Gernot Gebauer kritisierte die neue Ausschreibungspraxis der DAK. „Da geht es nur noch um den Preis. Die wohnortnahe Versorgung ist nicht mehr sichergestellt“, warnte der Geschäftsführer der Rehateam Bayreuth Gesundheits-Technik GmbH.

Infolge der zentralen Ausschreibung würden Rollstühle, Rollatoren und Badewannenlifter von Firmen aus Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt geliefert. „Das ist existenzbedrohend für mittelständische örtliche Firmen“, warnte Gebauer. Und: Der Leidtragende sei der Patient. Rollatoren und Rollstühle kämen mit dem Paketdienst, eine individuelle Beratung und das Eingehen auf den Patienten gebe es nicht mehr. Die Lieferfirma rufe an, frage nach der Körpergröße, dann werde ein Rollator geschickt.

Für Gebauer gehen die persönliche Beratung und das individuelle Anpassen eines Rollstuhls an den Patienten verloren. Bei Rollstühlen gebe es verschiedene Sitzbreiten, verschiedene Räder und verschiedene Bremsen. Während der örtliche Sanitätshandel eine Ausstellung mit diversen Modellen bereithält, erhalte der Patient beim neuen System keine Beratung, rügte Gebauer. Reparaturbedürftige Rollstühle müssten an den Großhändler zurückgeschickt werden, während das Sanitätshaus vor Ort instand setzt. Ein Rollator kostet nach seinen Angaben durchschnittlich 99 bis 300 Euro, ein gängiger Rollstuhl im Schnitt 399 Euro. Mittlerweile sammeln die Sanitätshäuser bundesweit Unterschriften gegen die Ausschreibung von Rollstühlen, um eine Petition im Bundestag einzureichen. Mindestens 50 000 Personen müssen unterschreiben.

Auch Dr. Frank Rainer Abel hat mit Ausschreibungen schlechte Erfahrungen gemacht. Diese versprächen vermutlich günstigere Einkaufspreise für die Kostenträger. Dies wäre auch im Sinne der Versicherten und Betroffenen, betonte der Chefarzt der Klinik für Orthopädie der Klinikum Bayreuth GmbH und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Reha des Fachbeirats Technische Orthopädie.

Leider habe sich bei den im klinischen Alltag erlebten Ausschreibungen gezeigt, dass sie offenbar ganz wesentlich über den Preis, nicht über den angebotenen Service entschieden worden seien. „Für die von uns betreuten Patienten haben sich zum Teil erhebliche Nachteile ergeben. Individuelle Anpassungen wurden oft von den Leistungserbringern verweigert, vom verordnenden Arzt verfasste Mängelbeschreibungen unbeantwortet gelassen“, berichtete Abel.

Ein weiteres Problem bestehe darin, dass bei weit auseinanderliegenden Standorten der Versorger kaum eine heimatnahe Versorgung der Patienten zu gewährleisten sei. Die Hilfsmittelübergabe sei oft durch eine Spedition oder eine Versandfirma erfolgt. „Zusammenfassend stehen wir als Kliniker Ausschreibungen und Bündelungen von Versorgungsaufträgen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Wir fordern jedoch, dass sie eine Leistungskontrolle, die notwendige Individualität der Versorgung und einen garantierten Vor-Ort-Service für die Betroffenen beinhalten“, erklärte Abel.

Auch der Bayreuther Orthopäde Dr. Karl-Heinz Conrad hält die Patienten für überfordert, wenn sie an ihrem Rollstuhl selbst Hand anlegen müssten. Die Lösung mit den örtlichen Sanitätshäusern hält er für besser. Die Experten wüssten, welcher Rollstuhl geeignet sei, wie der Sitz richtig eingestellt werden muss. „Das läuft bislang gut“, berichtete Conrad. Diese Lösung sei allemal besser, als standardisierte Rollstühle ohne persönliche Beratung per Paketdienst zu liefern. „Um die Rücksendung muss sich der Patient selbst kümmern“, warnte der Mediziner. Probleme gebe es auch bei Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden sollen, aber ohne Rollstuhl dastehen.

Die DAK räumte ein, dass einige medizinische Hilfsmittel zentral ausgeschrieben werden. Für Rollstühle gilt dies ab dem 1. Januar 2015, für Rollatoren seit dem 1. Oktober 2014. Windeln für Inkontinenz werden seit 2013 zentral eingekauft. Die Anbieter müssten bestimmte Kriterien wie Qualität, Service, Reparaturmöglichkeiten oder Wartung von Rollstühlen und Rollatoren nachweisen, betonte Pressesprecher Stefan Wandel in München. Die Anbieter hätten normalerweise regionale Standorte, die sich um den Service kümmerten.

Laut Wandel wird nur die Standardversorgung zentral ausgeschrieben, Rollstühle in Übergrößen könnten vom Patienten weiter über Sanitätshäuser bezogen werden. „Laut dem Liefervertrag muss ein Mitarbeiter vor Ort beim Aufbau des Rollstuhls helfen“, betonte Wandel. Durch die zentrale Ausschreibung könne die Krankenkasse preiswerter einkaufen, „der Gesetzgeber will den Preiswettbewerb“. Wenn der Rollstuhl kaputt ist, sei der Anbieter verpflichtet, ihn abholen zu lassen.

Die AOK in Bayern vergibt die Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten bisher dezentral. „Im Falle einer rechtlich ebenfalls möglichen Ausschreibung wäre eine Beteiligung der meisten regionalen Unternehmen nicht mehr möglich“, erklärte Pressereferentin Helga Leirich in München.

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