Auftritt im Zentrum Konstantin Wecker über Riesenarschlöcher mit Riesentalent

Interview von Sina Rees und
Konstantin Wecker. Foto: red Quelle: Unbekannt

BAYREUTH. Konstantin Wecker gilt als eine der vielseitigsten Künstlerpersönlichkeiten im deutschsprachigen Raum. Im Jahr 2017 erschien seine Autobiografie „Das ganze schrecklich schöne Leben“. Daraus liest er am Donnerstag, 14. März, im Zentrum in Bayreuth. Vorab erklärte er im Kurier-Interview unter anderem, das künstlerisches Talent und ein guter Charakter nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben müssen. Und dass sein Hit "Willy" heute immer noch aktuell ist.

 
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Sie sind bekannt als Musiker, Komponist, Poet, Schauspieler und Autor. Als was würden Sie sich selbst beschreiben?

Konstantin Wecker: Ich bin in erster Linie Poet. Das beinhaltet auch das Musikertum. Ich habe in meinem Buch – diese Stelle werde ich in Bayreuth sicher lesen – ein Kapitel geschrieben, das heißt: ,Bin ich ein Schauspieler? Vielleicht gar ein guter Schauspieler? Ich glaube eher nicht.‘ Ich habe das Glück gehabt, dass ich mit sehr guten Regisseuren arbeiten durfte und dann ist man immer gut. Die Schauspielerei hat mir auch Spaß gemacht, aber ich habe es sei vielen Jahren nicht mehr gemacht. Weil ich ja doch auf der Bühne alles andere bin als ein Schauspieler, sondern da bin ich immer unverkennbar ich selbst, und das soll auch so sein.

In Ihrer Kindheit sah das noch anders aus. Als Kind wollten Sie Opernkomponist werden?

Wecker: Puccini hat mich daran gehindert. Irgendwann, mit 17 oder 18 Jahren, habe ich mir gesagt: So etwas wie die ,Tosca‘ gibt es schon. Das ist für mich die perfekteste Oper der Welt, so etwas brauche ich nicht noch einmal schreiben. Und damals – das sehe ich heute ein bisschen anders – waren mir die Operntexte viel zu banal. Ich habe zu der Zeit schon sehr viel gedichtet und dann kam ich auf die Idee, meine eigenen Texte zu vertonen, das fand ich spannender.

Wie sieht es dann mit Wagner aus? Ist der Ihnen auch zu einfach? Und waren Sie schon mal in Bayreuth bei den Festspielen?

Wecker: Ich war schon in Bayreuth, ich bin im ,Tannhäuser‘ gewesen. Ich habe den harten Sitz nicht so genossen, aber es war eine tolle Aufführung. Ich bewundere Wagner in vielen Punkten sehr, weil er unglaubliche Musik schreiben kann. Aber ich halte ihn durchgehend für dramaturgisch zu lang und zu anstrengend. Bei aller Liebe, was für ein Genie bei ihm immer wieder aufblitzt. Trotzdem halte ich ,Tosca‘ für die perfekte Oper. Die dauert knappe zwei Stunden, dann ist alles gesagt.

Sie sagen, Sie halten Wagner für einen guten Komponisten, sogar für ein Genie. Kann oder muss man Werk und Mensch trennen?

Wecker: Werner Burkhard, ein Kunstkritiker der FAZ, hat zum Tod von Miles Davis geschrieben: ‚Zweimal hat der liebe Gott einem Riesenarschloch ein Riesentalent verliehen. Das war bei Richard Wagner und Miles Davis.

Die Ballade „Willy“ machte Sie 1977 bekannt. Das Album „Genug ist nicht genug“ steht im Plattenschrank jedes Alt-68ers. Denken Sie noch gerne an die Zeit zurück? Können Sie sich noch erinnern, was ausschlaggebend war, dass sie damals „Willy“ komponiert haben?

Wecker: Interessanterweise wollte ich mich in dieser Zeit gar nicht so sehr als politischer Liedermacher sehen. Eigentlich war ja damals jeder Liedermacher per se schon politisch. Ich habe mich eher als barocken Bayern, der schöne Liebeslieder schreibt, gesehen. Der Willy ist mir – wie alle meine Lieder – passiert. Das heißt, ich saß eines Tages da und hatte die Zeile im Kopf. Ich weiß bestimmt nicht mehr bei allen Liedern, wann und wo ich sie geschrieben habe, aber in diesem Fall weiß ich es noch genau: Ich hatte damals Probe mit meiner Band. Im Nebenraum des Proberaums stand ein altes Klavier und ich bin in der Pause rüber und habe das Lied geschrieben. Im gleichen Zeitraum, in dem man es auch spielt, also in zehn Minuten. Dann habe ich es meinen Musikern vorgetragen und gesagt: ‚Ich habe da etwas, ich glaub, das ist viel zu privat‘ und habe dann schon an der Reaktion meiner Musiker gemerkt, dass es wohl ziemlich reinhaut und die Leute ergreift. Ich habe gar nicht richtig gewusst, was ich da gemacht habe, wie es immer ist, wenn ich schreibe.

Gab es Willy denn in der Realität?

Wecker: Das ist alles zu einem Puzzle aus Erlebnissen zusammengefügt. Der Willy ist aber nicht gestorben, sondern er sitzt gerade neben mir und fährt Auto. Es war eine lebensgefährliche Verletzung, aber er ist zum Glück nicht gestorben.

Jetzt stellt sich die Frage: Wie aktuell ist Willy denn heute noch? Gerade heute, in Zeiten, wo der Mob wieder durch die Straßen zieht und Menschen jagt.

Wecker: Innerhalb der letzten 40 Jahre, seit es den Willy gibt, habe ich zwölf verschiedene Willy-Versionen geschrieben. Und jetzt auch einen sehr aktuellen, neuen Willy – Willy 2018. Jede dieser Versionen fängt damit an, dass ich sage: ‚Du, Willy, ich muss dich jetzt doch noch mal stören in deiner Grabesruhe und muss dir jetzt erzählen, was da gerade los ist.‘ Der letzte Willy 2018 war ein großer Aufschrei.

Zu Ihrem 70. Geburtstag erschien 2017 Ihre Biografie: „Das ganze schrecklich schöne Leben“. Sie wird als so ungewöhnlich beschrieben wie auch ihr Leben. Was ist das Ungewöhnliche daran?

Wecker: Das Ungewöhnliche ist, dass es aus drei verschiedenen Sichten geschrieben ist. Ich habe natürlich keinen Ghostwriter, weil ich ja selbst schreibe. Deshalb sind die beiden anderen Autoren auch genannt. Es ist ganz spannend, wenn man seine Biografie aus der Sicht von zwei anderen Leuten sieht. Der eine ist eben jener Willy, in Wirklichkeit mein Freund Günter Bauch, der ein ganz hervorragender Autor ist und der mich seit der Gymnasialzeit erlebt. Der auf sehr lockere und sehr lustige Weise vieles beschrieben hat, was ich gar nicht mehr wüsste, weil er einfach ein besseres Gedächtnis hat als ich. Der zweite Mitautor ist Roland Rottenfußer. Er ist der Redakteur meines Online-Magazins ,Hinter den Schlagzeilen‘.

Sie haben ein wild-bewegtes Leben mit extremen Höhen und Tiefen und sagen selbst: „Sicherlich kein allzu edles Leben.“ An welche Zeiten denken Sie gerne zurück?

Wecker: Ich bin gar nicht der ganz große Rückblicker. Ich bin ein Mensch, das habe ich auch versucht, in der Biografie zu schreiben, der immer das Glück hatte, sehr gut in der Gegenwart zu leben. Das heißt, natürlich habe ich, wie alle Menschen, Erinnerungen an ein paar schreckliche Erlebnisse. Was uns die Hirnforschung bestätigt, dass unser Gehirn sich leider das Peinliche, Schlechte und Gefährliche viel schneller und eindringlicher merkt als glückliche Momente. Deshalb bin ich so gerne auf der Bühne, da lebe ich im Moment. Auf der anderen Seite gibt es vieles, das ich vielleicht vor zehn Jahren noch nicht so gesehen hätte. Was wäre, wenn ich mir das gespart hätte? Noch vor zehn Jahren hätte ich vielleicht gesagt, da brauche ich nicht drüber nachzudenken. Denn ich bin nur so geworden, wie ich jetzt bin, und jetzt bin ich toll. Ich sehe das heute sehr viel differenzierter und sage mir ,Moment mal‘, vielleicht wäre ich jetzt auf einer ganz anderen Bewusstseinsstufe, wenn ich mir viele Umwege gespart hätte. Ich sehe es kritisch, so wie ich das Älterwerden auch als Aufgabe sehe, sich selbst auf die Schliche zu kommen.

Werden Sie bei Ihrem Auftritt am Donnerstag in Bayreuth nur aus Ihrer Biografie lesen oder steht auch ein Klavier auf der Bühne?

Wecker: Nein, es wird kein Klavier dabei sein. Das mache ich auch ganz bewusst bei einer Lesung so. Aber ich werde bei der Lesung ganz sicher auch ein paar Lieder a cappella singen. Ich habe gesehen, dass das das Publikum auch sehr anrühren kann. Aber lassen Sie sich überraschen.


INFO: Konstantin Wecker (71 Jahre) liest am Donnerstag, 14. März, aus seiner Biografie „Das ganze schrecklich schöne Leben“. Die Veranstaltung im Rahmen des Leselust-Festivals findet um 20 Uhr im Zentrum in Bayreuth statt. Einlass ist ab 19 Uhr. Es gibt noch einige wenige Restkarten an der Abendkasse. Eine Karte kostet 30 Euro.

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