50 Jahre im Rathaus: Experten packen aus

Von Thorsten Gütling

Zwei Heinersreuther Größen treten ab. Verwaltungsleiter Karl-Heinz Hübner war 36 Jahre für die Gemeinde tätig, Bauamtsleiter Tomasz Lach 14. Jetzt ist für beide Schluss. Zeit für ein Gespräch: Über Parteipolitik, Führungsstile, Fluch und Segen der Nähe zu Bayreuth und zwei Sportvereine, die besser einer wären.

 
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Herr Hübner, Herr Lach, Sie haben zuletzt zwei Bürgermeister erlebt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Welcher war der angenehmere?
Karl-Heinz Hübner: Hans Dötsch war jemand, den ich als Macher bezeichnen würde. Er hatte einen unheimlichen Trieb, die Gemeinde nach vorne zu entwickeln. Seine Art, nun ja, die hat es vielleicht gebraucht, damit die Gemeinde heute da steht, wo sie steht. Und Simone Kirschner ist sehr gewillt, etwas auf die Beine zu stellen. Aber ihren Plan dafür erkenne ich nicht. Sie hat viele Ideen, aber nicht das Gespür und nicht den Druck, das auch so durchzuführen.
Tomasz Lach: Das Problem in Heinersreuth ist doch ein ganz anderes. Wenn in Heinersreuth eine Fraktion ja sagt, sagt die andere aus Prinzip nein. Ich habe nie verstanden, warum die Politik vor Themen gehen soll. Politik kann man vor der Wahl machen, aber danach gilt es, auf das Wohl der Gemeinde zu schauen. Es war bekannt, dass ich deswegen vieles nicht mitgetragen habe. Und: Die Wertschätzung der Alten lässt mittlerweile zu Wünschen übrig. Das geht schon beim Betriebsausflug los, zu dem ehemalige Mitarbeiter plötzlich nicht mehr eingeladen sind. Ich kann es nicht mehr hören, dass früher alles falsch gewesen sein soll.

Vielleicht muss man der neuen Bürgermeisterin einfach ein bisschen Zeit geben.
Hübner: Drei Jahre sind rum. Und da hat sie meiner Meinung nach noch nichts vorzuweisen, was dazu führen könnte, dass ich sage, ich wähle sie wieder.
Lach: Sie hat in dieser Zeit auch viel gelernt. Als Gemeinderätin hatte sie nie viel Interesse gezeigt und daher auch nicht viel gewusst. Dass sie dann Bürgermeisterin werden wollte, war für mich auch eine Überraschung. Aber das war im Nachhinein gar nicht schlimm. Denn Politik braucht auch Veränderung. Als Bürgermeisterin war sie dann bei jeder Besprechung dabei und hat immer gesagt, dass sie lernen will. Mit Dötsch war es auch nicht einfach, der hatte auch immer seine Meinung. Aber der Zusammenhalt unter den Mitarbeitern war viel viel besser. Die Bürgermeisterin misstraut den Mitarbeitern, die mit Dötsch gut zusammengearbeitet haben.

Ich sehe in Heinersreuth niemanden, der es besser machen könnte.
Hübner: Christian Bock hat bestimmt Ambitionen und ich traue ihm auch einiges zu. Auch, das er diesen Job ordentlich macht.

War es schlau von Dötsch, sich noch einmal in den Gemeinderat wählen zu lassen?
Hübner: Ja. Zumindest in der ersten Wahlperiode gehört er mit seiner Erfahrung da rein. Um auch der jungen SPD-Fraktion diesen Antrieb mitzugeben. Dass er in der zweiten Wahlperiode nochmal mitgeht, glaube ich persönlich nicht.

Man muss dazu sagen: Sie sind selbst Mitglied der SPD.
Hübner: Ja, seit 1982. Ohne politische Ambitionen. Ich bin ich damals einfach gefragt worden.

Wie kam’s?
Hübner: Das war ein ganz unbedeutendes Erlebnis noch in der Jugendzeit. Ich habe Fußball in Heinersreuth gespielt und auf meine Sporttasche hat mir irgendwann mal jemand einen SPD-Aufkleber geklebt. Ich war politisch völlig unmotiviert und hatte meine Gedanken nur beim Fußball. Aber diesen Aufkleber habe ich getragen und galt damit bereits als 17-Jähriger als der SPD zugetan. Und als ich im Rathaus eingestellt wurde, hieß es: Willst du nicht einmal beitreten?
Lach: Ich habe auch das Angebot bekommen, der Partei beizutreten. Ich habe das aber nicht gemacht. Meiner Meinung nach machen die Schwarzen manche Sachen auch besser. Zum Beispiel haben sie viele junge Leute. Die Arbeiterpartei SPD stirbt dagegen allmählich aus in Heinersreuth.

Wären Sie mit so vielen Jahren Verwaltungserfahrung nicht sowieso die besseren Bürgermeister?
Hübner: Ich wurde schon gefragt, bei der letzten Wahl. Aber ich habe gesagt: jetzt nicht mehr. Ich weiß nicht, was ich früher geantwortet hätte. Aber ich könnte mir vorstellen 2020 für den Gemeinderat zu kandidieren.
Lach: 80 Prozent der Probleme, mit denen sich die Politik in Heinersreuth beschäftigen muss, betreffen das Bauamt. Aber ich habe mit Heinersreuth abgeschlossen, habe da auch nie gewohnt und bin kürzlich erst nach Weidenberg gezogen.

Zwischen Altenplos und Heinersreuth, so scheint es, zieht sich ein großer Graben. Wäre eine Fusion der beiden Sportvereine nicht eine Möglichkeit, dem bei zu kommen?
Hübner: Darüber habe ich schon vor 25 Jahren mit dem früheren Vorsitzenden des SC Altenplos, Alwin Moreth, gesprochen. Denn jeder Verein ist etwa gleich groß, hat ein riesiges Sportgelände und krebst in den untersten Ligen herum. Danach hat Moreth mit mir wochenlang nicht mehr gesprochen.
Lach: In den nächsten zehn Jahren ist die Fusion völlig ausgeschlossen. Das ist schade, denn was beim Sportverein beginnt, zieht sich durch alle anderen Bereiche der Gemeinde. Die Heinersreuther kommen nicht nach Altenplos und umgekehrt. Vor zwei Jahren haben die Gemeinderäte daher schon mal darüber diskutiert, die Gemeinde Heinersreuth in Gemeinde Rotmaintal umzubenennen. Umsetzen hat sich das dann aber niemand getraut.

Können Sie nachvollziehen, warum der Gemeinderat solche und andere Dinge mittlerweile unter Ausschluss der Öffentlichkeit berät?
Hübner: Das ist natürlich eine Frage des Stils der Bürgermeisterin. Die müsste die Gedanken dann in öffentlicher Sitzung schon noch einmal ausführen um die Entscheidungsfindung transparent zu machen. Nur ein Beispiel: Tomasz Lach hat im Bauausschuss einmal laut gedacht, wie man bei der nächsten Sperrung der B 85 wieder aus Altenplos herauskommt. Da ist uns eingefallen, das Brunnenberglein so auszubauen, dass zwei Autos nebeneinander fahren können. Das stand dann in der Zeitung und Lach bekam sofort Anrufe, ob er denn nicht ganz dicht wäre. Wäre das nicht öffentlich gewesen, hätte man diesen Gedanken weiter ausspinnen können. So aber haben wir uns künftig zurückgehalten.

Genauso wichtig ist es doch, dass man die Bürger an den Gedanken von Anfang an teilhaben lässt. Die Reaktionen kann man doch als Stimmungsbarometer sehen.
Hübner: Dann hätte die Bürgermeisterin diesen Ball aber aufnehmen und bei einer Bürgerversammlung einmal diskutieren müssen. Dann wäre es ein Politikum gewesen und nicht die Amtsanmaßung des Bauamtsleiters.
Lach: Ich glaube immernoch, dass das mit dem Ausbau des Brunnenbergleins eine gute Idee war. Als Leiter des Bauamts muss ich schließlich einen Vorschlag unterbreiten. Die Altenploser haben sich bei mir dafür bedankt, dass ich das laut ausgesprochen habe. Die bekommen ja schon ein Problem, wenn die B 85 wegen eines Unfalls einmal für ein paar Stunden gesperrt werden muss. Da muss gar keine Sanierung anstehen.

Apropos B 85: Ist diese Straße eher Fluch oder Segen für Heinersreuth?
Hübner: Das ist die Gretchenfrage: Ich habe selbst 14 Jahre direkt an der B 85 in Altenplos gewohnt. Ich kann nicht sagen, dass uns das stark belastet hätte. Wir haben damals Zuschüsse für Schallschutzfenster bekommen. Die B 85 in der jetzigen Form ist eher ein Segen. Auch wenn ich mich damit jetzt mit einigen überwerfe, vor allem, weil der Lkw-Verkehr extrem gestiegen ist. Die B 85 ist sicher ein Grund dafür, dass die Gemeinde so sehr gewachsen ist. Ohne die Straße in dieser Form könnte Rewe nicht überleben, wäre damals nicht Aldi in den Ort, gäbe es keine Tankstelle.
Lach: Andererseits hat die Straße den Ort arg geteilt. Ich verstehe die Leute dort, ich würde nicht an der B 85 wohnen wollen. Aber: In dieser Frage ist jeder nur auf seinen Vorteil bedacht und das ist nicht gut.

Sie kennen die Pläne wie kein anderer. Für wie realistisch halten Sie eine Umgehungsstraße überhaupt?
Hübner: Ganz ehrlich: Wir beide werden das nicht mehr erleben. Weil die Unwägbarkeiten zu groß sind. Bis alle Gutachten durch sind...
Lach: Bis heute weiß niemand, wie die Umgehung genau verlaufen soll. Vor allem der Eingriff in die Natur wäre enorm. Es geht um Wasserschutzgebiete auf der einen Seite und um Wald auf der anderen. Um viel Wald. Die Nähe zur Wohnbebauung ist dagegen kein Problem. Es gibt Autobahnen, die durch Städte führen. Gegen den Lärm kann man sich schützen. Ich denke, die Umgehung kommt nie.

Aber die Felsenkeller unter der Straße drohen doch einzustürzen...
Lach: Aus technischen Gründen gibt es kein Problem. Die Statik lässt sich sichern.Mal ehrlich: Welchen Wert haben die Keller denn? Die gibt es überall unter dem Ort. Aber: Diese Keller können helfen, ein Lkw-Verbot umzusetzen.

Wir halten fest: Heinersreuther und Altenploser sind sich nicht grün und die B85 teilt den Ort obendrauf. Haben sich die Bürger der Gemeinde grundsätzlich verändert?
Hübner: Ja. Früher waren das landwirtschaftlich engagierte Leute, mit denen konnte man deutsch reden und die haben dann genauso geantwortet. Ende der 90er hat sich das geändert. Plötzlich musste man als städtischer Bediensteter höllisch aufpassen, was man sagte.

Woran liegt das?
Hübner: Das war die Zeit der Neubaugebiete. Da kamen dann auch Leute dazu, die den Humor der Einheimischen nicht mehr hatten. Da wurde schon öfter mal mit Konsequenzen gedroht und ich habe gemerkt: Hoppla, da war eine andere Zeit angebrochen.

Apropos Neubaugebiete: Werner Kauper, der Fraktionschef der CSU, sagt immer wieder: „Cottenbach darf nicht zum Schlafdorf werden.“ Wie lässt sich das verhindern?
Hübner: Das ist es doch schon längst, ganz Heinersreuth ist das. Es betrifft allgemein die ländlichen Orte. Die Leute, die zu uns ziehen, identifizieren sich nicht mehr so mit dem Ort. Die alten Leute sagen immernoch: mein Altenplos. Das werden sie von den Neubürgern nicht hören. Im Gegenteil. Ein Bürger, der nach Dürrwiesen zog, hat sich mal einen Personalausweis ausstellen lassen und darin war der Gemeindeteil Altenplos genannt. Der sagte, er nimmt den Ausweis nicht an. Er wollte in Heinersreuth wohnen, nicht in Altenplos. Solche Leute werden sich nie integrieren. Das ist der Fluch und Segen der Nähe zu Bayreuth.
Lach: In Heinersreuth fehlt Gewerbe und damit Arbeitsplätze. Anders als beispielsweise in Bindlach. Darum tendiert das hier schon eher in Richtung Schlafdorf. Zumindest für die neuen Bürger. Aber es gibt genügend Vereine, die noch sehr gut funktionieren. Das wiederum spricht gegen ein typisches Schlafdorf.

Kann man Heinersreuth nicht mit Bindlach vergleichen?
Lach: Nein. Die Ansiedlung von Gewerbe wurde dort einfach nicht verschlafen. Und Bindlach hat nicht diese zwei Pole wie Heinersreuth und Altenplos, Donndorf und Eckersdorf, Haag und Unternschreez. Das ist ein Problem. Alte Leute kümmern sich nur um ihren Ort und das ist so nicht richtig.

Bleiben wir ins Altenplos. Wird in das Aldigebäude „Am Ängerlein“ jemals wieder Leben einziehen?
Hübner: Dass das nicht passiert, kann nur an der Höhe des Kaufpreises oder der Miete liegen. Der Standort ist wunderbar. Sieht leer natürlich blöd aus und je länger das leer steht, desto mehr hält es die Investoren ab.
Lach: Naja, zumindest, dass dort kein Lebensmittelmarkt mehr einzieht, ist verständlich. Das Gelände liegt auf der falschen Seite. Niemand kauft auf dem Weg nach Bayreuth ein, sondern auf dem Weg nach Hause. Und es hat keine direkte Zufahrt von der B 85 aus. Das zu ändern kostet inklusive einer Linksabbiegerspur auf der Bundesstraße eine halbe Million Euro.

Warum finden dort nicht längst türkische Hochzeiten statt, wie einmal von einem Unternehmer geplant?
Hübner: Das scheitert am Lärm. Da wäre die Gemeinde abgewatscht worden. Die Leute haben ja früher schon in der Gemeinde angerufen, als morgens der Lastwagen mit den Aldi-Waren entladen wurde. Das ist wie Waschen aber nicht nass machen: schade. Übrigens: Auch Mc Donalds wollte schon dort hin wie auch schon früher auf das Grundstück, auf dem heute die Tankstelle steht. Aber das haben wir immer aus Gründen der Müllvermeidung abgelehnt.
Lach: Die Leute haben sich sogar schon beschwert, weil nachts die Blumen für den Blumenladen angeliefert werden. Genauso gibt es Beschwerden wegen des Lärms während der Belieferung des Rewemarkts.

Abschließend: Was werden Sie jetzt, nach ihrem Ausscheiden aus der Verwaltung am meisten vermissen?
Lach: Die Menschen. Ich habe immer, obwohl ich nie in Heinersreuth gewohnt habe, die Nähe zu den Menschen gesucht. Und ich musste sie noch nicht einmal duzen um mit ihnen gut auszukommen.
Hübner: Ich werde die Hochzeiten vermissen. Ich habe 520 Paare getraut, da waren schon tolle Sachen dabei. Einmal war ein Aufgebot und die Braut hat mir erklärt, dass einer der Trauzeugen von der Staatsanwaltschaft gesucht wurde. Ich war im Staatsdienst, wurde aber gebeten, das zu ignorieren. Ich habe dann die Polizei angerufen und gesagt, dass sie den Mann bitte nicht vom Standesamt weg holen sollen, sondern erst später aus dem Gasthaus. Eine der schönsten Hochzeiten war eine gleichgeschlechtliche unter Männern. Die ist mir in Erinnerung geblieben, weil sie irgendwie ehrlicher miteinander umgegangen sind. Bei einer anderen Trauung bin ich ohnmächtig geworden. Da habe ich obwohl ich krank war, einen noch kränkeren Kollegen vertreten und bin bei meiner Rede bewusstlos geworden. Unter den Gästen war zum Glück eine Ärztin, 20 Minuten später haben wir die Hochzeit gar über die Bühne gebracht.

Weil Sie gerade bewusstlos sagen: Sie sind beide 61 Jahre alt und aus gesundheitlichen Gründen aus dem Verwaltungsdienst ausgeschieden.
Hübner: Ich habe zahlreiche Allergien und eine Atemwegserkrankung. Ich kann zum Beispiel nirgendwo sein, wo Frauen ein bestimmtes Parfüm tragen. Meine Frau hat da mittlerweile ein Näschen für. Wenn wir Essen gehen, muss sie zuerst ins Restaurant und überprüfen, ob die Luft rein ist.
Lach: Ich habe ihm Sauerland in einem Sägewerk gearbeitet und habe dabei drei Finger verloren. Ich musste vier Stunden auf einen Hubschrauber warten, bis ich in der Handchirurgie war, waren die Venen schon so weit zurückgegangen, dass die Ärzte die Hand großflächig amputieren mussten. Das war eine sehr schwere Zeit für mich. Ich war gerade erst aus Polen nach Deutschland gekommen und dann gleich so ein Unfall. Aber ich habe es überstanden. Das ist Schicksal. Das muss so sein und es sollte passieren. In Heinersreuth habe ich außerdem zwei Herzinfarkte überlebt.

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