Aktuell bewegt sich das Dorf rund einen Meter pro Jahr
Das Dorf Brienz ist seit Menschengedenken in Bewegung. Die gesamte Plateauterrasse rutscht vermutlich seit der letzten Eiszeit talwärts. In den vergangenen hundert Jahren waren es nur jeweils wenige Zentimeter pro Jahr. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Bewegung aber stark beschleunigt: Aktuell beträgt die Bewegung des Dorfs rund einen Meter pro Jahr. Der Turm der Kirche steht leicht schief, Straßen brechen auf oder sinken ab, Risse gehen durch Häuser und Ställe. Dass der Felsbereich namens „Insel“ oberhalb des Dorfes gefährlich ist, war seit Jahren bekannt. Schon 2017 verfügte das kantonale Amt für Wald- und Naturgefahren, dass im Dorf keine Neubauten mehr errichtet werden dürfen.
Ein weiterer Grund für die rasche Evakuierung ist das Wetter. „Bis zum Sonntag soll es täglich Niederschläge geben“, sagt Simon Löw, emeritierter Professor für Ingenieurgeologie an der Universität ETH Zürich, im Schweizer Fernsehen. „Das kann die Rutschgeschwindigkeit noch erhöhen.“ Unklar ist indes, wie das Gestein zu Tal rutscht und wie stark Schutt und Geröll das Dorf treffen. Es kann viele kleine Felsstürze geben, oder es kommt – im schlimmsten Szenario – zu einem Bergsturz, bei dem die Geröllmasse mit bis zu 200 Stundenkilometer wie eine Lawine ins Tal rast. „Dann wäre das Geröll in 30 Sekunden im Dorf, und das Dorf ist zerstört“, beschreibt Löw die nicht ausgeschlossene Variante.
Die Solidarität im Tal ist groß. „Wir haben mehr als 140 Wohnungen angeboten bekommen“, sagt Gemeindepräsident Albertin. „Wir hoffen schwer, dass wir wieder in Brienz wohnen können. Wann, wissen wir nicht.“
Klimawandel begünstigt Felsstürze
Geologie
Im Kern lässt sich das Phänomen in Brienz so erklären: In der Region ruht hartes Gestein auf dem weichen Flysch-Schiefer. Zudem befindet sich im Erdinneren viel Wasser. Der Klimawandel spielt laut Experten keine Rolle für den drohenden Felssturz. „Hier gibt es keinen Permafrost, der auftaut“, sagt Simon Löw, emeritierter Professor für Ingenieurgeologie an der ETH Zürich.
Permafrost
Allerdings dürften Felsstürze in Permafrostgebieten künftig deutlich häufiger auftreten. „In solchen Orten ist der Klimawandel wesentlich und fördert geologische Massenbewegungen“, sagt Löw.