Chor hat koreanische Volkslieder einstudiert Sänger bewegen in Korea die Herzen

Von Andreas Gewinner
Heidi Leßner und Familie Barth, im Hintergrund die Grenze zu Nordkorea. Foto: red Foto: red

Ein Hauch von Heimat, eine Konfrontation mit der eigenen Geschichte, erwartet die Sänger aus Streitau auf der nächsten Etappe ihrer Südkorea-Konzertreise: Es geht in den Landkreis Goseong, Partnerlandkreis von Bayreuth, direkt an der Grenze zu Nordkorea gelegen. Vier Teilnehmer berichten.

 
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„Beim Mittagessen mit dem stellvertretenden Landrat Ji Seung-Tai erfuhr ich dass es im ’Zonenrandgebiet’ nicht einfach ist, die jungen Menschen zu halten und Industrie anzusiedeln“, schildert Andree. „Die jungen lockt ein besserer Verdienst in die Metropolen und auch die Industrie möchte sich nur ungern an der nordkoreanischen Grenze niederlassen. Da können auch Fördergelder, die eher eine Entschädigung gleichen, nicht locken. Kennt ihr das irgend woher?“

Mischung auf Frankenwald und Fichtelgebirge

Anschließend ging es weiter auf Entdeckungstour. „Wir fuhren durch eine herrliche Landschaft, die mich wirklich auch an unsere Heimat erinnerte. Eine Mischung aus Frankenwald, Fichtelgebirge und fränkischer Schweiz mit satten grünen Mischwäldern. Auf manchen Gipfeln Abhörstationen, die den Döbraberg oder dem Schneeberg ähneln und amerikanische Camps. Ja, wirklich Südkorea hat viele Parallelen zu unserer Heimat.“

Als die Streitauer an einem schön gelegenen Sandstrand barfuß spazieren gehen, wummern in der Ferne schwere Übungsgeschosse auf dem Meer. Durch Panzersperren geht es weiter an die innerkoreanische Demarkationslinie. „Anschließend besuchten wir noch das DMZ-Museum, in dem die Geschichte der Koreakriege und der Grenze dokumentiert ist. Und wieder eine Gemeinsamkeit zu unserer Heimat. Genau, Mödlareuth, vielen bekannt als Museum für die deutsche Ost-West-Teilung. Und man kann es kaum glauben: Mödlareuth und das DMZ Südkorea pflegen partnerschaftliche Beziehungen. Es steht auch ein ehemaliger deutscher Grenzpfahl in diesem Museum“, so Andree.

Der Konzertsaal war überfüllt

In Goseong fand auch das zweite Konzert der Streitauer in Korea statt. „Während der erste Saal in Yeoncheon groß und mit einer hervorragenden Akustik ausgestattet war, fanden wir nun einen eher seichten Raum mit einer sehr trockenen Akustik vor“, schildern Jörg und Manuela.

„Unser Chorleiter Kai Konrad schwor uns intensiv auf diese Bedingungen ein. Permament erklangen Kommandos wie ’Linie’, ’Vokaaaale lang ziehen’ und ’binden, binden, binden’.“ Auch diesmal volles Haus: „Vor unserem Auftritt haben wir miterlebt, dass einige Besucher wieder gehen mussten, da der Raum bereits überfüllt war. Die 288 Sitzplätze reichten bei weitem nicht aus.

Nach dem Konzert kam eine ältere Dame freudestrahlend auf uns zu und bedankte sich herzlich mit „gamsa-hamnida“ (Danke) und einer tiefen Verbeugung. Diese Geste wird auch für uns immer selbstverständlicher und geht schon fast von allein.“

Von Norden nach Süden

Am Samstag liegen 500 Kilometer, neun Stunden im Bus, vor den Streitauern: Von Goseong im Norden bis nach Busan im Süden der südkoreanischen Halbinsel. Zeit zum Nachdenken.

„Ihr vertretet Deutschland in Korea“ - mit diesen gewichtigen Worten hatte der Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk – er trug zum Zustandekommen der Reise bei – die Streitauer eingestimmt. „Mittlerweile haben wir erlebt, wie sehr dies zutrifft“, so Pfarrer Armin Baltruschat: „Unsere bisherigen Gastgeber waren sehr bewegt davon, dass wir aus dem ehemaligen innerdeutschen Grenzland kommen. Wir verkörpern für sie die Vision eines wiedervereinigten Landes. Freie Bürger aus dem ehemaligen Ost- und Westdeutschland singen zusammen in einem Chor. Dazu bringen wir die Wertschätzung unseren Gastgebern gegenüber zum Ausdruck durch zwei sehr beliebte koreanische Volkslieder. Tief berührt davon, sagte der Landrat von Goseong gestern am Ende des Festbanketts: ’Wir haben jetzt eine besondere Beziehung zueinander’ – für einen Koreaner ein Ausdruck verbindlicher Freundschaft.“

Demarkationslinie macht betroffen

Baltruschat war betroffen „von dem, was wir im DMZ-Museum zu sehen bekamen. Die Gräben zwischen Süd- und Nordkorea sind viel tiefer als bei uns damals. Der Landrat von Yeoncheon, Yoon Seung-Keun, hatte uns erzählt, er sei mit sechs Jahren aus Nordkorea über die Grenze gekommen. Was aus seinen Eltern und seiner Familie geworden ist, wisse er nicht.“

Auf der Weiterfahrt fiel den Streitauern auf, welche Extreme in Südkorea aufeinander treffen: „Städte mit eher traditioneller Bauweise, die gut in die koreanische Landschaft passen. Dann wieder Großstädte mit eintönigen Betonhochhäusern. Dies spiegelt auch die Spannung wider, in der sich die koreanische Gesellschaft befindet: zwischen traditionellen Werten und dem Worldwideweb-Zeitalter. Wir bekamen das zu spüren, als wir Postkarten in Goseong kaufen wollten. Es gab keine. Hier wird per E-Mail oder dem Internetdienst Whatsapp kommuniziert“, schildert Armin Baltruschat.

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