„Ein Glücksfall“ Sie fühlen sich total wohl in der Firmenfamilie

Rosi Thiem
Sergiy Ewdokimow kennt jedes Fahrzeug des umfangreichen Fuhrparks und repariert alles selbst. Chef Rudi Thiem (rechts) nennt es einen Glücksfall, so gute Mitarbeiter zu haben. Foto: Rosi Thiem

Mitarbeiter viele Jahre zu haben, ist für Firmenchefs längst nicht selbstverständlich. Rudi und Fabian Thiem haben Glück mit einem Ukrainer und einem Polen.

 
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Wieso woanders arbeiten? Marian Grzesik und Sergiy Ewdokimow schütteln bei dieser Frage verständnislos den Kopf. „Uns gefällt es doch hier“, sagen sie. Und nicken, bevor sie schnell wieder an die bereits angefangene Arbeit gehen.

Der Ukrainer Ewdokimow baut gerade einen Luftfilter neu ein. Seit 20 Jahren arbeitet er bei Rudi und Fabian Thiem, dem Landschaftsbau, Bagger- und Transportbetrieb. Der gebürtige Kiewer ist seit 1999 in Deutschland und wohnt in Bayreuth, wo er ein eigenes Haus besitzt. In Pegnitz fing er einen Deutschkurs an. Seine Frau und die zwei Kinder haben die deutsche Staatsbürgerschaft.

Gerade hat Ewdokimow viel zu tun. „Jetzt vor Weihnachten kommen die ganzen Fahrzeuge nach Hause in die Werkstatt. Hier mache ich den Service und die Reparaturen.“ Er zeigt die voll eingerichtete Schlosserwerkstatt am Stützpunkt Prüllsbirkig. 16 Bagger in allen Größen und sechs Lastwagen durchlaufen seine flinken Hände und seinen fachmännischen Blick. „Wenn auf der Baustelle etwas kaputt geht, dann fahre ich auch schnell hin“, sagt der 54-Jährige, der Gesellenbriefe als Lkw- und Pkw-Schlosser besitzt.

Der Sergiy fährt bei Not am Mann

Da kommt es dann schon mal vor, dass Ewdokimow mitten im Nürnberger Verkehrsgewühl einen Bagger reparieren muss. „Wenn Not am Mann ist und wir haben einen Tag keinen Lastwagen-Fahrer, dann fährt auch unser Sergiy, denn er hat ja den Führerschein dazu“, sagt Rudi Thiem, der Chef. Voller Stolz ehrte er die beiden langjährigen Mitarbeiter in der vergangenen Woche bei einer kleinen Betriebsfeier. „Auf die beiden kann ich mich immer verlassen“, sagt der 56-jährige Seniorchef.

Er teilt sich die Verantwortung mit seinem Schwiegersohn Fabian Thiem. Vor 30 Jahren hat sich Rudi Thiem mit der Firma selbstständig gemacht. „Ich habe mit alten, gebrauchten Maschinen aus dem Nichts angefangen. Mehr konnte ich mir damals nicht leisten.“ Inzwischen ist sein Unternehmen auf 16 Mitarbeiter und einen stattlichen Fuhrpark gewachsen und es gibt neben dem Stammhaus in Prüllsbirkig eine zweite Niederlassung in Hollfeld auf dem ehemaligen Baywa-Gelände. „Damals war es ein mutiger Schritt, weil die Wirtschaftslage nicht so gut war und ich wusste nicht – läuft es, oder läuft es nicht. Vor 30 Jahren musste ich günstiger arbeiten“, erinnert er sich. Und ergänzt: „Heute ist die Auftragslage sehr gut und die Bücher für zwei bis drei Jahre voll.“

Für die N-Ergie in Nürnberg wird genauso gearbeitet wie im Bereich Gas-, Breitband-, Wasser- und Fernwärmeleitungen. Hinzu kommen Pflasterarbeiten und vieles andere. „Aber mein wichtigstes Kapital sind meine Mitarbeiter. Auf die beiden Geehrten kann ich mich immer verlassen, sie haben mich noch nie im Stich gelassen. Der Sergiy zum Beispiel sucht sich immer eine Arbeit und steht nicht herum.“

Sein Ausgleich ist das Fischen

Der gelobte Schlosser, der gerade einen Luftfilter eingebaut hat, grinst: „Ja, da gibt es keine Probleme. Meinen Ausgleich habe ich zu Hause in Bayreuth und dann gehe ich auch gerne meinem Hobby nach, dem Fischen.“ Gerade hat er seine Eltern aus Kiew nach Bayreuth nach Hause geholt. „Sie erlebten die Bombardierungen in Kiew. Für meine Eltern war das ganz schlimm, ein Nachbar wurde erschossen. Es ist schrecklich, was gerade in der Ukraine passiert“, sagt er traurig. Vor drei Jahren war er das letzte Mal in dem heute vom Krieg geplagten Land. Dabei hat er Freunde auch in Russland. „Hier in der Firma ist es bei uns familiär. Auch in der Werkstatt helfen wir zusammen. In der letzten Zeit ist es manchmal schwieriger, auf die Schnelle Ersatzteile zu bekommen“, bemerkt er, bevor er die Motorhaube wieder schließt.

Marian Grzesik, der bereits seit 27 Jahren bei den Thiems ist, hat sich ins Treppenhaus zurückgezogen und verputzt die gerade im Umbau befindliche Wand. Der aus Breslau in Südpolen stammende Mann gönnt sich wieder einmal keine Freizeit. Pflastern, Asphaltieren, Fliesen legen, Verputzen, Mauern und Rigips verlegen ist eine Auswahl seiner breiten Fähigkeiten. Auch jetzt am Freitagnachmittag beeilt er sich, den Putz aufzuziehen, damit dieser nicht fest wird. „Kein Problem, diese Arbeit. An diesem Wochenende fahre ich nicht heim und habe deshalb Zeit. Meine Frau ist damit einverstanden. Mir macht meine Arbeit Spaß und ich liebe die abwechslungsreichen Einsatzstellen, da wird es nie langweilig“, sagt der 64-Jährige – und fügt hinzu: „An die Rente denke ich jetzt noch lange nicht.“

Alle vier bis sechs Wochen geht es 550 Kilometer lang in die Heimat

Alle vier bis sechs Wochen pendelt er an den Wochenenden zwischen Deutschland und seiner Familie in Polen hin und her. In Breslau hat er eine Ehefrau, drei erwachsene Kinder und ein eigenes Haus. „Das funktioniert ganz gut“, sagt Grzesik. Genau 550 Kilometer fährt er da einfach und ist am Montag früh um 8 Uhr wieder pünktlich zur Stelle in Prüllsbirkig. „Marian hat noch nie verschlafen, war in den 27 Jahren nur zweimal krank, hat eine Gesundheit wie ein Bär und ist wie mein zweiter Bruder“, sagt Seniorchef Rudi Thiem.

Damals hatte er den fleißigen Handwerker auf einer anderen Baustelle kennengelernt; seitdem ist er bei ihm beschäftigt. „Damals gab es nicht so viel Arbeit in Polen. Auch jetzt mit dem Krieg in der Ukraine ist die Arbeit in Polen zurückgegangen und die Löhne sind dort schlecht“, sagt Marian Grzesik. Fabian und Rudi Thiem finden es wichtig, ab und zu unter dem Jahr mal eine Pizza auszugeben oder ein Fest mit den Mitarbeitern zu feiern. Zudem bezahlen sie gut und pünktlich. „Wir gönnen unseren Mitarbeitern auch mal eine Haxe oder grillen für sie. Diese schönen Stunden sind für das Betriebsklima sehr gut.“

Im Lauf der Jahre lernte er Deutsch ganz nebenbei im Betrieb

Deutsch lernte Marian Grzesik im Laufe der Jahre – ganz ohne Deutschkurs – nebenbei im Betrieb. Zudem spricht er neben Polnisch auch noch Russisch, Deutsch, Tschechisch und Ukrainisch. „Aber umgekehrt kann mein Chef leider nicht viel Polnisch“, feixt er fröhlich und zieht den Putz weiter auf. Die Verpflegung ist gut. Er wohnt am Betriebsgelände. Und auch unter den Kollegen gibt es kein Hin und Her. „Wir verstehen uns wie als eine Familie. Mir gefällt mein Leben und ich möchte mit niemandem tauschen.“

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