DHB-Team nach Verlängerung im Finale

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Der entscheidende Moment: Kai Häfner findet sechs Sekunden vor dem Ende der Verlängerung eine Lücke in der norwegischen Abwehr und überwindet Torhüter Ole Erevik zum Siegtreffer für die deutsche Mannschaft. Foto: Imago Foto: red

Der märchenhafte Siegeszug der deutschen Mannschaft bei der Europameisterschaft in Polen hat sich auch im Halbfinale nicht aufhalten lassen. Das Duell der beiden großen Überraschungsteams gegen Norwegen wurde in einem Verlängerungsdrama entschieden, in dem sich die DHB-Auswahl mit 34:33 (27:27, 14:13) ins Endspiel kämpfte.

 
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Damit ist den Deutschen nicht nur die erste Medaille bei einem großen Turnier sicher seit dem WM-Titel 2007, sondern auch bereits die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2017. Sollte jetzt auch noch am Sonntag im Finale gegen Spanien eine sensationelle Revanche für die einzige Niederlage gelingen, dann würde das zusätzlich sogar schon die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio bedeuten.

"Wer mehr Spannung braucht, ist glaube ich krank"

„War das ein Krimi! Wahnsinn, da war alles dabei“, sagte der noch um Fassung ringende Bundestrainer Dagur Sigurdsson. „Wer mehr Spannung braucht, ist glaube ich krank.“ Es habe sich abgezeichnet, dass sein Team an die Leistungsgrenze gekommen war: „Die Würfe hatten nicht mehr die Power. Aber dann haben uns die nachnominierten Spieler sehr geholfen, die waren noch frisch.“

Abgesehen vom außergewöhnlich sicheren Siebenmeterschützen Tobias Reichmann, der auch nach seinem 27. Strafwurf im Turnier lediglich einen einzigen Fehlversuch vorweist, waren tatsächlich ausgerechnet die beiden Nachrücker für die verletzten Christian Dissinger und Steffen Weinhold die erfolgreichsten deutschen Torschützen: Julius Kühn (5/7 Würfe) und Kai Häfner (5/6) lösten letztlich die Probleme im Rückraum, die über weite Strecken an einem Sieg zweifeln ließen. Nachdem Häfner in der Verlängerung schon zum 29:29 und 30:29 getroffen hatte, war es längst keine Überraschung mehr, dass er auch das Siegtor erzielte: Am Ende der zehn Extraminuten, in denen beide Mannschaften nur je einen Angriff ohne Torerfolg abschlossen, wurde die letzte Minute bis hart an die Grenze zum Zeitspiel überbrückt, ehe der Linkshänder vom TSV Hannover bei einer Restspielzeit von sechs Sekunden in der Mitte die Lücke zum Durchbruch fand. „Der Abschluss war fällig, und ich hatte zufällig den Ball“, sagte Häfner.

Lange von Abwehrreihen geprägt

Die Torflut in der Verlängerung passte gar nicht recht zu einem Spiel, das lange von den Abwehrreihen geprägt worden war. Sigurdsson setzte in der Defensive ganz auf die körperliche Überlegenheit seines Teams mit einer zuvor noch nicht gesehenen Versammlung seiner längsten Spieler (Lemke, Pekeler, Schmidt, Kühn) und nahm dafür sogar einen Wechsel von zwei und manchmal sogar drei Spielern zwischen Abwehr und Angriff in kauf. Entsprechende Schwierigkeiten hatte Norwegens Rückraum, doch auf der anderen Seite erging es den Deutschen nicht anders. Gegen die bewegliche und mit geschicktem Timing störende 6:0-Deckung fanden Steffen Fäth und Fabian Wiede selten eine Wurfposition aus zwingender Bewegung heraus. Mit Siebenmetern und einer gut verwerteten 6:4-Überzahl für 1:41 Minuten (12.) gelang dem DHB-Team zwar trotzdem eine 9:5-Führung, aber als sich die Fehlwürfe häuften, kamen die Norweger immer häufiger mit hohem Tempo zum Abschluss, bevor die deutsche Abwehr richtig formiert war.

24:26-Rückstand sieben Minuten vor Schluss

So gab es schon beim 17:19 (38.) einige Argumente gegen einen deutschen Sieg, und das 21:20 (46.) sollte tatsächlich für den Rest der regulären Spielzeit die letzte Führung bleiben. 24:26 stand es sieben Minuten vor Schluss, 26:27 zwei Minuten später. Dann dominierte aber die wieder einmal hervorragende Abwehr, auch wenn sie diesmal von den Torhütern nicht ganz so gleichmäßig glänzenden Rückhalt bekam. Die letzten beiden norwegischen Angriffe endeten gar im Zeitspiel. Einige Chancen zum Ausgleich waren schon mit nachlassender Durchschlagskraft vergeben worden, aber 20 Sekunden vor Schluss erzwang Rune Dahmke von der Linksaußenposition doch die Verlängerung.

Dort war nicht zuletzt das etwas bessere Zeitmanagement der Deutschen entscheidend. In beiden Hälften hatten sie den letzten Angriff und schlossen ihn so spät erfolgreich ab, dass keine Antwort mehr möglich war.

Statistik

Norwegen: Erevik, Christensen – Sagosen 4, Hykkerud, Myrhol 5, Mamelund, Tönnesen 3, Jondal 5/2, Björnsen 8/5, Gullerud, O’Sullivan 3, Reinkind 2, Hansen 3.

Deutschland: Wolff, Lichtlein – Sellin, Lemke, Reichmann 10/7, Wiede 2, Pekeler 3, Strobel 1, Schmidt 1, Fäth 4, Häfner 5, Dahmke 3, Kühn 5, Ernst, Pieczkowski, Kohlbacher.

SR: Pichon/Reveret (Frankreich); Strafminuten: 12 / 4; Zuschauer: 9100.

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