Brünnhilderich im Glitzerkleid

Von Michael Weiser
Schlussvorhang: Catherine Foster humpelt auf Krücken über die Bühne, Andreas Rosar beobachtet sie voll Anteilnahme. Foto: Peter Kolb Foto: red

So was gab’s noch nicht bei den Festspielen: Brünnhilde verletzt sich – und ein Mann springt ein. Was Catherine Foster und ihr Double Andreas Roser beim Finale der „Götterdämmerung“ erlebten.

 
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Es geschah während des Applauses nach dem ersten Akt. Catherine Foster trat unglücklich auf, verletzte sich – und die Wade schmerzte höllisch. "Es war wirklich Pech", teilte sie dem Kurier mit, "ich habe mich beim zweiten Verbeugen zu schnell nach links gedreht und habe im Muskel so etwas wie ein ,Pop" gefühlt." Glück im Unglück: Die Pause hatte je gerade erst begonnen, eine Stunde hatte man zum Überlegen. Dann wurde klar: Ja, sie kann singen. Nein, sie kann sich nicht wirklich bewegen.

Und da wurde Rosar vielleicht zum Verhängnis, dass er sich am Morgen rasiert hatte. „Meine beiden Kollegen haben beide gegrinst und auf ihren Bart gezeigt“, erzählt der Regie-Assistent. „Und dann schauten sie mich süffisant an.“ Auch Festspielchefin Katharina Wagner hatte sich entschieden: „Na, dann machen Sie sich doch schon bereit.“

 

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Andreas Rosar ist – neben Dauerstatist Patric Seibert sowie Wolfgang Gruber und Wolfgang Schilly – einer von vier Regieassistenten in der „Ring“-Inszenierung von Frank Castorf. „Wenn ich etwas nicht ausstehen kann,  dann ist es, auf der Bühne zu stehen. Ich hab mich bewusst dafür entschieden, am Regiepult zu stehen“, sagte Rosar dem „Nordbayerischen Kurier“. Aber da half nichts. Rosar musste in die Umkleidekabine. „Das Kleid hat relativ gut gepasst, es waren nur Kleinigkeiten zu machen, weil Catherine Foster ein bisschen größer ist als ich.“ Auch an der Perücke gab’s nicht viel zu ändern. Schnell hoben die Kostüm- und Maskenbildner den Daumen. „So kommt man zum zweifelhaften Vergnügen, den Traum einer  jeden Gesangsstudentin zu erleben, nämlich als Brünnhilde in Bayreuth auf der Bühne zu stehen“, sagte Rosar und lachte.  

32 Minuten Beifall

Die letzte „Götterdämmerung“ im letzten Jahr des „Rings“ von Frank Castorf: Andreas Rosar auf der Bühne, Catherine Foster daneben, mit Krücken und im Rollstuhl. Eine Leistung, die das Publikum am Ende mit langem, langem Beifall belohnte: 32 Minuten! Rosar erlebte die beiden Akte davor im glitzernden Pailettenkleid und als Gefühlsmixtur: „Ein Schimmer Melancholie, aber auch gelöste Heiterkeit.“ Eben wegen des Abschieds vom „Ring“, aber auch wegen des Umstands, als männliche Brünnhilde sein Bayreuther Bühnendebüt zu erleben. „Hinterher fiel mir ein, dass ich nervös hätte sein müssen“, sagt Rosar, der ausdrücklich seinen Kollegen dankt. „Wenn man ein Stück so oft gesehen hat, kennt man es schon“, sagt er, „nur ist es auf der Bühne etwas ganz anderes.“ Jedenfalls ließ man Rosar nicht allein: Solisten und Chor gaben dem Neuen Fingerzeige, die Damen des Chors empfingen ihn sogar mit einer Flasche Wasser. „Von Kostüm und Maske bis zu den Sängern auf der Bühne – wie die Leute hier zusammenhelfen, ist einzigartig.“

Foster kehrt zurück

Catherine Foster geht’s schon besser, viel Eis und Arnikasalbe hülfen, schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite. Dem Kurier teile sie mit, dass der Arzt glücklicherweise keinen Muskelfaserriss diagnostiziert habe. "Aber geschwollen und schmerzhaft ist den linke Bein trotzdem."

Nächstes Jahr ist sie wieder zu erleben, erneut als Brünnhilde, in der „Walküre“, die als einziger Teil des „Rings“ auch 2018 noch zu erleben sein wird. Mit Placido Domingo als Dirigent.

Rosar ist dann nicht mehr dabei, er konzentriert sich auf seine Regiearbeit bei diversen Opern aus anderen Epochen. Gelernt hat er was von seinem Kurzeinsatz. Etwa, dass Schauspieler nicht von jedem Regieeinfall begeistert sind. Nach der Vorstellung suchte er Catherine Foster auf, wollte sie begrüßen, hatte aber gerade die Haare der Perücke in den Mund bekommen. Catherine Foster feixte: „Jetzt weißt du, wie’s uns Sängern geht.“

Auch im "Jahrhundert-Ring" musste mal ein Einspringer ran

Auch Patrice Chéreau musste mal ran. Es war im Sommer 1977, René Kollo hatte sich beim Segeln verletzt, und fiel für die Titelrolle im „Siegfried“ aus. Der Regisseur des "Jahrhundert-Rings" persönlich schlüpfte also in die Rolle, und Kollo sang aus den Kulissen. Einen männlichen Einspringer gab es mal beim Herzog-„Lohengrin“ – allerdings in der Generalprobe. Damals sprang der Regieassistent in der Rolle der Elsa ein.

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