzählt sie. Und das mit Erfolg: Die jungen Menschen wissen, dass Christine Kohl ihnen nichts abnimmt, nicht „hilft“.

Denn das stelle automatisch eine Hierarchie her, weiß der Leiter der Jugendwerkstatt Peter Engelhardt. Vielmehr gelte es, sie zu befähigen und ihre eigenen Kräfte zu aktivieren. Möglich sei dies nur durch eine gute Beziehung voller Wertschätzung und Geduld. Viele von ihnen haben in ihrem Leben zu viel Ablehnung erfahren. „Viele nehmen sie nur als lästig war. Für sie gibt es keine Lobby!“ Im Projekt „Respekt“ haben sie eine: Viele von ihnen, die mittlerweile in anderen Projekten der Jugendwerkstatt oder in Ausbildung sind, wenden sich immer wieder an Christine Kohl um sich auszutauschen. „Auch ohne spezielles Thema.“

Es muss nicht immer Arbeit sein

Je nach individueller Lebensgeschichte bestehe das nächste Ziel auf dem persönlichen Weg der jungen Menschen nicht automatisch darin, eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle zu bekommen.

Einige der Teilnehmer wechseln etwa ins das Projekt „Arbeiten und Lernen“ der Geschwister-Gummi-Stiftung, in dem sie sich persönlich weiter stabilisieren und beruflich, mit Hilfe verschiedener Erfahrungsfelder, orientieren können. Es kann jedoch auch sein, dass erst mal eine Therapie sinnvoll ist. „Es geht immer um die nächste Stufe auf dem Weg der beruflichen und sozialen Integration“, so steht es im Konzept des Projekts, das vom Jobcenter Kulmbach finanziert wird. Im Zusammenspiel der Mitarbeiterinnen des Jobcenters und Christine Kohl von der Geschwister-Gummi-Stiftung finden Jugendliche seit mittlerweile über fünf Jahren den Weg ins Projekt.

Zunächst als Pilotprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Jahr 2016 gestartet, hat es seinen festen Platz in Kulmbach. Das Projekt „Respekt“ lebt seinen Namen täglich in der Arbeit und Beziehung mit jungen Menschen. Das ist die Basis für die Begleitung auf ihrem Weg in die soziale und berufliche Integration.

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