Die Tafel: Bayreuth ist nicht Essen

Von Thorsten Gütling
Christa Ohnemüller ist eine der ehrenamtlichen Helferinnen, die am längsten dabei sind. Zuständig für Obst und Gemüse, kommen Hilfsbedürftige bei ihr auch einmal in den Genuss einer Kokosnuss oder einer Schale Erdbeeren. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Der Bayreuther Tafel schlägt Skepsis entgegen. Die Probleme in Essen, wo hilfsbedürftige Deutsche wegen aggressiver Flüchtlinge der dortigen Tafel fern blieben, färben ab. So müsste es in Bayreuth doch auch zugehen, oder? Dass dem nicht so ist, hat mehrere Gründe.

 
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Der Anteil der Ausländer, die vor der Bayreuther Tafel anstehen, liegt laut Peter Zilles bei rund 30 Prozent. Zilles ist, wie Klaus Wührl-Struller, einer von zwei stellvertretenden Vorsitzenden der Bayreuther Tafel, und in Essen soll der Ausländeranteil bei 75 Prozent liegen.

"Er wäre nicht hier, wenn er sich immer hinten angestellt hätte."

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum es Probleme wie in Essen in Bayreuth nicht gibt. Denn dass Flüchtlinge sich in manchen Situationen anders verhalten, beobachtet man auch bei der Tafel. Nur weiß man dort auch um die Gründe dafür. Wührl-Struller beschreibt das so: „Ein Dorf mit 100 Leuten wählt einen aus, der es nach Europa schaffen könnte. Der durchquert die Sahara, überlebt libysche Gefängnisse und die Fahrt über das Mittelmeer. Er wäre nicht hier, wenn er sich immer hinten angestellt hätte.“ Dass auch der Letzte noch genügend zu essen bekomme, hätten manche Kunden in ihrem Leben noch nicht erfahren.

Für sie ist aber auch anderes völlig neu. Dass der Reihenfolge in der Schlange ein ausgeklügeltes System zugrunde liegt. In Essen, wo jede Woche 6000 Kunden versorgt werden, wird jedem Kunden eine feste Abholzeit zugeteilt. In anderen Städten ziehen die Menschen eine Nummer, entweder für den aktuellen oder für den folgenden Ausgabetag.

Wer bedürftig ist, bekommt einen Ausweis

In Kulmbach, einer mit 350 Kunden pro Woche relativ kleinen Einrichtung, gilt die Devise: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Das Bayreuther System wird mittlerweile in vielen Tafeln in Deutschland praktiziert. Wer von Jobcenter, Diakonie oder Caritas ein Schreiben vorlege, das seine Hilfsbedürftigkeit belegt, der bekommt einen Ausweis. Darauf ein Punkt in einer von neun Farben. Jede Woche werden Kunden mit einer anderen Farbe zuerst bedient. In der folgenden Woche rückt deren Farbe dann an zweite Stelle und die Kunden der vormals letzten Farbe kommen zuerst dran.

Auf einem Plan, der im Internet einsehbar ist, steht, um wie viel Uhr die Kunden welcher Farbe frühestens bedient werden. Früher braucht also niemand zu kommen. Zusätzlich werden innerhalb jeder Farbgruppe je nach Ankunftszeit der Kunden Nummern verteilt, die dann aufgerufen werden. Auch für welche Farbe es diese Nummern frühestens gibt, ist geregelt. Mehr als zwölf Kunden sollen nicht gleichzeitig in den Laden, den Mitarbeitern zuliebe.

30 Kunden friedlich wartend vor dem Laden

Weil einer der Ehrenamtlichen also alle paar Minuten vor die Tür muss, um die nächsten Kunden aufzurufen, habe man die Situation dort gut im Blick. „Die Essener Kollegen haben vielleicht nicht genügend vor die Tür geschaut“, sagt Zilles. In Essen, wo fünfmal soviele Kunden bedient werden, es aber auch nur 140 Helfer und damit genauso viele wie in Bayreuth gibt, sei das wohl auch schwerer.

Folglich stehen am Mittwoch gegen 13 Uhr etwa 30 Kunden friedlich wartend vor dem Laden. Dass das im Sommer anders ist, auch dafür gibt es Gründe. Die Menschen träfen sich dann zum Plaudern, sagt Peter Zilles. Der Platz vor der Tafel sei längst zum sozialen Treffpunkt geworden. Armut mache schließlich einsam. Eine Wohnung, in der man gerne Gäste empfange, fehle den meisten, genauso das Geld, um sich in ein Café zu setzen.

Konflikte mit den Helfern auch in Bayreuth

Freilich, Probleme gebe es auch in Bayreuth. Etwa drei Mal im Jahr fänden Verstöße gegen die Benimmregeln statt, die mit einem mehrwöchigen Einzug der Kundenkarte sanktioniert würden. In aller Regel handele es sich um verbale Entgleisungen den Helfern gegenüber, weil die in den Augen mancher Kunden nicht genügend zu essen über die Ladentheke reichten.

Zilles sagt, das hänge auch damit zusammen, dass manche Kunden den Einsatz der Helfer gar nicht wertschätzen könnten. Manche würden selbst nach Jahren nicht glauben, dass die Helfer für ihre Arbeit kein Geld bekämen. Vielerorts sei so ein Engagement einfach nicht üblich. Ob die Kollegen der Essener Tafel richtig gehandelt haben, darüber gibt es unter den Ehrenamtlichen in Bayreuth unterschiedliche Meinungen.

"Es reicht für alle"

Bayreuth ist nicht Essen, sagt die hiesige Tafel-Vorsitzende Ingrid Heinritzi-Martin im Interview.

Die Essener Tafel nimmt vorerst keine Migranten mehr auf, weil es offenbar zu Reibereien mit einheimischen Tafelberechtigten kam. Wie sieht es in Bayreuth aus?

Ingrid Heinritzi-Martin: Ich bin froh, dass das bei uns nicht so ist. Herumgeschubse in der Warteschlage vor dem Laden gibt es hier nicht. Die genauen Verhältnisse bei der Essener Tafel kenne ich aber nicht. Bei uns geht es sehr geordnet zu. Insgesamt haben wir jede Woche mit den beiden Einkaufstagen Mittwoch und Samstag im Schnitt rund 500 Kunden. Pro Einkauf zahlt ein Alleinstehender einen Euro, ein Paar 1,50 Euro und eine Familie zwei Euro.

Wie viele Migranten als Kunden hat die Bayreuther Tafel?

Heinritzi-Martin: Das ist schwer zu sagen. Ich möchte auch gar keine Unterschiede zwischen Migranten und Deutschen machen. Neue Kunden behandeln wir genauso wie alte.

Reichen Ihre Vorräte für alle Kunden?

Heinritzi-Martin: Wir bekommen unsere Lebensmittel von Supermärkten und Nahrungsmittelbetrieben aus der Region und vom Tafel-Zentrallager im Nürnberger Land. Und die reichen für alle unsere Kunden. Auch wenn nicht immer für jeden alles da ist: Keiner geht mit leerer Tasche aus dem Laden.

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