Das Ukraine-Tagebuch „Ein geregeltes Leben ist nicht möglich“

Verena Goller
Thomas Simmler Foto: privat

Thomas Simmler erlebt vor Ort, wie die zugesagten Kampfpanzer den Ukrainern Hoffnung bringen. Er passt seine Tage der Frage an, ob gerade Strom vorhanden ist. Und er erlebt aktuell eine neue Flüchtlingswelle.

 
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Das Ja zu den Kampfpanzern aus Deutschland, den USA und anderen Ländern hat neue Hoffnung und Zuversicht bei den Ukrainern ausgelöst. Die Menschen hier atmen auf. Ich versteh’ das. Die Kampfpanzer sind notwendig. Die Lieferungen sind ein riesiger Durchbruch. Damit können die Ukrainer Russland in verschiedenen Gebieten vom Nachschub abhalten und besetzte Gebiete befreien. Ansonsten ist es gerade recht ruhig. Allerdings nimmt die Zahl der Luftalarme hier in Truskawez zu. Das liegt daran, dass Russland an der Grenze zu Weißrussland Manöver abhält.

Außerdem werden die Stromausfälle häufiger. Weil ich seit zehn Tagen immer morgens bis halb elf keinen Strom habe, schlafe ich jetzt immer länger. Ich passe mich also dem Stromzyklus an. Es ist kein geregeltes Leben mehr möglich, aber ich versuche das Beste daraus zu machen.

Nach dem Angriff der Russen auf Dnipro kürzlich waren viele Menschen sehr bedrückt. Da merkt mal wieder, dass man mitten im Krieg lebt und ein Angriff jederzeit passieren kann. Da ich nicht weit vom Bahnhof entfernt wohne, konnte ich beobachten, wie am Tag nach dem Angriff sehr viele Menschen von dort hier angekommen sind und Zuflucht gesucht haben. Der Zug aus Dnipro kommt jeden Tag gegen elf Uhr morgens an. Normalerweise steigen nicht viele Menschen aus. Mal fünf, mal nur drei. An diesem Tag waren es viel mehr. Die Leute aus Dnipro haben Angst und fliehen.

Die Flüchtlingsbewegungen werden wieder zunehmen, falls Russland erneut Großstädte angreift. Dann stehen wir wieder dort, wo wir ungefähr vor zehn Monaten schon waren, nämlich mittendrin in einer großen Flüchtlingswelle.

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit vielen Monaten in der Ukraine auf. Nach Angriffen der Russen in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja ist er nun im Kurort Truskawez im Westen des Landes untergekommen.

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