DFB bestreitet WM-Stimmenkauf

Der Schweizer FIFA-Präsident Joseph Blatter (links), WM-Bewerbungschef Franz Beckenbauer (Mitte) und Fedor Radmann, Koordinator des DFB-Bewerbungskomitees am 06.07.2000 in den Messehallen mit dem WM-Pokal und Stimmzettel in Zürich, Schweiz, als Deutschland den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 erhielt. Archivfoto: Walter Bieri/dpa Foto: red

Der DFB weist Korruptionsvorwürfe im Zuge der Fußball-WM 2006 zurück. Auch der damalige OK-Chef Franz Beckenbauer wehrt sich gegen den Spiegel-Bericht über Mauscheleien bei der Vergabe. Aus der Fußball-Familie gibt es breite Rückendeckung.

 
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Mit einem energischen Dementi haben die Macher des «Sommermärchens» mit Franz Beckenbauer an der Spitze im drohenden Skandal um die WM-Vergabe 2006 die Flucht nach vorn angetreten. «Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat», erklärte der «Kaiser» am Sonntag.

Vor dem damaligen Chef des WM-Organisationskomitees hatten bereits DFB-Boss Wolfgang Niersbach, der frühere Bundesinnenminister Otto Schily sowie Beckenbauer-Intimus und OK-Vizepräsident Fedor Radman die Vorwürfe des Magazins «Der Spiegel», der DFB habe mit Geldern aus einer Schwarzen Kasse möglicherweise vier Stimmen von asiatischen Mitgliedern der FIFA-Exekutive gekauft, heftig zurückgewiesen.

«Das kann ich absolut und kategorisch ausschließen. Ich kann versichern, dass es im Zusammenhang mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine Schwarzen Kassen beim DFB, dem Bewerbungskomitee noch dem späteren Organisationskomitee gegeben hat», sagte Niersbach am Samstag in einem Interview auf der Verbandsseite zu den Anschuldigungen.

Es habe auch keinen Stimmenkauf gegeben, versicherte Niersbach - damals einer der Stellvertreter von OK-Chef Beckenbauer. «Ganz sicher nicht. Das kann ich allen Fußball-Fans versichern», sagte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und ergänzte: «Nochmal: die WM war nicht gekauft.»

Auch Radmann wies den Vorwurf des Stimmenkaufs mit Nachdruck zurück. «Das Bewerbungskomitee hat niemals irgendjemanden bestochen. Ich bin bereit, dies sogar zu beeiden. Wir haben keine Stimmen gekauft», sagte Radmann am Samstag dem TV-Sender Sky Sport News HD. Schily bekräftigte in der «Bild am Sonntag», er habe als Mitglied des Organisationskomitees «zu keinem Zeitpunkt Informationen erhalten, die den Verdacht ,schwarzer Kassen‘ begründen».

Dennoch bleiben Fragen. Vor allem die nach den Ungereimtheiten rund um eine 2005 an den Fußball-Weltverband erfolgte Zahlung von 6,7 Millionen Euro. Niersbach versicherte, diese würde bereits intern vom Kontrollausschuss sowie extern von der internationalen Wirtschaftskanzlei Freshfields-Bruckhaus-Deringer untersucht.

Damit löste er nach Informationen der «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» jedoch Verwunderung im DFB-Präsidium aus, das darüber bis zum vergangenen Freitag offenbar nicht informiert war. Obwohl das Ergebnis der Prüfungen noch aussteht, könne er «aufgrund der zeitlichen Abläufe dieses Zahlungs-Vorgangs schon jetzt definitiv ausschließen, dass die Zahlung in Zusammenhang mit der WM-Vergabe im Jahr 2000 steht», versicherte Niersbach.

Nicht so gut ist sein Erinnerungsvermögen in Bezug auf ein dem «Spiegel» vorliegendes Dokument aus dem Jahr 2004, das im Zusammenhang mit dem Vorgang stehen und einen handschriftlichen Vermerk Niersbachs tragen soll. «Ich kann mich daran absolut nicht erinnern, zumal ich in meiner Eigenschaft als OK-Vizepräsident Marketing und Medien nur sehr bedingt in wirtschaftliche Transaktionen eingebunden war», erklärte der DFB-Chef.

Südafrikas «Sunday Times» übte am Sonntag heftige Kritik. «Der Gestank des Skandals liegt dick in der Luft», schrieb das auflagenstarke Blatt unter der Überschrift: «Die deutsche Bande schweigt, während die Geister der Vergangenheit rund um die 2006-WM an die Oberfläche kommen.» Bei der Abstimmung vor 15 Jahren hatten die favorisierten Südafrikaner mit 11:12 Stimmen überraschend den Kürzeren gezogen.

Aus der Politik kam der Ruf nach schneller Aufklärung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte bei einem Besuch im Iran, er könne dem DFB «nur raten, jetzt schnellstmöglich Untersuchungen einzuleiten und die offenen Fragen zu klären». Steinmeier betonte zudem: «Das ist im Interesse des Sports und des Fußballs. Aber das ist auch unser gemeinsames Interesse, dass da nichts hängen bleibt.»

Der DFB kündigte umgehend eine zügige Aufarbeitung der brisanten Angelegenheit an. «In einer Telefonkonferenz hat unser gesamtes DFB-Präsidium am Freitag zum Ausdruck gebracht, dass wir alle offenen Fragen schnell beantworten müssen und uns gemeinsam für eine lückenlose Aufklärung einsetzen», erklärte Niersbach.

Die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestages, Dagmar Freitag (SPD), verlangte allerdings eine externe Untersuchung. Im «Inforadio» des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) sagte Freitag, interne Untersuchungen beim DFB seien jetzt nicht mehr das Maß der Dinge.

Sie habe nicht nur in diesen Fragen schon seit langem Zweifel an den Selbstreinigungskräften des Sports, «und ich vermute mal, dass sich auch die Staatsanwaltschaft für die Vorgänge interessieren könnte», fügte die SPD-Politikerin hinzu. Der Fußball-Weltverband FIFA hat ebenfalls eine Untersuchung angekündigt.

Breite Rückendeckung gab es aus der deutschen Fußball-Familie, die sich das Sommermärchen ungeachtet der schweren Vorwürfe nicht kaputt machen lassen will. «Ich habe da großes Vertrauen zu den handelnden Personen beim DFB, dass sich herausstellen wird, dass nichts da dran ist, was jetzt behauptet wird», sagte Wolfsburgs Manager Klaus Allofs. Sein Kollege Max Eberl von Borussia Mönchengladbach erklärte im «ZDF-Sportstudio», der DFB sei eine «herausragende Institution, die hervorragende Arbeit macht über Jahre hinweg».

Bayer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler versprach Niersbach volle Rückendeckung. «Der Wolfgang ist ein sehr guter Freund von mir und weiß, dass er meine tausendprozentige Unterstützung hat», sagte der Sportdirektor des Bundesligisten Bayer Leverkusen dem TV-Sender Sky. Von einem kleinen Schock sprach Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. «Ich kann mir das aber einfach nicht vorstellen. Nicht bei diesen Personen, die ich schon sehr lange kenne.»

Wenig amüsiert war Ex-Nationalspieler Philipp Lahm vom Rekordmeister aus München. «Kein schöner Artikel, für jeden, der die WM miterlebt hat. Bis jetzt ist nichts bestätigt, wir müssen sehen, was dabei herauskommt», sagte er. Die Gefühlslage der meisten Fußball-Fans in Deutschland brachte Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer auf den Punkt: «Gelesen und gedacht: Upps, Mamma Mia.»

dpa

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