Zudem hilft Christine Kohl beispielsweise beim Ausfüllen von Anträgen bei Behörden, begleitet zu Terminen bei Ärzten, Suchtberatungs- oder Schuldenberatungsstellen – oftmals nur einmal. Denn wenn die erste Anbindung erfolgt und diese „Hürde“ überwunden sei, schaffen viele die nächsten Schritte alleine. „Je nachdem, wo die Frauen und Männer auf ihrem persönlichen Weg sind, schreiben wir auch gemeinsam Bewerbungen.“
Generell gilt jedoch: Das Individuum bestimmt Themen, Tempo, Frequenz und die Interventionstiefe der Begleitung. „Manche sehe ich fast jede Woche, zu anderen fahre ich nach ein paar Wochen nach Hause oder dem Ort, wo sie sich vermutlich aufhalten. Mit der Zeit weiß man ja, wer wo mit wem abhängt. Dann spreche ich schon mal deutliche Worte“, erzählt sie. Und das mit Erfolg: Die jungen Menschen wissen, dass Christine Kohl ihnen nichts abnimmt, nicht „hilft“.
Denn das stelle automatisch eine Hierarchie her, weiß der Leiter der Jugendwerkstatt Peter Engelhardt. Vielmehr gelte es, sie zu befähigen und ihre eigenen Kräfte zu aktivieren. Möglich sei dies nur durch eine gute Beziehung voller Wertschätzung und Geduld. Viele von ihnen haben in ihrem Leben zu viel Ablehnung erfahren. „Viele nehmen sie nur als lästig war. Für sie gibt es keine Lobby!“ Im Projekt „Respekt“ haben sie eine: Viele von ihnen, die mittlerweile in anderen Projekten der Jugendwerkstatt oder in Ausbildung sind, wenden sich immer wieder an Christine Kohl um sich auszutauschen. „Auch ohne spezielles Thema.“
Es muss nicht immer Arbeit sein
Je nach individueller Lebensgeschichte bestehe das nächste Ziel auf dem persönlichen Weg der jungen Menschen nicht automatisch darin, eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle zu bekommen.
Einige der Teilnehmer wechseln etwa ins das Projekt „Arbeiten und Lernen“ der Geschwister-Gummi-Stiftung, in dem sie sich persönlich weiter stabilisieren und beruflich, mit Hilfe verschiedener Erfahrungsfelder, orientieren können. Es kann jedoch auch sein, dass erst mal eine Therapie sinnvoll ist. „Es geht immer um die nächste Stufe auf dem Weg der beruflichen und sozialen Integration“, so steht es im Konzept des Projekts, das vom Jobcenter Kulmbach finanziert wird. Im Zusammenspiel der Mitarbeiterinnen des Jobcenters und Christine Kohl von der Geschwister-Gummi-Stiftung finden Jugendliche seit mittlerweile über fünf Jahren den Weg ins Projekt.
Zunächst als Pilotprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Jahr 2016 gestartet, hat es seinen festen Platz in Kulmbach. Das Projekt „Respekt“ lebt seinen Namen täglich in der Arbeit und Beziehung mit jungen Menschen. Das ist die Basis für die Begleitung auf ihrem Weg in die soziale und berufliche Integration.