Der Biber-Boom

Von Andrea Pauly

"Quatsch, das war eine große Ratte", sagte Laura Meyers Mutter, als ihr die 15-jährige Tochter erzählte, dass sie einen Biber im Roten Main gesehen hat. Bis die Jugendliche ihr Handy aus der Tasche zog und ihrer Mutter ein Video zum Beweis zeigte. Während die Jugendliche begeistert von ihrer Entdeckung ist, sind Landwirte und Teichbesitzer über die Rückkehr des Bibers in die Region weniger erfreut.

 
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"Wir machen immer gleich ein Video, wenn wir was Interessantes oder Spannendes sehen", sagt Laura Meyer amüsiert. Und so hatte sie auch ihr Smartphone gezückt, als die das Tier im Flusslauf  in der Nähe des Zentrums entdeckte. "Er war erst im seichten Wasser, drehte ein paar Kurven und ist dann den Main rauf geschwommen", sagt Laura Meyer. Sie wusste: Das muss ein Biber sein. Das Tier war etwa 30 Zentimeter lang und hatte einen großen, flachen Schwanz.

Biber sind überall in der Stadt

Herbert Rebhahn, Sachgebietsleiter bei der Naturschutzbehörde des Landkreises, wundert das nicht: "Wir wissen seit geraumer Zeit, dass der Biber wieder da ist." Das bestätigt Ilona Teckelmann vom Umweltamt der Stadt Bayreuth: "Wir haben Biber überall in der Stadt, außer im Zentrum. Sie leben am Roten Main, auf dem Gelände der Landesgartenschau und in der Steinach."  Bisher seien in Bayreuth keine Probleme durch die Nager entstanden. Lediglich in Lainecker Gärten haben Biber einige Obstbäume beschädigt. "Da sind wir mit den Eigentümern in Verbindung." Biber haben sich in den vergangenen Monaten auch in Obernsees, Trebgast und Pegnitz niedergelassen. 

 

 

Freud' und Leid zugleich für die Fischer

Aus Sicht der Fischer "ist der Biber Freud' und Leid zugleich", sagt Patrick Türk, Biber-Experte im Referat Fischerei, Gewässer und Artenschutz des Landesfischereiverbands in München. Ob das Tier Fluch oder Segen sei, hänge vor allem davon ab, wo es Gewässer ummodelt. In der freien Natur sei seine Anwesenheit oft ein Gewinn für Flüsse und Bäche, sagt Türk: "Der Biber bringt Strukturvielfalt in die Fließgewässer." Biberdämme sorgen dafür, dass neue Flachwasserzonen entstehen. Totholz, das die Tiere ins Wasser bringen, dient jungen Fischen zum Schutz und sorgt für ein abwechslungsreiches Flussbett.

Abgerissen, wieder aufgebaut

Manchmal stauen Biber aber so effektiv, dass der tiefer liegende Bachlauf austrocknet. "Da kann der Wassermangel in der Folge so groß sein, dass Lebensraum verloren geht", sagt Türk. An den Stellen, an denen Seitenarme in größere Flüsse münden, fehlt Fischen dann der Zugang zu ihren Laichplätzen. Zum Teil torpedieren Biber mit ihren Dämmen teure Naturschutzprojekte wie Fischtreppen oder Renatuierungen. Abreißen hilft nicht, sagt Türk: "Wenn man den Damm entfernt, ist er nach zwei, drei Wochen wieder aufgebaut."

"Problem-Biber"

Die größten Probleme entstehen aus Sicht von Patrick Türk dort, wo Biber die vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft buchstäblich untergraben. "Problem-Biber" buddeln Höhlen unter Hochwasserschutzdämmen und Straßen oder nagen große Bäume an, die auf Straßen oder Gebäude fallen könnten. "In solchen Ausnahmefällen dürfte der Biber auch gefangen oder sogar geschossen werden." In der Region gibt es solche Schäden nach Angaben von Herbert Rebhahn vom Landkreis bisher nicht. "Größere Probleme gibt es nur, wenn die Biber Felder vernässen oder Gewässer aufstauen und dadurch Bauwerksfundamente nass werden", sagt er. Von Vorfällen im vergangenen Jahr im Landkreis Bayreuth habe er keine Kenntnisse. 

Finanzielle Verluste

Alle Schäden, die Land- und Forstwirten durch Biber entstehen, erfasst das bayerische  Umweltministerium in München zentral, um sie über den Biberfonds auszugleichen. Für das Jahr 2015 wurden bisher für den Regierungsbezirk Oberfranken 34 Biberschadensfälle gemeldet, teilte ein Sprecher des Ministeriums auf Kurier-Nachfrage mit. "Der Gesamtbetrag für die angefallenen Biberschäden beträgt aktuell rund 19.300 Euro." Die Summen liegen zwischen rund 70 Euro und 2800 Euro.

Nach Angaben von Dieter Heberlein aus der Bezirksgeschäftsstelle des Bauernverbands in Bamberg reichte im Jahr 2014 reichte der Biberfonds des Freistaates für die gemeldeten Schäden schon nicht aus: 450.000 Euro standen zur Verfügung, die Schadenssumme betrug aber 716.000 Euro. Am Ende des Jahres ersetzte das Ministerium den Landwirten deshalb nur 62 Prozent der jeweiligen Summen. "Und die Schäden nehmen stetig zu", sagt Heberlein. "Wir fordern seit zwei Jahren vom Ministerium, den Fonds aufzustocken."

Kein Fonds für Angler und Teichbetreiber

Für Angler und Betreiber von Teichanlagen gibt es keinen Fonds: Sie bleiben meist auf den Schäden durch Biber sitzen, sagt Patrick Türk vom Landesfischereiverband. Da der Biber unter Schutz steht, gebe es nur einen geringen finanziellen Ausgleich - und den nur unter der Auflage, dass der Lebensraum für den Biber erhalten bleibt. Damit bleibt das Problem für die Fischzüchter bestehen. Die Dunkelziffer der Schäden sei "um einiges höher." Um herauszufinden, wie hoch, schickt der Verband seit Kurzem einen Schadensbogen an Angelfischer und Betriebe. Die Auswertung steht noch aus. 

So lange die Biber im Stadtgebiet keine Probleme bereiten, keine Dämme unterhöhlen oder Bäume fällen, die auf Straßen fallen könnten, dürfen sie sich im Roten Main tummeln. Und vielleicht lassen sie sich ja auch bei der Landesgartenschau ab und zu blicken und sorgen für ähnliche Begeisterung bei den Besuchern wie bei Laura Meyer.

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