Chemie auf dem Feld: Für Landwirte lohnt es sich, nicht übermäßig zu spritzen Experten beraten Landwirte über Spritzmittel

Von Heike Hampl

Gelbrost oder Mehltau - wenn Pflanzen krank werden, greifen Landwirte oft zu Spritzmitteln. Doch wie viel von welchem Mittel soll der Bauer wann spritzen? Die Mittel sind teuer und können auch schaden. Deswegen gibt es für ratsuchende Landwirte ein Labor am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das Pflanzen untersucht.

 
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Unter dem Mikroskop sieht Gelbrost richtig hübsch aus, golden funkelnde Kügelchen. Agrarbiologin Ulrike Lokies schätzt die Schönheit des Pilzes, weiß aber bestens, dass Gelbrost für Landwirte ein Graus ist. Der Pilz befällt Weizen, Tricitale und Gerste. "Gelbrost ist deswegen gefährlich, weil man ihn schnell erkennen muss", sagt Friedrich Ernst, Pflanzenschutz-Experte, der zusammen mit Lokies am Fachzentrum Pflanzenbau des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) arbeitet.

Feucht und mild

Den Mehltau muss der Landwirt zwar ebenso bekämpfen, aber erst dann, wenn die Hälfte seiner Pflanzen überhaupt befallen ist. Pilzbefall ist immer vom Wetter abhängig, deswegen behalten die Experten vom AELF auch die Wetterstationen in ganz Oberfranken im Blick. "Die regionalen Unterschiede sind groß", sagt Ernst. In Coburg ist es trockener als im Fichtelgebirge. Pilze mögen es, wenn das Wetter mild und feucht ist.

Internet und Fax

Damit die Landwirte Spritzmittel sinnvoll einsetzen, untersuchen Ernst und seine Mitarbeiter das Getreide der Region regelmäßig. Monitoring heißt das. Die Ergebnisse veröffentlichen sie im Netz, wo sie jeder einsehen kann. Und in einem wöchentlichen Fax, das das Labor an Abonnenten verschickt. "Dabei folgen wir dem Ampelprinzip. Wir warnen Landwirte rechtzeitig, wenn wir in ihrer Umgebung Krankheiten feststellen", sagt Ernst. 

Wind trägt Pilz

Als im vergangenen Jahr der Gelbrost in der Region auftauchte, erkannte das Labor das und meldete die Krankheit den Landwirten. "Das war eine totale Überraschung. Der Wind hatte den Gelbrost von Norddeutschland nach Oberfranken getragen", sagt Ernst. Bis dahin war dieser Pilz in der Region jahrelang kaum ein Thema. So etwas birgt die Gefahr, dass Landwirte die Krankheit gar nicht erkennen. "Wer an seinen Pflanzen etwas Fremdes entdeckt, kann sich immer an uns wenden", sagt Ernst.

Es geht auch ohne Chemie

Es gibt auch Landwirte, die keine Spritzmittel einsetzen. Hans Küfner aus Bindlach ist Sprecher der Öko-Bauern im Bezirk Oberfranken. Er sagt: "Landwirte kommen auch ohne Spritzmittel zurecht. Nur fehlt dann eben ein Stück Ertragssicherheit."

Je intensiver, desto mehr Mittel

Es bringe zum Beispiel viel, die Fruchtfolge einzuhalten und regelmäßig andere Pflanzen auf einem Feld anzubauen. Auch sollen die einzelnen Pflanzen nicht zu dicht beieinanderstehen, damit sie genug Wind und Licht bekommen. "Jeder Landwirt weiß, je intensiver ich anbaue desto mehr Mittel brauche ich."

Integrierter Schutz

Auch Ernst vom AELF rät Landwirten dazu, Pflanzenschutz integriert zu betreiben. Also verschiedene Maßnahmen zu vereinen. Zum Beispiel: Pflanzen luftiger anbauen, Nützlinge fördern, die Pflanzen regelmäßig kontrollieren, Unkraut jäten und sich selbst fachlich fortbilden. Die Landwirte, die Spritzmittel nutzen, brauchen einen Nachweis über ihr Fachwissen, eine Art Führerschein. Außerdem müssen die Landwirte mit Kontrollen rechnen. Denn Spritzmittel dürfen nur zu bestimmten Zeiten ausgebracht werden. Grund: Damit am Ende im Getreide keine Rückstände mehr vorhanden sind, die dem Menschen schaden könnten. "Die Pflanzen brauchen Zeit, um die Mittel sozusagen zu verdauen", sagt Ernst.

Richtiges Maß

Öko-Landwirt Küfner betont, dass er die Chemie keineswegs verurteile. "Im richtigen Maß ist der Einsatz vom Spritzmitteln in der konventionellen Landwirtschaft sinnvoll", sagt er. Kollegen, die es damit übertreiben, gebe es bestimmt, sie seien aber gewiss nicht die Regel.

Frage der Wirtschaftlichkeit

Diese Erfahrung teilt Laborleiter Ernst. "Für die Landwirte ist es ja selbst eine Frage der Wirtschaftlichkeit", sagt er. Es liege nicht in ihrem Interesse, Spitzmittel zu vergeuden und durch zu viel Chemie Resistenzen zu riskieren. Denn wenn ein Mittel nicht mehr wirkt, kann es mühsam und teuer sein, ein anderes zu finden.

Info: Strittig ist die Auswirkung von Spritzmitteln auf Bienen. Imker weisen deswegen darauf hin, nicht auf Blüten zu spritzen. Der Imkerbund setzt sich außerdem für ein weiteres Verbot von Neonicotinoiden ein. Das EU-Verbot für diese Spritzmittel läuft in diesem Jahr aus, dann wird neu darüber entschieden. Bis Ende Mai sammelt eine EU-Kommission nun noch neue wissenschaftliche Ergebnisse zu diesem Thema. mp

Im vergangenen Jahr berichtete der Kurier in einer großen Serie über Landwirtschaft in der Region. Dafür gab es nun den Lokaljournalismuspreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die gesamte Serie können Sie hier nachlesen.

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