Bülent Ceylan: Hauptsache Mensch

Der haardrockende "Monnemer Terk": Bülent Ceylan. Am Samstag ist er in Bayreuth zu Gast. Archivfoto: Marco Perdigones/Kulturbureau Hanau Foto: red

Seit Jahren füllt der Mannheimer Comedian Bülent Ceylan mit seinen Programmen die großen Veranstaltungshallen. Mit seinem aktuellen Programm „Haardrock“ kommt er am Samstag auch nach Bayreuth. Wir haben vorab mit ihm über verrückte Fans, heikle Witze, die NPD, die Flüchltingskrise und den Beginn seiner Karriere gesprochen. Und Iron Maiden natürlich, der einzig wahren Heavy-Metal-Band.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Danke, dass Sie auch nach Bayreuth kommen. Aber Sie haben ja andererseits schon öfters auf Tour voller Begeisterung kleinere Städte zu Hauptstädten ausgerufen. Vielleicht wird ja auch Bayreuth geadelt.

Bülent Ceylan: Jeder spricht von Frankfurt, Wiesbaden und Berlin, immer wieder Berlin. Da möchte ich kleinere Städte gern unterstützen und sage dann „Hey, ihr seid wie eine Hauptstadt, das ist heute geil“. Und das war eben auch bei kleineren Städten schon mal der Fall. Genauso wie man zu einer Frau sagen würde „Du bist die Königin“, wenn sie zwar nicht Miss World ist, aber für einen selbst eben die Königin. Das muss man sagen, wenn man das fühlt. Das Publikum ist wie eine Beziehung. Der Auftritt ist wie ein Rendezvous: Man verabredet sich und trifft sich, und jeder muss den besten Eindruck hinterlassen.

Was wissen Sie bisher von Bayreuth und wie finden Sie die Stadt – neben Wagner, dem Bayreuther Übervater, natürlich?

Ceylan: Ich weiß, dass es viele Museen gibt wie etwa das historische Museum oder das Schreibmaschinenmuseum! Es gibt den Herkulesbrunnen und einen botanischen Garten. Wichtig ist, dass Bayreuth zu Oberfranken gehört und Anfang des 12. Jahrhunderts erst als Stadt anerkannt wurde. Aber jetzt kommt der Hammer: Man hat Iron Maiden 1990 verboten aufzutreten!!!!! Das ist die Heavy-Metal-Band überhaupt! Naja, ab Samstag ändert sich alles, denn was noch keiner weiß: Bülent Ceylan ist nur der Deckname für Iron Maiden! ;-)

Sie spielen  mit türkischen und deutschen Klischees und Stereotypen, aber wie wichtig sind denn regionale Klischees? Was wäre zum Beispiel typisch monnemerisch?

Ceylan: Fängt vielleicht beim Essen an. In Hessen gibt es die Grüne Soße Und wir haben halt „Monnemer Dreck“. Die Hessen sagen „annerscht“, und wir sagen „onnerstda“. Das Krasse ist ja, dass, je weiter man in den Norden geht, alle dort denken, ich sei ein Hesse. Die kennen die Dialekte nicht. Für die ist das ein Brei. Ich wurde sogar schon als Schwabe bezeichnet! Da hab ich gesagt: „Guck doch mal, die sagen ,Türkle‘, und net ,Türk‘, das ist doch ganz onnerstda!“ Wenn die Schwaben so Sachen sagen, werde ich aggressiv. Ich bin jedoch gern bei den Schwaben, nicht falsch verstehen. Aber ich bin da sehr patriotisch, was die Sprache anbelangt, dass man auch richtig heraushört, woher ich komme.

Ihr Erfolg war ja nicht unbedingt vorhersehbar. Sie haben  damals noch studiert und das Studium dann deswegen abgebrochen. Aber das war ja trotzdem riskant. Was war der Auslöser, dass Sie gesagt haben: Okay, ich schmeiße das jetzt hin und setze voll auf diese prekäre Kleinkunst?

Ceylan: Das war 2001 in Freiburg auf der Kulturbörse. Das ist wie eine Fleischbeschau. Da muss man sich in einer halben Stunde präsentieren. Und wenn man mit seinem Programm nicht überzeugt, dann war’s das wohl, denn die Veranstaltung ist ein Indikator dafür, ob du erfolgreich sein kannst, also, um davon leben zu können. 1998 habe ich angefangen, und bis zu der Börse war das wirklich nur ein Hobby. Aber ich habe die richtig gut gekriegt, die Veranstalter. Das war mein erstes richtiges Erfolgserlebnis. Danach war ich sozusagen in der Szene angekommen und habe auch Auftritte gekriegt für mein Solo-Programm.  Da hatte ich dann auch für den Rest des Jahres mit Auftritten ausgesorgt. Insofern war es keine Entscheidung. Aber es hätte natürlich auch nach hinten losgehen können.

Wie hat sich denn in den Jahren Ihr Witz verändert? Müssen Sie heute mehr Rücksicht nehmen?

Ceylan: Ich merke jetzt, dass ich teilweise viel ernstere Sachen ansprechen kann. Ich merke, dass ich viel mehr Verantwortung habe, weil das, was ich sage, mehr Bedeutung hat. Die Leute identifizieren sich viel stärker. Das überrascht mich auch immer noch. Einige tätowieren sich zum Beispiel mein Logo auf den Arm oder an den Hals oder meine Unterschrift. Eine Frau hat sich sogar die „Pumbbewasserzong“ tätowieren lassen! Ich fand das anfangs etwas befremdlich, aber inzwischen sehe ich das als Ehre. Wie bei einer Rockband. Auf einmal habe ich gemerkt: Ich bin nicht nur Komiker, ich bin für viele Fans mehr. Das hätte ich nie gedacht, dass das so wird. Ob der Witz sich verändert hat, weiß ich gar nicht. Aber früher habe ich die Programme straighter gemacht, eine Geschichte entwickelt und die dann eben auf der Bühne erzählt – fertig. Jetzt hab ich als Stilmittel Bülent, der manchmal aus dem Programm ausbricht und spontan Geschichten erzählt.

Wo sind da für Sie die Grenzen bei den Figuren?

Ceylan: Naja, ich gebe ja auch den Nazi in meiner Fernsehshow. Aber das ist aufwendig, da brauchst du fast zwei Stunden Maske. Ich gehe schon gerne in solche Rollen, um auch mal zu provozieren. Und ich glaube auch, dass die Leute das unterscheiden können und gut finden. Leider ist das Nazi-Thema ja auch immer noch aktuell, also auch jenseits von Pegida und der Flüchtlingsdebatte. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel ist die NPD im Landtag. Gewählt. Das muss man sich mal vorstellen! Wenn jemand nach dem Krieg gesagt hätte, ein paar Jahrzehnte später gibt es wieder Nazis in deutschen Parlamenten, das hätte doch keiner für möglich gehalten. Ich finde das extrem traurig. Aber weil ein gewisser Prozentsatz eben den Sprung in Parlamente schafft, muss man dagegen schießen. Ich begebe mich da natürlich auch in eine gewisse Gefahr, das ist mir bewusst. Aber ich sage immer: Wer den Mund nicht aufmacht, ist schon tot.

Sie sind Deutscher und Türke, ihre Familie ist in Hoffnung auf ein besseres Leben und vor allem Arbeit nach Deutschland gekommen – wie beurteilen Sie die aktuelle Flüchtlingsdebatte? Es sind ja nicht (nur) die Nazis, die diese beherrschen…

Ceylan: Naja, meine Mutter ist ja Deutsche und mein Vater ist 1958 nach Deutschland geflüchtet , weil er sehr links eingestellt war. Er wollte eigentlich nach Kanada, aber meine Mutter lief ihm über den Weg. Gott sei Dank! Die Flüchtlingsdebatte heute ist sehr komplex. Auf der einen Seite finde ich es toll, dass Deutschland hilft, vor allem wenn man die weinenden Kinder noch sieht... Da muss man einfach helfen! Auch ich helfe, aber eines ist und sollte auch klar sein: Wer nach Deutschland kommt, muss sich auch anpassen, das heißt, die gleichberechtigte Frau nach deutschem Gesetz respektieren, denn für diese Rechte haben deutsche Frauen heftig kämpfen müssen, und diese Rechte dürfen nicht verloren gehen. Homosexuelle müssen akzeptiert werden, und vor allem, was ganz wichtig ist: dass die deutsche Sprache erlernt wird! Wer das alles akzeptiert und friedfertig mit seinen Mitmenschen umgeht, der soll auch willkommen sein. 

Apropos Nationalitäten: Wenn wir schreiben „Deutschtürke“ – ist das überhaupt okay für Sie?

Ceylan: Einfach „der Monnemer“. Klar bin ich beides, Deutscher und Türke, und meine Figuren sind das. Aber wir sind viel mehr als das, wir haben eine regionale Herkunft. Im Grunde genommen ist egal, wer man ist, woher man kommt, Hauptsache, man ist Mensch, ein guter Mensch. Deswegen kriegt auch jeder bei mir sein Fett ab, egal ob Deutscher, Türke, Araber, Muslim, Christ oder Jude. Obwohl bei Juden-Witzen alle immer schon vorher den Atem anhalten, weil man das irgendwie in Deutschland nicht machen darf. Und dann schreiben mir Juden und sagen „Du diskriminierst uns, warum machst du keine Witze über uns? Mach’ uns fertig!“ Jeder hat das Recht, dass man einen Witz über ihn macht. Aber es kommt immer auf die Verpackung an und darauf, wer es sagen kann.

Die Fragen stellte Kerstin Fritzsche

Autor

Bilder