Der komplizierte Fall Mauser

Von Michael Weiser
Stammgast bei Steingraeber: Siegfried Mauser. Foto: Andreas Harbach, ha Foto: red

Er ist der Pianist, der sich vergriff. Oder ein Opfer einer Kampagne - je nachdem, wem man glaubt. Über die Angelegenheit Siegfried Mauser wurde und wird in Deutschland gestritten. Am Mittwoch spielt der ehemalige Rektor der Musikhochschule in München bei Steingraeber. Zu einem Gesprächskonzert, das Gesprächsbedarf weckt.

 
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Das Echo auf die Aufführung war zwiespältig, und das findet Veranstalter Dominik Frank „eindeutig gut“. Frank studiert „Musik und Performance“, und zusammen mit Kommilitonen hat er kürzlich in Thurnau ein Projekt über die Bühne gehen lassen, eine Art „musikalisches Reenactment“.

Der Begriff Reenactment  stammt aus dem Grenzbereich zwischen Geschichte und Archäologie einerseits und der Lust am Rollenspiel andererseits und bedeutet das Nachstellen von historischen Begebenheiten. Aus einem Grenzbereich stammte auch das „musikalische  Reenactment“ der Studenten: es trug den Titel "Das Jahrtausend der beleidigten Frau" und handelte von der Angelegenheit Siegfried Mauser. Und vor allem vom Umgang damit.

Siegfried Mauser ist der ehemalige Rektor der Musikhochschule München und des Mozarteums Salzburg, er wurde wegen sexueller Belästigung angezeigt und musste sich von einem Richter anhören: „Mit Verlaub, Sie sind ein Grapscher.“  Das war bei der ersten Urteilsverkündung, 15 Monate auf Bewährung, Mauser ging in die Revision, das Urteil wurde auf neun Monate auf Bewährung reduziert. Weiteres Ungemach droht.

Konzert mit Lesung

Was die Studenten machten: Sie spielten das gleiche Programm wie das, was Siegfried Mauser am Mittwochabend bei Steingraeber geben wird, ein Gesprächskonzert mit drei Mozartsonaten. Die Theaterleute verlasen dazu Leserbriefe und Kommentare, die unter anderem in der "Süddeutschen Zeitung" zur Angelegenheit Mauser erschienen waren. "Für uns war es vor allem interessant, wie medial damit umgegangen wurde", sagt Frank."Es ist ein sehr komplizierter Fall, und wir wollten da nicht werten."

Kompliziert, das trifft es. Hatte er sich vergriffen? Wenn ja, wie schlimm? Die Prominenz Mausers, die Art der Vorwürfe - das alles führte zu einem heftigen Schlagabtausch. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste feuerte gegen die Justiz, Christine Lemke-Matwey in der "Zeit" gegen die Akademie. Hans-Magnus Enzensberger vergriff sich im Einsatz für Mauser vollends im Ton: "Damen, deren Avancen zurückgewiesen werden, gleichen tückischen Tellerminen."

Amelie Sandmann, Gattin Mausers, fragte: "Darf man bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellation verurteilen - wohl wissend, dass man das Leben eines Menschen und seiner Angehörigen damit ruiniert? Oder sollte nicht nach wie vor der Grundsatz ,in dubio pro reo' gelten, wenn es weder Beweise noch Tatzeugen gibt?" Patrick Bahners wies in der "Frankfurter Allgemeinen" dagegen auf 16 Zeugen gegen Mauser hin. Der Philosoph Peter Sloterdijk dagegen sprach von einem immer hysterischer werdenden Zeitgeist.

"Ein Philantrop"

Auch Udo Schmidt-Steingraeber, Chef der Bayreuther Klaviermanufaktur, schrieb an die "SZ" einen Leserbrief. "Das Urteil wird ihm nie und nimmer gerecht - seit 40 Jahren kenne ich ihn als Freund, genialen Interpreten, Musiker, Schriftsteller und Lehrer, als Philantropen und als einen im höchsten Maße integren und absolut gewaltfreien Menschen."

Das schrieb Steingraeber im Mai vergangenen Jahres. Jetzt spielt Mauser in seinem Kammermusiksaal, als Gast der Mozart-Gesellschaft. Nicht zum ersten Mal spielt Mauser in Bayreuth, vielmehr ist er Jahr für Jahr regelmäßiger Gast bei Steingraeber gewesen.

"Ein reiches Künstlerleben"

Ausladen? Kam nicht in Frage, "das wäre ebenfalls ein Statement gewesen", sagt der Klavierbauer. Und zwar eines in die falsche Richtung, wie er findet. „Ein so reiches Künstlerleben für so eine banal erscheinende Angelegenheit kaputt zu machen, ist nicht gerecht. Man kann ruhig mal draufhauen, das hat er sich wohl verdient, aber man darf ihn nicht seiner künstlerischen Seele berauben."

Also wird Mauser Mozart spielen. Egal, wie gut oder schlecht - mancher im Publikum wird trotzdem an Misstöne denken. "Bei uns hatten ebensoviele ein Pro gehört wie ein Contra", sagt Musikperformer Frank aus rein theatraler Sicht. "Diese Ambivalenz ist doch mit das beste, was man erreichen kann."

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