Der Verkündigungsengel im Interview

Von Thorsten Gütling
Findet bei einer Tasse Kaffee Zeit zur Beantwortung von ein paar Fragen: der Verkündigungsengel, alias Pfarrer Hannes Schott. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Gerade in der Weihnachtszeit hat der Verkündigungsengel viel zu tun. Frieden herrscht längst nicht in jedem Haus. für den Kurier hat er sich kurz Zeit genommen – in Form des Meyernberger Pfarrers Hannes Schott. In einem Café spricht er darüber, was nach Verkünden der Friedensbotschaft vor 2017 Jahren so alles schief gelaufen ist.

 
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Herr Verkündigungsengel, wir haben lange nach einem Termin für dieses Interview gesucht. Umso mehr freut es mich, dass es sich einrichten konnten. Wobei habe ich Sie gestört?

Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“ verkünden und mithelfen, dass sich das durchsetzt. Da hat mir eine Pause ganz gut getan.

Und da kreuzen Sie in diesem Anzug auf?

Engel: Das hab ich jetzt extra für den Fototermin angelegt. Die Menschen haben ja gewisse Erwartungen an unser Outfit. Aber meistens schauen wir Engel aus wie ganz normale Menschen. Geben ihnen Hoffnung und Trost und erzählen ihnen von Gott.

Worüber ich mit Ihnen reden wollte: Ich habe das Gefühl, dass die Welt Sie nicht richtig verstanden hat. Damals, vor 2017 Jahren und auch heute. Sollte nach Ihrer Ansprache nicht eigentlich Frieden herrschen?

Engel: Ach, fangen Sie nicht davon an. Engel kommt ja von „Angelos“, das heißt „Bote“ und wir richten Gottes Botschaften an die Menschen aus. Zunächst einmal hab ich den Hirten damals verkündigt, dass dieses besondere Kind geboren ist und allen ganz nah ist, auch den Ausgestoßenen der Gesellschaft, was die Hirten ja waren. Das hat denen viel gegeben und gilt auch heute noch. Und mit der Friedensbotschaft, tja, da hab ich das Gefühl, dass wir da noch nicht so ganz durchgedrungen sind.

Das heißt, Sie fühlen sich enttäuscht?

Engel: Die Leute müssen natürlich mitmachen. Frieden stiften, auch im Kleinen. Sich mal die Hand zur Versöhnung reichen. Nicht wegen jedem Mist das Kriegsbeil ausgraben. Schauen Sie sich doch mal um, wie viel Leute wegen Kleinigkeiten zerstritten sind, wo ein Wort der Vergebung und des Verzeihens so einfach wäre. Ich hoff ja jedes Jahr an Weihnachten drauf, dass die über ihren Schatten springen... es wär zu schön.

Ich stelle mir das mit dem Frieden stiften sowieso schwierig vor. Sie waren ja zigfach in solchen Verhandlungen dabei. Verraten Sie uns ihr Geheimnis? Worauf kommt es an?

Engel: Sich selber nicht so wichtig nehmen. Mit Selbstironie und Humor an die Sache heran gehen. In jedem anderen Menschen ein Geschenk Gottes sehen, auch wenn es noch so schwer fällt.

Und haben Sie sich schon mal an einem Fall so richtig die Zähne ausgebissen? Welcher war Ihr härtester Fall?

Engel: Was mich am meisten belastet: Nichtmal im Christentum hat es geklappt – Kreuzzüge, Hexenverbrennung, Inquisition, Konflikte zwischen Gruppen und Konfessionen. Da bin ich irgendwie gescheitert. Jesus hat gesagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Und was machen die Leute? Überlegen erst mal, wer ihr nächster ist und wer garantiert nicht. Kein Wunder, dass jetzt manche Menschen sagen: mit der Religion sind die Kriege in die Welt gekommen. Da stimmt so nicht: Religion kann Menschen so viel Kraft geben und tatsächlich für Frieden auf Erden beitragen. Aber die Menschen schaffen es, alles kaputt zu machen.

Wo wir gerade so nett über Menschen und ihre Schwächen plaudern. Haben Sie den Typen vor dem Café vorhin auch gesehen? Der achtlos eine Zigarette in den Mülleimer geworfen und damit fast den ganzen Laden abgefackelt hat?

Engel: Der ist ein Symbol für viele Menschen momentan. Denen es zu gut geht, die sich keine Gedanke machen über das, was sie mit irgendwelchen Hass-Posts oder Rumgenörgel im Internet auslösen. Die auch nie die Schrecken eines Krieges erlebt haben, die zündeln. Es kommen wieder Meinungen und Thesen hoch, von denen wir im Himmel gehofft haben, dass sie längst vergessen sind. Dieser neue Ruf nach Nationalstaaten wird nicht unbedingt für „Frieden auf Erden“ sorgen, sondern eher für das Gegenteil. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass Gott mit seiner Welt einen guten Plan hat.

Danke, für das Gespräch, Verkündigungsengel. Und frohe Weihnachten, falls wir uns nicht mehr sehen. Apropos: Wo und wie werden Sie feiern?

Engel: Feiern? Dazu habe ich keine Zeit. Ich bin auch an Weihnachten unterwegs, um Frieden zu stiften und Konflikte einzudämmen. Sie ahnen ja nicht, wie es bei manchen Familienfeiern abgeht.

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