Die Rock Classics am Samstag des Weißbierfestes sind Kult in Bayreuth Musikalische Zeitreise mit Bier

Von Norbert Heimbeck
Die Rock Classics am Samstag sind Kult beim Maisel´s Weissbierfest. Foto: Peter Kolb Foto: red

Darf man beim Weißbierfest von "Red Wine and Whiskey" singen? Man darf, wenn man als "Katrina and the waves" die Halle rockt. Solide Bässe, treibendes Schlagzeug und eine Stimme, die direkt ins Herz trifft - mehr braucht es nicht, um auf Zeitreise zu gehen.

 
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Zeitreise? Na klar, viele Sänger und Musiker haben graue Strähnen im Haar, und ihre größten Erfolge besetzten schon vor Jahren die Hitlisten. Im Publikum sieht's kaum anders aus: Menschen, die mit ihren Stars grau geworden sind, aber bei den vertrauten Klängen in den Knieen wippen und mit den Fingern schnippen. Daneben Frauen und Männer in Dirndl und Lederhosen, die die Kinder der coolen Grauen sein könnten, sie recken die Arme in die Luft und singen mit. Das Weißbierfest verbindet die Generationen.

Es ist Samstag, später Nachmittag. In der Hindenburgstraße sammeln sich Grüppchen, spazieren Richtung Brauereigelände. Plötzlich erschreckt ein donnerndes Röhren die Fußgänger, ein schwarzer Sportwagen entert das Parkhaus neben dem Kino, kreist mit brüllendem Auspuff einmal durch sämtliche Stockwerke und fährt dann Richtung Innenstadt davon. Sehen und gesehen werden - auch das ist einer der Gründe für den Besuch des Weißbierfestes. Mancher, der einen kennt, der einen kennt, darf im Backstage-Bereich auf Tuchfühlung mit seinen Idolen gehen, ein Selfie mit dem Smartphone schießen und wundert sich, wenn das Handy-Netz auf dem Brauereigelände gegen 23 Uhr zusammenbricht, weil alle gleichzeitig ihre Bilder hochladen.

Der Duft nach Bratwürsten und Steaks liegt über dem Gelände, ein Großteil der Besucher schlendert mit einem Weizenglas in der Hand zwischen Festzelt und Lagerhalle hin und her, sucht und findet Bekannte, bleibt zu einem kurzen Waaferla stehen: "Auf wen freust Du Dich besonders?" - "Auf Earth, Wind and Fire natürlich!" lautet die Antwort in den meisten Fällen. Wer den Klugscheißer spielt ("Die heißen aber Earth, Wind & Fire Experience featuring Al McKay Allstars") erntet Schulterzucken, der Name spielt keine Rolle, die Musik muss passen.

Nicht wenige kommen aber gar nicht wegen der Musik: Bereits kurz vor 20 Uhr eskortiert ein muskelbepackter Riese im schwarzen Hemd ein schwankendes Jungmänner-Trio in Lederhosen zum Ausgang. Die Burschen können sich kaum noch auf den Beinen halten, aber ihr Bierglas lassen sie nicht fallen. Im Laufe der Nacht drängen sich immer wieder Rotkreuzler im Laufschritt durch die Besuchermassen, um schwächelnde Gäste auf die Beine zu bringen.

Als die Halle endlich geöffnet wird, versammeln sich Musikfans am Absperrgitter vor der Bühne, drängeln sich in Sechserreihen, obwohl aus den Lautsprechern nur Discomucke mit "Daddy Cool" schallt. Dann geht's endlich los: "Katrina and the waves" eröffnen. Man kennt ihren Superhit "Walking on sunshine", aber auch das "Rock'n Roll Girl" und "Love Shine a light" tauchen aus den Tiefen des  musikalischen Gedächtnisses wieder auf. Man ertappt sich beim Mitsingen.

Erst recht, als die Jungs von "Goodlands" den "Higway to Hell" betreten und all die anderen Hymnen der Rockgeschichte wie "Smoke on the water" auspacken. Sie haben die Aufgabe, das Publikum bis zum Aufritt von "Earth, Wind and Fire ...." bei Laune zu halten. Weil ihr Programm tief im kollektiven Musikgedächtnis verankert ist, blickt auch die Band aus der Region auf eine volle Halle und bekommt wohlverdienten Applaus.

Wer in den 70er Jahren die Boxen seiner ersten Stereoanlage dem Stresstest mit "Earth, Wind and Fire" unterzog, fühlte sich am Samstag kurz vor der Geisterstunde wieder in den hippiebunten Partykeller seiner Eltern versetzt: Die Masche mit den betörenden Klanglawinen aus Soul und Funk funktioniert auch heute noch. Und dazwischen gibt's eine volle Breitseite der Bläsertruppe. Al McKay und seine Allstars machen einfach weiter, so als gäbe es für sie keine Jahre. Zeitreisen können so einfach sein. Und so schön.

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