Chemiker der Uni Bayreuth moniert Verwirrspiel mit Gesundheitsversprechen Teuer vs. billig: Gourmetsalz ist nicht besser

Von Norbert Heimbeck
Marie-Christine Gerhardt, Studentin bei Walter Wagner an der Uni Bayreuth, zeigt fünf unterschiedliche Salze - vom teuren Himalayasalz bis zum billigen Industriesalz. Foto: Heimbeck Foto: red

Kann man den Unterschied zwischen billigem Kochsalz oder teurem Gourmetsalz aus fernsten Weltgegenden wirklich schmecken? Walter Wagner  sagt: „Meersalz kann tatsächlich unterschiedlich schmecken; das hängt davon ab, wie viel Jod oder Magnesium enthalten ist.“ Wagner lehrt an der Universität Bayreuth Didaktik der Chemie, bildet angehende Lehrer aus. Er räumt mit den Gesundheitsversprechen der Werbung auf.

 
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Augen schließen, Finger anfeuchten, ins Schälchen stippen und dann ablecken. Es prickelt auf der Zunge und schmeckt nach Salz. Nächster Versuch: Diesmal schmeckt’s salziger, schärfer, intensiver. Einbildung? Oder feine Zunge? Wagner schmunzelt. Er hat dem Reporter zuerst teures Himalayasalz (20 Euro pro Kilo) präsentiert, dann billiges Jodsalz (vier Euro pro Kilo).

Aus dem Meer oder aus der Erde

Der Chemiker unterscheidet zwei grundsätzliche Arten von Speisesalz: Die aus dem Meerwasser gewonnene Würze und jenes Salz, das in unterirdischen Lagerstätten abgebaut wird. Je nach Reinheit dieser Schichten kann die Salzgewinnung trocken oder im Siedeverfahren (Siedesalz) erfolgen. Allen Salzarten gemeinsam: Sie bestehen hauptsächlich aus Natriumchlorid.

Wie kommt es dann, dass die sogenannten Gourmetsalze rot, rosa, grau oder schwarz sind? Walter Wagner: „Sogenanntes Hawaiisalz gibt es in rot und schwarz. Laut Etikett auf dem Glas wird es mit Vulkanerde veredelt. Schwarzes Salz wird mit Aktivkohle gefärbt.“ Buntes Salz sieht laut Wagner auf einem knusprigen Steak zwar sehr dekorativ aus, aber dafür viel Geld zu bezahlen, ist völlig unnütz: „Ich würde für Salz nicht mehr als drei Euro pro Kilo ausgeben,“ bekräftigt der Wissenschaftler. Das Hawaiisalz aus dem Supermarkt, das er zum Testen mitbringt, kostet aufs Kilo gerechnet etwa 50 Euro.

150 Euro pro Kilo

Noch teurer ist das „Murray River Salz“ eines bekannten Gewürzherstellers. Der Tester weiß weder, dass dieses Salz in Australien gewonnen wird, noch wie viel es kostet. Sein „blindes“ Testergebnis: milder Geschmack, ein Hauch von mineralischen Noten. Letzteres könnte daran liegen, dass das „Gourmetsalz“ mit mineralstoffreichen Algen gefärbt wird, wodurch es schön rosa aussieht. Aber rechtfertigt das einen Preis von rund 150 Euro pro Kilogramm?

Auch mit der Herkunft des Salzes wird oft getrickst. Wagner: „Das angebliche Himalayasalz stammt zum größten Teil aus der pakistanischen Region Punjab. Seine rote Farbe kommt vom Eisen-(III)-Oxid – das ist ein Stoff, der rostiges Eisen rot färbt.“ (Gesprochen wird die chemische Formel übrigens Eisen-drei-Oxid).

Falsche Versprechen

Was ist von Werbeaussagen zu halten, ein bestimmtes Salz enthalte bis zu 80 chemische Elemente? An diesem Punkt wird Wagner ein wenig ärgerlich, holt eine Tafel mit allen chemischen Elementen hervor (das sogenannte Periodensystem) und zeigt, dass zu diesen 80 Elementen auch giftige Stoffe wie Cadmium und Uran gehören müssten: „Das möchte ich nicht als Gewürz verwenden.“ Tatsächlich haben Untersuchungen von Stiftung Warentest, Verbraucherschutzverbänden und mehreren Universitäten ergeben, dass keines der Luxussalze mehr als etwa zehn chemische Elemente enthält.

Walter Wagner weist in diesem Zusammenhang auf einen weiteren Punkt in dem Verwirrspiel hin: „Wenn ich die Aufschrift ’Jodsalz mit Fluor’ sehe oder lese ’enthält Natrium’, stehen mir als Chemiker die Haare zu Berge.“ Dazu sollte man wissen: Natrium ist ein stark reaktives Metall; im menschlichen Körper liegt es in einer Form vor, bei der ein Elektron fehlt – so wird es lebenswichtig.

Ähnliches gilt auch für Jod und Fluor. Wagner: „Fluor in seiner molekularen Form ist höchst giftig. Als Fluorid enthält es ein Elektron mehr und wird zum unentbehrlichen Zahnmaterial. Speisesalz enthält außerdem kein Jod, sondern Jodid.“

Die Sache mit dem Blutdruck

Während Gourmetsalze angeblich gut für die Gesundheit sein sollen, gilt das profane Kochsalz als Auslöser von Bluthochdruck, dessen Folgeschäden Herzinfarkte, Nierenversagen und Schlaganfälle sein können. Dazu verweist Wagner auf Studien, die pauschale Aussagen über die vermutete Schadwirkung des Kochsalzes nicht untermauern: „Je mehr Menschen an solchen Studien teilnehmen, desto mehr verteilen sich die Wahrscheinlichkeiten.“

Salz ist wichtig für das Funktionieren des menschlichen Körpers, sagt Wagner. Inhaltsstoffe wie Natrium, Kalium und Kalzium brauchen wir für die Funktion der Nerven. Wagner: „Das Gleichgewicht dieser Elemente regelt unser Körper mit einem immensen Aufwand.“

Salz als "Aroma Booster"

Außerdem ist es als Gewürz wertvoll: „Salz gehört ins Essen wie eine Prise Zucker. Das sollte jeder wissen, der die unterste Stufe als Koch überschritten hat – wenn Sie Wasser nicht mehr anbrennen lassen,“ witzelt Wagner. Der Geschmack des Salzes kann nicht nur wegen der Zusatzstoffe variieren, sondern hängt auch von der Körnung ab.

Salz „kitzelt die Gewürze heraus“, bestätigt seine Mitarbeiterin Marie-Christine Gerhardt: „Brot ohne Salz wäre ungenießbar, weil Mehl pur kein Aroma hat.“ Auch beim Thema „Nudeln richtig kochen“ sind sich die Chemiker einig: „Man kann Nudeln nicht versalzen. Die meisten Köche salzen das Nudelwasser eher zu wenig.“

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