Der Gutachter ließ es nicht an Deutlichkeit fehlen: In seinen 31 Jahren seiner Berufstätigkeit, sagte der Erlanger Rechtsmediziner Professor Stephan Seidl mit unüberhörbarem Zorn, habe er nur einmal „einen ähnlichen eklatanten Fall von ärztlicher Sorgfaltspflichtverletzung erlebt“. Das vernichtende Urteil traf eine Chefärztin. Unter dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung stand in dieser Woche die ehemalige leitende Ärztin der Alexander-Von-Humboldt-Klinik in Bad Steben vor dem Hofer Strafrichter David Martin. Die Anklageschrift warf ihr vor, im August 2019 maßgeblich schuldig am Tod einer Patientin zu sein. Die damals 74-jährige Frau aus dem Landkreis Coburg war nach einer Behandlung wegen Herzinfarkts im Klinikum Coburg zu einer anschließenden Reha am 15. Juli in die Bad Stebener Klinik eingewiesen worden. Zur medizinischen Vorgeschichte gehörte, dass die Patientin an Bluthochdruck, Altersdiabetes, Anämie und chronischer Niereninsuffizienz litt.