Ein Bayreuther als Seenotretter

Von Sonny Adam
Andreas Pohl mit einem Flüchtlingskind im Arm bei der Ankunft im italienischen Pozzallo. Foto: Laurin Schmid/SOS Mediterranee Foto: red

Der Bayreuther Andreas Pohl (29) hat Aufregendes zu erzählen: Nachdem er in Ostfriesland Nautik studiert und seine Bachelorprüfung abgelegt hat, meldete er sich freiwillig, um Flüchtlinge aus dem Meer zu retten.

 
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Andreas Pohl ist 29 Jahre alt. Er lebt in Bayreuth, ist verheiratet, hat eine eineinhalbjährige Tochter – sein ganzer Stolz. In seinem Leben hat er dem Grauen schon mehrfach direkt ins Gesichte gesehen.

Pohl hat in Ostfriesland Nautik studiert. „Nachdem ich meinen Bachelor hatte, ist meine Freundin schwanger geworden. Ich war in Elternzeit. Und da kam ich auf die Idee, mich als Freiwilliger für eine Rettungsmission im Mittelmeer zu melden“, sagt Pohl.

Aus dem Mund des 29-jährigen klingt es, als ob es sich um eine normale Schiffsreise handeln würde. Doch die Videos, die er für seinen Vortrag beim Bürgerforum Bayreuth im Landratsamt Kulmbach mitgebracht hatte, zeigen andere Situationen. Bei stockfinsterer Nacht und heftigem Wellengang war er mit anderen Freiwilligen auf hoher See unterwegs.

Ehrenamtlich, für eine Aufwandsentschädigung, die der Rede nicht wert ist. Aus purem Idealismus. „Ja, ich war auch seekrank. Es dauert, bis sich der Körper ans Meer gewöhnt hat“, erzählt Pohl.

Einsätze werden mit Spenden finanziert

Andreas Pohl hat vor der Küste Libyens Schwimmwesten verteilt, hat die Menschen versorgt, sie von windigen Schlauchbooten und erbärmlichen Holzbooten an Bord der „Aquarius“ geholt.

Mit ihm waren Seeleute, Helfer der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ und noch weiteres Personal an Bord. Das Schiff war ursprünglich ein Fischereischutzboot. Doch seit Jahren ist das Schiff, das 77 Meter lang und fast zwölf Meter breit ist, an der Küste vor Libyen unterwegs, um Flüchtlinge vor dem sicheren Tod zu bewahren. Jeder Einsatztag kostet 11.000 Euro. Finanziert werden die Einsätze aus Spendengeldern.

Gefährlichste Route der Welt

„Die Mittelmeerroute ist die gefährlichste Route der Welt. In diesem Jahr sind schon mehr als 2600 Menschen bei der Fahrt über das Mittelmeer gestorben oder gelten als vermisst“, erklärt Pohl.

Im Jahr zuvor sind nachweislich mehr als 5000 Menschen ertrunken, in den Jahren 2010 bis 2014 waren es mindestens 24.000 Menschen. „Ich hatte einen Bezug zu der Thematik. Denn als Kind habe ich in Ostafrika gelebt. Das war auch der Grund, warum ich Nautik studiert habe“, erzählt der Bayreuther.

Mehr als 2000 Gerettete

Viele Worte, was er auf dem Schiff erlebt hat, macht Andreas Pohl nicht. Er will auch nicht als Held tituliert werden. Obwohl er dies zweifellos ist. Denn in seinem sechswöchigen Einsatz hat er mehr als 2000 Menschen gerettet: Frauen, Kinder, Männer.

„Jeder, der sich für solch einen Einsatz meldet, muss seetauglich sein. Es sind viele nautisch erfahrene Menschen an Bord. Menschen aus aller Welt“, erzählte Pohl.

Als er auf Rettungsmission ging, konnten die Schiffe noch ziemlich nah an die libysche Küste heranfahren. „Das geht jetzt nicht mehr. Das libysche Militär ist sehr restriktiv“, sagt Pohl.

Für die Menschen, die sich trotzdem auf die Reise machen, bedeutet dies: Sie müssen mehr Zeit auf dem Meer verbringen ehe sie von anderen Schiffen aufgenommen und nach Italien gebracht werden können.

Panik verhindern

Die schwierigste Situation ist immer dann, wenn die Retter ein Flüchtlingsboot entdecken. „Es ist wichtig, dass die Leute nicht in Massenpanik geraten, dass nicht alle auf einmal versuchen, auf unser Schiff zu gelangen. Und am allerwichtigsten ist es, dass die Leute nicht ins Wasser springen“, so Pohl.

Aus diesem Grund sind Fachkräfte aus aller Welt auf der „Aquarius“. In den verschiedensten Sprachen werden Anweisungen erteilt, um Schlimmeres zu verhindern. „Aber die Menschen nehmen die Strapazen in Kauf. Denn alles ist besser, als in Libyen zu bleiben. Die Menschen werden misshandelt, manchmal verkauft. Frauen werden dort reihenweise vergewaltigt und verkauft“, erzählte Pohl.

Boote werden zerstört

Nach jeder geglückten Rettungsaktion werden die Boote der Schleuser zerstört, so dass sie sie nicht mehr verwendet werden können. Und dann gilt es, die Menschen so schnell wie möglich an Land zu bringen.

„Jetzt kann ich mir solch einen Einsatz nicht mehr vorstellen. Ich habe eine Tochter. Und ganz ohne ist so ein Rettungseinsatz nicht“, sagt Pohl. Doch die Abenteuer hören für ihn nicht auf. Er möchte schon im November auf einem Frachtschiff, das zwischen Europa und der Karibik kreuzt, anheuern. Denn die See ist nun einmal sein Beruf. „Ich bin dann natürlich wieder sechs Monate weg“, erklärt er.

Nebenbei möchte er – gemeinsam mit seiner Frau – Ökotourismus in Rumänien aufbauen. „Wir haben in Rumänien ein Haus und hoffen, dass das gut klappt“, sagt er.

Besonders am Herzen liegt dem Bayreuther, bei allen Menschen Interesse für die Flüchtlingskatastrophe zu wecken. „Libyen ist nun einmal der Umsteigebahnhof auf der Reise nach Europa. Natürlich wäre es besser, Fluchtursachen in Mali, Eritrea, Afrika, Nigeria und all den anderen Ländern zu bekämpfen, aber wir haben eine Verpflichtung als schutzgebendes Land“, betonte Peter Müller, Leiter der Koordinationsstelle der Bildungsangebote für Zugewanderte am Landratsamt Kulmbach.

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