Alte Diskussion neu entbrannt Gefürchtet, geliebt, geschützt

Udo Fürst
Mehr als zehn Wölfe leben laut Landesamt für Umwelt im Veldensteiner Forst. Höchstwahrscheinlich dürften Tiere aus diesem Rudel auch für die Wolfsrisse in den Gehegen um Betzenstein verantwortlich sein. Christian Leißner vor einem seiner toten Tiere, die Anfang März gerissen wurden. Foto:  

An der Ansiedlung des Wolfs scheiden sich die Geister – Staatsregierung will Abschuss erleichtern

 
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Pegnitz - Der Wolf ist in Europa streng geschützt. Eigentlich. Denn gegen diesen Artenschutz regt sich Widerstand. So fordern die Bayerische Staatsregierung, der Bauernverband und die Jägerschaft Gesetzesänderungen, um das Tier schneller schießen zu können. Vehement gegen diese Pläne sind große Teile der Landtagsopposition, Bund Naturschutz, Tierschützer und auch Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), der seiner CSU-Kabinettskollegin und Agrarministerin Michaela Kaniber Populismus in dieser Frage vorwarf.

Auslöser der aufflammenden Diskussion waren zwei Wolfsrisse in der Fränkischen Schweiz (wir berichteten). 25 Tiere hatten Wölfe in den Wildgehegen in Riegelstein und Illafeld Ende Februar und Anfang März getötet. Daraufhin entbrannte der seit Jahren schwelende Streit um den erleichterten Abschuss des Wolfs erneut. Kaniber fordert Lockerungen der strengen Schutzvorgaben, „weil die Ausbreitung des Wolfs nicht dazu führen darf, dass die naturnahe und tierwohlgerechte Landwirtschaft in manchen Regionen aufgegeben wird“. Dagegen wehrt sich der Bund Naturschutz (BN). Mehr Sicherheit für die Weidetiere könne nur mit Herdenschutz erreicht werden, schreibt der BN. Darunter versteht man entsprechend gesicherte Zäune und den Einsatz von Herdenhunden. Laut BN verschweige Kaniber, dass die Gehege in Oberfranken „nicht wolfsabweisend eingezäunt waren“. Das treffe auch auf die anderen Risse in Bayern zu. Daraus eine Notwenigkeit abzuleiten, Wölfe einfacher töten zu müssen, widerspreche den Vorgaben des Bayerischen Aktionsplans Wolf, erklärt BN-Landesbeauftragter Martin Geilhufe. Darin sei eindeutig geregelt, „dass Entnahmen von Wölfen erst dann möglich sind, wenn ordnungsgemäßer Herdenschutz überwunden wurde.“

Helle Aufregung nach Wolfsrissen

Im Veldensteiner Forst lebt seit drei Jahren ein Wolfsrudel – lange unauffällig. Inzwischen sind die Wölfe aber auch außerhalb des Waldgebiets unterwegs und liefen durch kleine Orte. Zuletzt haben sie Jagd auf Nutztiere gemacht. Erst töteten sie ein Schaf, dann drangen sie in die beiden Wildgatter in Betzenstein ein und töteten 25 Stück Dam-, Rot- und Muffelwild. Beide Gatter waren nicht gesichert gegen Wölfe, hatten weder Untergrabschutz noch Elektrozaun. In der Region herrschte daraufhin helle Aufregung. Auch wenn die Veldensteiner Wölfe noch nie Menschen nahegekommen sind, sind manche Menschen verunsichert.

Einer der von den Wolfsrissen betroffenen Landwirte ist Christian Leißner. Er verlor durch den Angriff Stück drei Stück Rotwild und vier Mufflons. „Die Wölfe sind ein Problem“, sagte Leißner damals, und: „Man muss ihnen die Grenzen aufzeigen.“ Mittlerweile hat der Nebenerwerbslandwirt mit einem mobilen Elektrozaun sein 3,5 Hektar großes Gelände zumindest relativ wolfssicher gemacht. Der Zaun wird so lange stehen bleiben, bis sich Leißner dazu entschließt, einen festen und tatsächlich wolfssicheren Zaun um das Gelände zu ziehen. Kosten entstehen Leißner keine. Sowohl der mobile als auch ein fester Zaun werden zu 100 Prozent vom Landesamt für Umwelt (LfU) gefördert. „Schäden durch Wolfsrisse können durch den Freistaat kompensiert werden“, teilt das LfU mit.

Umweltminister Glauber betont, dass man beim Wolf strikt an die Vorgaben der EU und des Bundes gebunden sei. Der Freistaat könne einzig im Rahmen seines „Aktionsplans Wolf“ handeln, der mit Zustimmung des Agrarministeriums beschlossen worden sei. Außerdem verweist Glauber auf das Herdenschutz-Programm des Agrarministeriums. Dabei können sich Bauern beraten lassen, wie sie Rinder, Schafe und andere Nutztiere am besten schützen.

Wölfe in und um den Veldensteiner Forst und in der nördlichen Oberpfalz werden seit Jahren beobachtet. Seit einigen Monaten häuften sich solche Sichtungen. In Höfen (Neuhaus/Pegnitz) und im Pegnitzer Ortsteil Horlach wurde am helllichten Tag jeweils ein junger Wolf fotografiert und gefilmt. Die Experten des Landesamts für Umwelt (LfU), das für das Wolfsmonitoring in Bayern zuständig ist, dokumentierten im Veldensteiner Forst 2018 fünf Welpen, 2019 weitere sechs und im vergangenen Jahr vier Tiere. Insgesamt geht man derzeit von acht Tieren aus. Bis dahin war alles recht harmlos. „Das junge Tier war einfach nur neugierig“, vermutete der LfU-Sprecher. Ende Februar war es dann mit der Ruhe vorbei. Durch die beiden Wolfsrisse in den Gehegen hat sich die Stimmung zumindest bei einigen Menschen nachhaltig geändert.

Während besorgte Bürger und Jäger jetzt „Maßnahmen“ fordern, brechen die BN-Ortsgruppen Auerbach und Pegnitz eine Lanze für den Wolf. „Wir möchten aufklären, welche Funktion der Wolf für unsere Lebenswelt hat und warum er deswegen auch nach EU-Recht geschützt ist“, sagt Gertrud Burger vom BN Auerbach. Man wolle klarmachen, warum eine Rückkehr dieser Tiere sehr zu begrüßen sei und wie der Mensch lernen könne, in guter Nachbarschaft mit dem Wolf zu leben, ohne Angst haben zu müssen. „Von der Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume profitiert ja auch der Mensch“, sagt Burger.

Das Landesamt für Umwelt (LfU) rät zur Gelassenheit: „Wölfe sind grundsätzlich vorsichtig und meiden Menschen, jedoch nicht menschliche Infrastrukturen (Straßen, Wege). In ihrer Raumnutzung passen sich Wölfe normalerweise an die Aktivität des Menschen an. Bereiche ihres Streifgebietes, in denen tagsüber viele Menschen anzutreffen sind, werden nur in der Nacht genutzt. Im Schutz der Dunkelheit laufen sie durchaus auch unmittelbar an bewohnten Häusern vorbei.“ Im Einzelfall können besonders Jungtiere neugierig sein. „Dies stellt aber keine Gefährdung des Menschen dar. Seit der erneuten Anwesenheit von Wölfen in Deutschland hat es keinen Angriff auf Menschen durch Wölfe gegeben“, so ein LfU-Sprecher.

Anders sieht dies Karl-Heinz Inzelsberger. Der Vorsitzende der Jägervereinigung Pegnitz weiß zwar, dass der Wolf unter Naturschutz stehe und nicht gejagt werden dürfe. „Wir werden uns auch hüten, dem Tier zu nahe zu kommen“, sagte der Jäger Anfang des Jahres. Es sei aber bedenklich, wenn der Wolf seelenruhig durch die Dörfer laufe. „Wenn er zu zutraulich wird, ist das nicht in Ordnung.“ Der Jäger verweist auf ein weiteres Problem: den Jagdtrieb des Raubtiers. „Im Veldensteiner Forst reißen die Wölfe viel Wild und sie sind auch für die Weidetiere gefährlich, wie man ja gesehen hat.“ Inzelsberger: „Erst wird der Wolf aufwendig angesiedelt und dann muss man viel Geld ausgeben, um die Schäden, die diese Tiere anrichten, auszugleichen. Da ist die Politik gefordert.“

Wolf darf nicht geschossen werden

Die SPD-Landtagsfraktion lehnt eine Freigabe des Wolfes zum Abschuss strikt ab. Der Umweltexperte Florian von Brunn betont, dass der Wolf durch internationale Abkommen, europäisches Recht und das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist und kritisiert die CSU: „Wer jetzt nach Abschuss ruft, fordert zum Rechtsbruch auf und ermutigt kriminelle Wilderer!“ Die Rückkehr des Wolfs ist für den Umweltpolitiker ein Erfolg der europäischen Naturschutzpolitik: „150 Jahre nach seiner Ausrottung fasst der Wolf in Mitteleuropa wieder Fuß. Das sollte man begrüßen und nach pragmatischen Lösungen für die Probleme suchen.“ Die geltende Rechtslage zum jetzigen Status des Wolfs reicht nach von Brunns Meinung völlig aus. Die Tötung einzelner Wölfe, die sich auffällig verhalten, sei, wenn alle andere Mittel versagen, bereits heute erlaubt und auch schon erfolgt.

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