Der Abschlepp-Job geht an die Substanz

Von Hans-Jochen Schauer
Heinrich Troidl (rechts) und ein Mitarbeiter begutachten ein Fahrzeug, das am Abschlepphaken hängt. Der Fahrer des 
Wagens war auf der Autobahn verunglückt. ⋌Foto: Archiv/Irene Lenk Foto: red

Tote hinter dem Lenkrad, eingeklemmte Schwerverletzte, plattgewalzte Autos, zertrümmerte Führerhäuser: Heinrich Troidl (59) hat solche Situationen Dutzende Male erlebt. Er hat sie im Gedächtnis gespeichert, aber er will über das Grauen nicht reden.

 
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Bei Verkehrsunfällen in der Region taucht häufig auch Troidl auf. Der Unternehmer aus Willenreuth schleppt seit 30 Jahren Fahrzeuge aller Art ab. Meist sind diese nicht mehr fahrbereit, manche sind auf Anordnung der Staatsanwalt sichergestellt worden.

30 Jahre lang, rund um die Uhr

Es ist eine Arbeit, die an die Substanz geht. Auch Troidl spürt das. Deshalb wird er dieses Standbein seines Betriebs an einen Nachfolger übergeben. Den Namen will er noch nicht nennen, weil der Vertrag noch nicht unterschrieben ist. „Ich habe das dreißig Jahre gemacht, rund um die Uhr. Der Stress wurde zu groß. Ich bin keine dreißig mehr.“

Abschleppfahrzeuge werden abgegeben

Er wird neun Abschleppfahrzeuge abgeben, nur eines wird er behalten. Troidl merkt, dass die Einsätze schwieriger werden; das liege an den Menschen. „Die Leute werden aggressiver. Auf der Autobahn herrscht Krieg. Da muss man schauen, dass man heil nach Hause kommt.“ Im Herbst machte er eine Erfahrung, die ihm in seinem Entschluss, mit dem Abschleppdienst aufzuhören, bestärkt hat: Es war am Spänflecker Berg. Ein 40-Tonner-Lastwagen war auf einen Warnleitanhänger der Autobahnmeisterei gekracht.

Anzeige wegen Fahrerflucht

Troidl wurde gerufen. Er handelte sich unerwarteten Ärger ein. Mit einem Einweiser bewegte er sich mit seinem Abschleppfahrzeug zur Unfallstelle, wo er mehrere Stunden zugange war. Das dicke Ende kam hinterher. Dem Willenreuther flatterte eine Anzeige wegen Fahrerflucht ins Haus. Ein Wagenlenker, der mit seinem Fahrzeug etwa 200 Meter von der Unfallstelle entfernt stand, hatte ihn angezeigt. „Das ist der Dank“, sagt Troidl. Was bei ihm bleibt, ist ein „bitterer Nachgeschmack“. Zudem belaste ihn die große Verantwortung. „Ein verkehrter Handgriff und schon ist ein Schaden von hunderttausend Euro angerichtet.“ Dennoch ist er stolz, dass er sich in den drei Jahrzehnten mit keinem seiner Kunden vor Gericht auseinandersetzen musste.

Arbeit an Unfallstellen

Gerne habe er diesen Job gemacht, auch wenn die Arbeit an Unfallstellen nicht einfach gewesen sein. Die schrecklichen Bilder lässt er in seinem Inneren. Es gab mehrere Situationen, die ihn besonders berührt haben, doch er will sie aus den Erinnerungen nicht hervorholen. Sprechen hingegen will er über die Bergung eines Mehllasters.

Bei dem Unfall lag der 40-Tonner auf einem Auto, in dem drei Insassen eingeklemmt waren. Sie konnten ohne größere Verletzungen geborgen werden. „So etwas sieht man nicht alle Tage. Da macht man seine Arbeit mit Freude.“ Gut sei in all den Jahren die Zusammenarbeit mit der Polizei aus Pegnitz und Bayreuth gewesen. Sie haben ihn informiert, wenn die Fahrzeuge sichergestellt werden mussten und darauf hingewiesen, wenn es bei dem Unfall Tote gegeben hatte. Bei Königstein sei es ihm passiert, dass ein Toter lag. „Das war wie ein Brett vorm Kopf.“ Am schlimmsten seien Verkehrsunfälle mit Kindern gewesen. „Das geht unter die Haut.“ Was Troidl mit Skepsis sieht, sind die zunehmenden bürokratischen Vorgaben. Demnächst soll er bestimmte Informationen gleich in einen Laptop eintippen und Unfälle fotografieren. „Alles wird total überwacht. Alles wird stressiger.“

Nun gehe er als Ältester mit einem wachenden und einem weinenden Auge in Rente und hinterlasse ein eingespieltes Team, in dem sich einer blind auf den anderen verlassen könne.

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