Seitdem sei den Algeriern schon vor der Wahl klar, wer am Ende Präsident werde, sagt der politische Analyst und frühere Abgeordnete Mustapha Bouchachi. "Wir haben keine Wahlen. Das Regime entscheidet, wer Präsident wird, und bittet dann die Menschen, das abzusegnen." In Algerien entscheide "le pouvoir - die Macht". Wer zu dieser Klasse aus Clans, Militärs und einflussreichen Personen gehört, ist vielen Beobachtern unklar.
Mit der Entscheidung, Bouteflika erneut kandidieren zu lassen, habe "le pouvoir" einen großen Fehler gemacht. "Jeder im Land weiß, dass Bouteflika nicht mehr in der Lage ist, die Geschäfte zu führen", sagt Bouchachi. "Die erneute Kandidatur sehen viele Algerier jetzt als Demütigung an."
Seit sechs Jahren habe sich Bouteflika nicht mehr an sein Volk gewandt. Der gesundheitlich angeschlagene Staatschef tritt auch sonst öffentlich kaum noch in Erscheinung. Seit einem Schlaganfall 2013 sitzt der 1937 geborene Bouteflika im Rollstuhl. Immer häufiger sagt er politische Treffen und öffentliche Auftritte ab. Am Sonntag hätte er eigentlich die neue Große Moschee von Algier einweihen sollen. Aber er müsse zu medizinischen Untersuchungen nach Genf reisen, teilte der Präsidentenpalast kurz vorher mit. Auch die Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde im Frühjahr 2017 spontan abgesagt, als ein Teil der Delegation schon in Berlin am Flughafen war.
Die Beziehungen zwischen Berlin und Algier sind gut. Deutschland liegt international auf Platz fünf bei den Einfuhren aus Algerien. Die Bundesrepublik importiert vor allem Öl und Erdgas. Im Gegenzug liefert Deutschland Maschinen und Autos - und Rüstungsgüter. Algerien ist der beste Abnehmer der deutschen Rüstungsindustrie.
Trotz der wirtschaftlichen Probleme Algeriens, der hohen Arbeitslosigkeit und der Unzufriedenheit der jungen Generation blieb das Land unter Bouteflika nach außen hin relativ stabil. Die bisherigen Wahlen liefen nach gut eingespieltem Muster, wie in einer von Wikileaks veröffentlichten Nachricht der amerikanischen Botschaft in Algier schon 2009 nachzulesen war.
"Zu niemandes Überraschung ist Präsident Abdelaziz Bouteflika zu seiner dritten Amtszeit gewählt worden", hieß es in dem als "vertraulich" eingestuften Bericht. Bouteflika gewann damals mit 90 Prozent der Stimmen, und schon damals war das alles dominierende Thema die Perspektivlosigkeit der Jugend.
Die US-Botschaft spricht dann auch von einer "sorgsam choreographierten und stark kontrollierten Wahl". Im Volk machte sich immer mehr Resignation breit. Bei den letzten Parlamentswahlen vor zwei Jahren gingen gerade einmal 38 Prozent zur Wahl - nach offiziellen Angaben.
Aber die Zeit der Lethargie ist vorbei. Premierminister Ahmed Ouyahia hatte, um den Protest einzudämmen, die Forderungen der Demonstrationen dann auch als legitim bezeichnet. Der richtige Ort, sagte der Premier, sei aber die Wahlurne. An die glaubt jedoch kaum noch jemand in Algerien. "Alle vereint", hieß es im Vorfeld der Freitagsdemonstrationen in einem Aufruf des Bündnisses Mouwatana. "Wir marschieren, um unsere Souveränität zurückzubekommen."