Betrugsskandal Es droht ein Mammut-Prozess

Die Niederlassung der Handwerkskammer Foto: Andreas Harbach

Gegen den Angeklagten im Handwerkskammer-Prozess kann immer nur eine Stunde lang verhandelt werden – und auch das nur einmal pro Woche.

 
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Die strafrechtliche Aufarbeitung des Untreue- und Steuerhinterziehungsskandals um die Handwerkskammer von Oberfranken könnte sich theoretisch jahrelang hinziehen. Dies zeigte sich am Donnerstag am ersten Verhandlungstag gegen den ehemaligen Buchhalter Klaus R. vor der dritten Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hof. Grund: Der 62-jährige ist wegen der gesundheitlichen Folgen eines Suizid-Versuchs nur sehr begrenzt verhandlungsfähig. Wie Vorsitzende Richterin Evelin Schubert bekannt gab, hatte das Gericht den Angeklagten auf seine Verhandlungsfähigkeit untersuchen lassen. Der Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Klaus R. allenfalls einmal in wöchentlich der Hauptverhandlung stellen könne und auch dies höchstens für 45 bis 60 Minuten.

Am Auftakttag des Prozesses reichte dies noch nicht einmal für die Verlesung der Anklageschrift. Obwohl sich Staatsanwalt Christian Hoffmann keine Sprechpause gönnte, musste er noch vor der 360. Zahlung abbrechen, die Klaus R. zwischen 2015 und 2019 unrechtmäßig mit der Kreditkarte seines Arbeitgebers getätigt haben soll. Zusammengerechnet dürfte der Staatsanwalt damit ungefähr bei einer Schadenssumme von rund 70 000 Euro angekommen sein. Nach Ermittlungen von Kripo und Staatsanwaltschaft waren es aber zwei Millionen Euro gewesen, die R. von den Konten zweier Tochtergesellschaften der Handwerkskammer für private Zwecke abgezweigt hat. Es gibt also in der kommenden Woche noch einiges zu verlesen.

Wie der Prozess weitergeht, ist noch völlig offen. Das betrifft auch die Frage, ob und wie sich Klaus R. zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern wird. Nach seinem Suizidversuch hatte er einmal geäußert, dass ihm jegliche Erinnerung an die Vorgänge verloren gegangen sei. Das wäre ein ziemlich umfassenden Gedächtnisverlust. Allein beim Komplex unrechtmäßiger Zahlungen mit der Firmenkarte hat die Staatsanwaltschaft fast 500 Vorgänge in die Anklageschrift gepackt. Es gibt um Summen zwischen 99 Cent und über 2000 Euro, oft auch mehrere täglich. Durchweg größeren Summen, immer runde Tausenderbeträge, seien geflossen, in dem R. seine eigene Kontonummer in sogenannte Sammelüberweisungen eingeschmuggelt. Über die Jahre sollen so rund 800 000 Euro auf seine Privatkonten geflossen sein. Dazu kommt noch einmal eine halbe Million, um die sich die Handwerkskammer geschädigt sieht, weil der gelernte Steuerfachangestellte falsche Umsatzsteueranmeldungen abgegeben hatte. Aufgeflogen waren die Vorgänge im Jahr 2019 bei einer routinemäßigen Betriebsprüfung. Klaus R. wurde fristlos gekündigt. Danach kursierten Berichte, wonach er die Gelder seines Arbeitgebers verwendet hatte, um einen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren.

Bei der Handwerkskammer für Oberfranken (HWK) ist Klaus R. auf jeden Fall unvergessen, und dies nicht nur wegen des Millionenschadens, den er hinterlassen hat. Dort war er Leiter der Niederlassung Bayreuth der HWK-Tochterfirma „Gewerbe-Treuhand Oberfranken“ (GTO) sowie Geschäftsführer der ausgegliederten „Gewerbe-Treuhand Unternehmens- und Wirtschaftsberatungsgesellschaft (GTU). Beide Firmen, die Buchhaltungs- und andere

Serviceleistungen für Handwerksbetriebe erbringen, sind inzwischen fusioniert und zusammen mit einer Rechtsanwaltskanzlei neu aufgestellt.

Das gilt auch für die Spitze der Handwerkskammer. Die Affäre kostete auch dem damaligen HWK-Präsidenten Thomas Zimmer und dem Hauptgeschäftsführer Thomas Koller die Posten. Ebenso wie im Falle der frühere Hauptgeschäftsführer Horst Eggers sehen sie sich mit Schadenersatzforderungen der Handwerkskammer konfrontiert, weil sie ihre Aufsichtspflichten verletzt haben könnten.

Gegen Klaus R. hat die Kammer bereits 2016 zivilrechtliche Ansprüche von über zwei Millionen Euro durchgesetzt. Auf Anfrage teilte die Handwerkskammer für Oberfranken mit, dass es ihre noch nicht möglich gewesen sei, „relevante Anteile der Ansprüche einzufordern“. Letztlich werde es wohl bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen Klaus R. dauern, bis eine Klärung aller offenen Fragen erreicht werden könne.

Die Hofer Strafkammer hat für den Prozess erst einmal Verhandlungstage bis zum Oktober dieses Jahres angesetzt. Zeugen sind jedoch noch nicht geladen. Das kann man auch als Anzeichen dafür werten, dass das Gericht prüfen möchte, ob man wirklich in eine Marathon-Beweisaufnahme gehen möchte. Schließlich könnte jeder Zeuge maximal eine Stunde lang befragt werden könnte. Es daher zu erwarten, dass es vorher ein Rechtsgespräch geben wird, bei dem Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung Maßnahmen zur Verfahrensabkürzung erörtern. Zuvor muss aber erst noch die Verlesung der restlichen Anklageschrift hinter sich bringen.

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