Angebot für Demenzkranke Mit Singen und Be-greifen den Erinnerungen auf der Spur

Museumsleiterin Sabine Zehentmeier-Lang (rechts) demonstriert Heike Syma in einer historischen Küche des Fichtelgebirgsmuseums, wie man eine Kaffeemühle handhabt; ein Gegenstand, der bei den Teilnehmern der Klangkultur Erinnerungen wachrufen soll. Foto: Kerstin Starke

Einen besonderen Lichtblick für Betroffene bietet die Lokale Allianz für Menschen mit Demenz am Mittwoch. Bei „Klangkultur“ im Fichtelgebirgsmuseum singen die Gäste vertraute Lieder und nehmen alte Gegenstände aus ihrer Jugend in die Hand. Das Angebot richtet sich ausdrücklich auch an Angehörige und alle anderen Interessierten.

 
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Seit diesem Jahr gibt es im Landkreis Wunsiedel die „Lokale Allianz für Menschen mit Demenz“. 15 Partner von A wie Alzheimergesellschaft Hof-Wunsiedel bis V wie VHS Fichtelgebirge haben sich darin zusammengeschlossen; koordiniert werden die Aufgaben, Projekte und Veranstaltungen vom Mehrgenerationenhaus (MGH) Wunsiedel.

Kinder-, Küchen- und Volkslieder

Eine dieser Veranstaltungen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, die sich aber auch an jeden anderen Interessierten richten, ist ein unterhaltsamer Nachmittag unter dem Titel „Klangkultur – gemeinsames Singen mit Erinnerungsarbeit“ am Mittwoch, 20. Juli, im Fichtelgebirgsmuseum Wunsiedel. Die Volksmusikberaterin Carolin Pruy-Popp vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege und Sabine Zehentmeier-Lang, die Leiterin der Fichtelgebirgsmuseen, wollen in Zusammenarbeit mit Heike Syma, der Leiterin des MGH, in Menschen mit Demenz durch alte Kinder-, Küchen- und Volkslieder Erinnerungen wachrufen. Dabei helfen soll auch das haptische Erleben. Deshalb stellt das Museum an diesem Nachmittag verschiedene Gegenstände bereit, die die Senioren in die Hand nehmen dürfen, sie be-greifen und benutzen können und die dann bei ihnen möglicherweise frühere Begebenheiten wachrufen.

Kaffeemühle und selbst gestrickte Socken

„Carolin Pruy-Popp, die verschiedene Schulungen zum Thema Demenz besucht hat, hat Lieder ausgewählt wie ,Am Brunnen vor dem Tore’, ,Kein schöner Land’ oder ,Mariechen saß weinend im Garten’, die die meisten Teilnehmer kennen werden“, kündigt Sabine Zehentmeier-Lang an. „Gerade die Musik kann Erinnerungen wecken. Und wir suchen dazu passende Gegenstände wie eine alte Kaffeemühle heraus oder selbst gestrickte Socken und Schals, deren Muster ebenfalls Erinnerungen hervorrufen können.“ Auch der Geruchssinn spiele eine große Rolle; deshalb will die Museumsleiterin auch Kernseife bereitlegen oder Kräuter. Das sei, betont sie, durchaus mit den Aufgaben eines Museums vereinbar, zu denen sowohl die „Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben mit Relevanz“ gehöre als auch die „Inwertsetzung“ von Museumsstücken, die schließlich ein Identitätsspeicher seien. „Man muss diesen Speicher – ähnlich wie bei einer digitalen Datenbank – halt auch nutzen.“

Heike Syma, bei der alle Fäden des Projekts zusammenlaufen, legt großen Wert darauf, dass die Veranstaltungen – also auch die Klangkultur – für alle offen sind: für Demenzkranke, ihre Angehörigen und für alle anderen. „Unsere Angebote“, betont sie, „sind immer auch präventiv gedacht.“ Mit den Aktivitäten will die Allianz die sensible Gruppe von Menschen mit Demenz dazu bewegen, in ihrer Freizeit aktiv zu sein und sich nicht in die eigenen vier Wände zurückzuziehen und zu Hause zu bleiben, was leider häufig vorkomme. Bei solchen Aktivitäten kämen vielleicht Erinnerungen an die Oberfläche, die auch die Angehörigen überraschen.

Am Leben teilnehmen

Was man gemeinhin gerne aus dem Blick verliert: Zwar leidet laut Statistik jeder vierte über Achtzigjährige unter Demenz; es gibt aber auch Fälle, da sind die Kranken erst 30, 40 oder 50 Jahre alt. Es kann also praktisch jeden Erwachsenen treffen.

Die Erfahrung zeige, ergänzt Heike Syma, dass es auch im Raum Wunsiedel eine große Dunkelziffer gibt. „Die Betroffenen selbst, aber auch die Angehörigen bemänteln es zunächst, wenn sich erste Anzeichen zeigen oder der Arzt die Diagnose gestellt hat.“ Auch schämten sich Angehörige, wenn einmal etwa eine Tasse zu Bruch gehe oder sich der Kranke vollkleckere. „Sie suchen“, hat Syma beobachtet, „erst Hilfe, wenn sie selbst erschöpft sind und nicht mehr können.“ Dabei gebe es verschiedene Anlaufstellen, wenn man die Diagnose erhalten hat, wie die Fachstelle für pflegende Angehörige, beim Landratsamt die Gesundheitsregion plus und die Seniorenbeauftragte, die seit 1. Juni auch Demenzbeauftragte ist, oder auch die Pflegeberatungen der Krankenkassen. „Wir sagen stattdessen: Das ist doch egal, wenn mal was schiefgeht, davor ist niemand gefeit. Traut euch! Nehmt am Leben teil!“

Die Zeit nutzen

Das Mehrgenerationenhaus Wunsiedel widmet selbst sich seit 2008 dem Thema Demenz. „Das geht aber nur in Kooperationen etwa mit der Diakonie Selb-Wunsiedel“, sagt Syma, „da wir selbst schon personell die Fachkompetenz dafür nicht leisten können.“ Was sie jedoch leisten können, ist, Bedürftige und die verschiedenen Hilfen zusammenzubringen. Und: kleine Lichtblicke zu schaffen wie die „Klangkultur“. Man müsse sich bewusst sein, dass man Demenz zwar nicht heilen, ihren Fortschritt durch Aktivität und schöne Erlebnisse und Erinnerungen aber wenigstens ein wenig verzögern könne, sagt Heike Syma. Und: „Die Zeit, die man noch hat, um schöne Dinge zu erleben, sollte man sich so schön machen, wie es geht.“

Klangkultur und Allianz-Partner

Die Klangkultur – gemeinsames Singen mit Erinnerungsarbeit
findet statt am Mittwoch, 20. Juli, von 14.30 bis 15.30 Uhr im Fichtelgebirgsmuseum; im Anschluss Möglichkeit zu Kaffee und Kuchen im Museumscafé. Anmeldung unter 09232/602107 oder 09232/2032 ist erwünscht; spontane Teilnahme ist aber auch möglich.

In der Lokalen Allianz für Menschen mit Demenz arbeiten zusammen:
Diakonisches Werk Selb-WunsiedelAlzheimergesellschaft Regionalgruppe Hof-Wunsiedel Seniorenkoordination und Wohnberatung im Landkreis WunsiedelFichtelgebirgsmuseumKatholische Pfarrgemeinde „Zu den 12 Aposteln“ WunsiedelKlinikum FichtelgebirgeVHS Fichtelgebirge, SelbJean-Paul-Grundschule WunsiedelEvangelisches Bildungs- und Tagungszentrum Bad AlexandersbadBayerischer Landesverein für HeimatpflegeMehrgenerationenhaus WunsiedelEvangelischer Diakonieverein WunsiedelSeniorenheim St. Elisabeth WunsiedelGesundheitsregion Plus im Landkreis WunsiedelAOK – Die Gesundheitskasse

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