110 Jahre Haltestelle Haidenaab-Göppmannsbühl war dem Amtsschimmel zu lang

Wolfgang Hübner
Neben der Auswertung von Archivakten hat Werner Veigl auch historische Bilder vor allem aus Privatbeständen gesammelt Foto:  

15. Dezember 1912 – vor 110 Jahren wurde die Bahnstation Haidenaab-Göppmannsbühl offiziell eröffnet.

 
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Ein zukunftsweisendes Ereignis: damals für die Bürger der beiden Ortsteile und ihrer Nachbargemeinden, heute für die Metropolregion Nürnberg. Bedeutete es jahrzehntelang nicht nur den Anschluss der Orte an die „große weite Welt“, so ist seit 1. Januar 2010 Haidenaab auch nordöstlichster Haltepunkt des Verkehrsverbundes Großraum Nürnberg (VGN). Durch den Verbundtarif ist er für die angeschlossenen 439 Gemeinden mit rund 2,871 Millionen Einwohnern (Stand: 2020) mit dem Tagesticket Plus (21,50 Euro) und dem Großraumticket Preisstufe 10 (12,09 Euro) erreichbar. Heute halten die die Regional-Express-Züge bei Bedarf.

Ein großer Tag für die Bürger beider Orte

Es war ein großer Tag damals, dieser dritte Adventssonntag – für die Bürger beider Ortsteile. Damit ging nämlich ein 23-jähriger Kampf um die Errichtung einer eigenen Haltestelle auf der 1878 eröffneten Fichtelgebirgsbahn von Nürnberg nach Marktredwitz und damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung, wie historische Akten, Verträge, Protokolle und zeitgenössische Zeitungen belegen. Ihnen ist Heimatforscher Werner Veigl im Gemeindearchiv Speichersdorf, den Stadtarchiven Nürnberg und Bayreuth und im Verkehrsarchiv des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München nachgegangen, um die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte zu erforschen. Vorbei war damit nach 34 Jahren der kilometerlange beschwerliche Weg zu einem der beiden Bahnhöfe Immenreuth oder Kirchenlaibach.

Per Gesetz vom 27. Juli 1874 beschlossen und am 15. Mai 1878 eröffnet, bedeutete schon der Bau der zweigleisigen Hauptstrecke Nürnberg-Marktredwitz eine Zäsur: einerseits Anbindung an das schnellste und leistungsfähigste Verkehrsmittel der Zeit, Arbeit für viele Mauerer, Bauernsöhne und Tagelöhner. Andererseits gravierender Eingriff in die Landschaft, künstliche Grenze zwischen den beiden Ortsteilen. Auch mussten die Haidenaaber und Göppmannsbühler Bürger laut Grundabtretungsvertrag vom 26. Juli 1876 18,04 Tagwerk für 19 421 Mark hergeben. Die Bahn forderte auch ihren Tribut. Ein Eisenbahnarbeiter kam 1877, ein Ablösewärter 1895 ums Leben.

Um eine eigene Haltestelle mit Güterabfertigung am Bahnwärterposten Nummer 37 der Fichtelgebirgsbahn zu bekommen, wurde über 23 Jahre lang bei der Generaldirektion der Königlich-Bayerischen Verkehrsanstalten in München und an den bayerischen Landtag vorgesprochen. Es wurden in konzertierten Aktionen durch die Gemeinden Göppmannsbühl am Berg, Haidenaab, Wirbenz, Kötzersdorf, Kirchenpingarten, Lienlas Eingaben, Bittbriefe, Petitionen verfasst, um zumindest den Halt von sogenannten Lokalzügen zu erreichen, erstmals am 11. Mai 1889. Ihre Verfasser waren überzeugt vom Nutzen, der Wirtschaftlichkeit und der Verbesserung der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und des Tourismus.

Auch Wirbenzer Pfarrer setzte sich ein

Die Eingabe wurde aus Gründen der Kosten, Fahrplanveränderung, mangelnden Streckeneignung ebenso abgelehnt wie die 1899 und 1903. Selbst der Wirbenzer Pfarrer Gruber setzte sich 1904 ein. Es sollte jedoch noch bis zum 15. Dezember 1912 dauern, so Veigl, ehe für Personen, Reisegepäck und Expressgut die Haltestelle endgültig im Fahrplan auftauchte. Auf der Zielgeraden hätte sich die Eröffnung um ein Haar fast noch verzögert, hatte doch das Innenministerium wegen des Doppelnamens der Haltestation Haidenaab-Göppmannsbühl sein Veto eingelegt: dem Amtsschimmel war der Name einfach zu lang. Rund um die Uhr war die im Jahre 1912 in Betrieb genommene Station von einer fünfköpfigen Mannschaft abwechselnd besetzt. Rund 100 Züge passierten werktäglich den Übergang. Für jeden Zug hatte der Bahnwärter das Haus zu verlassen, um per Handkurbel die beiden großen Schranken herabzulassen. Er blieb aus Sicherheitsgründen persönlich dort, bis der Zug passiert hatte, und er den Übergang wieder freigeben konnte.

Die Errichtung der Bahnstation sollte sich bezahlt machen. Nach 1419 Tickets noch in 1912 wurden ein Jahr später 12 474 Fahrkarten verkauft. Noch um die Jahrhundertwende suchten Einwohner von Grafenwöhr den heilkundigen Johann Georg Mayer von Göppmannsbühl am Berg auf. Gäste aus Hof, Marktredwitz, Bayreuth besuchten die Gaststätten.

Ein Stück Geschichte verschwand

Knapp 80 Jahre später, im August 1991, ging mit der Auflassung des Bahnübergangs und dem Abbruch des Bahnwärterhäuschens ein Stück Haidenaaber Bahngeschichte wieder zu Ende. Geblieben ist nur der Haltepunkt. Um die Trennung der beiden eng zusammenliegenden Ortschaften Haidenaab und Göppmannsbühl durch die zweigleisige Bahnlinie ohne Übergang zu überwinden, wurde 1991 eine neue Radfahrer- und Fußgängerunterführung gebaut.

Tod des Prinzregenten trübte Freude

So unspektakulär wie die Auflösung und der Abriss 1991 erfolgte, so unspektakulär war 79 Jahre vorher die Eröffnung vonstattengegangen. Denn so groß die Freude damals bei Jung und Alt über die Errungenschaft war. Groß gefeiert werden konnte der erste Halte- und Ein- beziehungsweise Ausstieg nicht. Drei Tage zuvor, am 12. Dezember 1912, war Prinzregent Luitpold von Bayern (1886-1912) im Alter von 91 Jahren verstorben. Bayern befand sich in Landestrauer. So blieb es bei einer kleinen inoffiziellen Eröffnungsfeier. Der Göppmannsbühler Bürgermeister Karl Porsch und der Haidenaaber Bürgermeister Johann Veigl mitsamt ihren Gemeinderäten trafen sich mit Bürgern an der Bahnstation zu einem Bier. „Jedes Schulkind erhielt drei Würste und Brot“, hatte der damalige Chronist, Lehrer Ignatz Huber, in seinem Notizbuch der Schule Haidenaab vermerkt.

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