Die Kirchenrebellen von St. Johannis

Von Norbert Heimbeck
Helfer decken das Dach des alten Hauses neben der Kirche von St. Johannis ab. Ab Mai soll auf dem Grundstück das neue Gemeindehaus errichtet werden. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Er sieht gar nicht aus wie ein Rebell. Christian Aschoff kämpft auch nicht mit den üblichen Waffen: Der Pfarrer von St. Johannis liegt mit seinen Kirchenoberen im Clinch. Weil die ihm zwar erlaubt haben, ein neues Gemeindehaus zu bauen, aber kein Geld dafür geben wollen. Deshalb greift Aschoff zu einer List.

 
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Es regnet in Strömen an diesem Samstag. Am Altentrebgastplatz im Stadtteil St. Johannis stehen ein Bagger und ein Gabelstapler, Dachziegel poltern von einem Haus herunter auf die abgesperrte Straße. Auf der anderen Seiten des Hauses türmen sich Mauerbrocken und Dachpappen zu großen Haufen, in vielen Fenstern sind keine Scheiben mehr, Männer stehen im Hof und stapeln sorgfältig Biberschwänze auf eine Palette. Die Dachziegel sollen gesäubert und irgendwann wieder verwendet werden.

Christian Aschoff kommt mit schlammverschmierten Stiefeln um die Ecke: „Ehe wir mit unserem Neubau beginnen können, muss das alte Haus abgerissen werden,“ sagt der Pfarrer. Und dann erzählt er eine Geschichte, über die man nur den Kopf schütteln kann. Es geht um Geld und Bürokratie, um die Glaubwürdigkeit der Kirche, ums Gemeindeleben und um außerordentliche Hilfsbereitschaft.

St. Johannis ist die größte Kirchengemeinde in Bayreuth und die einzige, die ihren Kindergarten noch selbst betreibt. 50 Mitarbeiter und 280 ehrenamtliche Helfer zählt der Pfarrer auf. Der bisherige Gemeindesaal ist viel zu klein, um alle aufzunehmen: „Selbst bei unseren Seniorennachmittagen stoßen wir an Grenzen; 60 Plätze kriegen wir gerade zusammen.“ Denn das Gemeindeleben in St. Johannis blüht. Die Kirche arbeitet auch eng mit den Vereinen zusammen, es herrscht großer Bedarf nach Versammlungsräumen in dem Stadtteil. Schon vor Jahren befand daher der Kirchenvorstand: Wir brauchen ein neues Gemeindehaus. Nicht nur ein größerer Saal sollte so geschaffen werden, der Kindergarten sollte auch einen Turnraum bekommen. Barrierefrei soll das neue Haus werden und mit großen Fenstern Offenheit signalisieren. Der Plan zeigt ein schnörkelloses Gebäude, in schlichtem fränkischem Stil, das die schöne Ortsmitte von St. Johannis bereichern wird.

Das Grundstück liegt ideal, genau zwischen Kirche und Kindergarten; der Besitzer verkaufte es 2012. Christian Aschoff: „Und dann begann unser Problem. Denn die Landeskirche hat uns gebremst.“ Die Kirchenverwaltung in München forderte eine Bestandsaufnahme aller Immobilien, um ihren Sparkurs zu untermauern. „Nach dieser Tabelle sind wir in St. Johannis sogar unterversorgt,“ sagt der Pfarrer. Trotzdem blieb die Bauverwaltung zurückhaltend. Wo Bedarf sei, sollte man auch bauen dürfen, meint Aschoff. Insgesamt soll das neue Gemeindehaus 1,4 Millionen Euro kosten.

Der Kanzer Pfarrer blieb hartnäckig und rang den Bürokraten in der Kirchenverwaltung in vielen Gesprächen schließlich eine Baugenehmigung ab: „Aber die Finanzierung ist noch völlig offen. Frühestens 2018 kommen wir an Zuschüsse der Landeskirche heran. Ich rechne mit einem Drittel der Kosten.“

Der Sparkurs der Landeskirche ist für Christian Aschoff falsch: „Die Ortsgemeinde ist der Kern des kirchlichen Lebens für unsere Mitglieder. Hier zu sparen, ist der falsche Weg.“ In den Gemeindezentren finde vieles statt, was Menschen anzieht. „Mancher fragt sich dann, wozu zahle ich Kirchensteuer, wenn hier nichts läuft?“ Deutlich weniger als 50 Prozent der kirchlichen Einnahmen kämen bei den Ortsgemeinden an, sagt Aschoff. Dass er dies für falsch hält, braucht er nicht ausdrücklich zu betonen.

Zusammen mit seinem Kirchenvorstand hat Christian Aschoff dann beschlossen: „Wir wagen es!“ Auch ohne Zuschuss der Landeskirche soll nun im Mai der Bau begonnen werden, bis Jahresende hofft der Pfarrer, fertig zu sein. Er setzt auf Gottvertrauen und auf seine Gemeinde.

Die Gesamtkirchengemeinde Bayreuth gibt St. Johannis einen Zuschuss von 150 000 Euro und ein Darlehen über 100 000 Euro. Und die restliche Summe? Pfarrer Aschoff beginnt zu strahlen: „Unsere Gemeindemitglieder haben bisher 100 000 Euro an Spenden aufgebracht. Und wir bekommen zinslose Darlehen aus der Gemeinde.“ Auch dabei lassen sich die Kanzer nicht lumpen: Ein Gemeindemitglied hat 150 000 zur Verfügung gestellt, ein anderes 40 000, und es gibt noch eine Menge kleinerer Beträge.

Pfarrer Aschoff sagt: „Wir sehen die Landeskirche in der Verantwortung, sich ebenfalls zu beteiligen.“ Wenn München doch nicht mitspielt? „Das Kirchenvolk denkt oft anders als die Offiziellen. Es gibt Menschen, die aus der Kirche austreten und das Geld ihrer Gemeinde direkt zur Verfügung stellen.“ Er selbst kenne dafür mehrere Beispiele, „auch wenn es nicht das Ziel sein kann, Parallelstrukturen zu schaffen.“ Das klingt aber schon ein wenig nach Rebellion? „Da haben Sie Recht. Aber es kann auch eine Evolution sein. Und es ist ja zutiefst lutherisch, die Kirche zu reformieren.“

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