An der Schlosskirche Bayreuths kleines Paradies

Von Michael Weiser
Bärbel Zöller an ihrem Paradiesgärtlein. Foto: Michael Weiser Quelle: Unbekannt

Ein Platz, an dem man zu sich kommen kann - und das mitten in der Innenstadt. Das Paradiesgärtlein ist ein so ruhiger wie schöner Ort der Marienverehrung, der auf geheimnsvolle Weise eine Brücke ins Mittelalter schlägt.

 
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BAYREUTH.

Ein paar Meter über stille, unebene Pflaster, und man ist dem Trubel in der Maxstraße entkommen; nun befindet man sich an einem der schönsten Orte der Bayreuther Innenstadt, direkt gegenüber dem Markgräflichen Opernhaus, zu dem man locker einen Papierflieger schweben lassen könnte. Auch dort herrscht seit der Wiedereröffnung von Wilhelmines Prachttheater Betrieb, aber das Treiben da unten stört einen hier nicht weiter. Man befindet sich leicht erhöht, auf der Terrasse im Windschatten der Schlosskirche und kann nunmehr ankommen – bei sich selber.

Paradiesgärtlein, so nennt sich der kleine Flecken Grün dort, auf den ersten Blick ein paar von Beton eingerahmte Beete wie so viele andere. Was sich ändert, wenn man Bärbel Zöller zuhört. Denn der Garten war ihre Idee, zur Landesgartenschau regte sie ihn an, und ohne ihre Erläuterungen sieht man womöglich wirklich nichts als – ein paar Blumen und Bäumchen, wirkungsvoll gepflanzt. Schön, Sinn an sich also, aber gepflanzt hat das Stadtgartenamt dort eben Schönheit mit noch mehr Sinn dahinter. Wenn man nur die Zeichen deuten kann.

Nach einem Plan des Mittelalters

Zöllers kleiner Garten ist nichts anderes als eine Brücke vom Mittelalter in die Gegenwart, vom an sich protestantisch geprägten Bayreuth zum vermeintlichen Markenkern des katholischen Glaubens. Es ist ein Mariengarten. Zöller lebt seit Jahrzehnten in Bayreuth, fühlt sich dort heimisch. Aufgewachsen aber ist sie im Münsteraner Land; erzogen wurde sie von Franziskanerinnen. „Ich habe die Frauen immer bewundert“, sagt sie. Katholikin sei sie geblieben. Und so muss die Idee gediehen sein, ein Bild des Mittelalters ins Bayreuth des 21. Jahrhunderts zu verpflanzen.

Aus dem Städel-Museum in Frankfurt kannte sie das Bild des so genannten Oberrheinischen Meisters. Ein kleines, intimes Bild für den nach Versenkung dürstenden Betrachter, nicht größer als Din A 3, aber ein großes Ding für die Kunstgeschichte. Ein delikat gemaltes Abbild des Paradieses, der göttlichen Ordnung inmitten des Chaos, eingefasst von Mauern, ein Hortus conclusus, ein abgeschlossener Garten, Darin: Maria, das Jesus-Kind und Engel. Ein paradiesischer Urzustand, versehen mit allerlei Pflanzen. Viele von ihnen finden sich im Bayreuther Garten wieder, „und zwar die Pflanzen, die für die Mariensymbolik stehen“, sagt Bärbel Zöller.

Allseits verehrte Maria

Die Erdbeere zum Beispiel. Rote Frucht und weiße Blüte zugleich, steht sie für Liebe und Reinheit, mithin für die unbefleckte Empfängnis. Der Volksglauben strickte Legenden um die süße Frucht. Etwa die schöne Geschichte, dass Maria einmal im Jahr auf die Erde herabsteige, um Erdbeeren zu ernten – zur Speise für die unschuldig gestorbenen Kinder. Veilchen finden sich in dem Gärtlern, mit ihrem intensiven Blau ein Symbol für den Himmel und auch für Maria, die reinen Lilien und Oliven. Pflanzen mit Heilkraft alle mitsammen, und damit auch ein Zeichen für die heilsgewisse Verehrung, die Maria zu allen Zeiten entgegengebracht wurde. Von den unterschiedlichsten Seiten übrigens: Martin Luther war ein Marienverehrer. Doch auch der katholische Feldherr Tilly führte Maria im Feldzeichen, als er daran ging, gegen die Protestanten vor Prag die erste große Schlacht des Dreißigjährigen Krieges zu schlagen.

In Bayreuth gilt's dem Frieden. Die Schlosskirche schließlich ist „Unserer lieben Frau“ gewidmet, ein friedliches Symbol für die mittlerweile gar nicht mehr so geringfügige Anwesenheit der Katholiken in der an sich protestantischen Stadt. Auch über andere Früchte weiß Bärberl Zöller viel zu berichten. Über das Bild der Traubenmadonna in der Schlosskirche etwa, oder darüber, wie die Herrscher des 17. und 18. Jahrhunderts den Granatapfel als Zeichen für Fruchtbarkeit und Unsterblichkeit für sich vereinnahmten. „Die Fürsten des Barock machten sich die Symbole des Himmels zu eigen“, sagt Zöller. Da wäre man ganz kurz mal wieder im wahrhaft himmlischen Markgräflichen Opernhaus gleich gegenüber; aber man kann auch noch ein bisschen in der Ruhe verweilen. Und sich zum Beispiel Gedanken darüber machen, warum Maler aus Siena den Engel der Verkündigung mit Olivenzweig anstelle der üblichen Lilie malten. Das kam, weil die Lilie für Florenz steht, den giftig bekämpften Konkurrenten vom Arno. Und Propaganda für die Florentiner zu machen, wäre den stolzen Sienesern noch im frömmsten Moment nicht eingefallen.

Man lernt eine Menge an der Schlosskirche, vor allem, wenn Bärbel Zöller aus dem Fundus ihres Wissens schöpft. Wer hätte schon gedacht, dass Religion so viel mit Politik zu tun hat?

INFO: Das in Segmente unterteilte Paradiesgärtlein war 2016 Teil der Landesgartenschau in Bayreuth, sozusagen als Teil eines spirituellen Weges. Bis heute pflegt das Stadtgartenamt die kleine Anlage mit Brunnen im Zentrum nach der Vorgabe von Bärbel Zöller, die immer noch Führungen zu dem Gärtlein und seinen Geheimnissen anbietet. Die nächsten Führungen sind am Montag, 3. Juli, um 15 Uhr, am 15. August und 12. September.

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