Zwischen Existenzangst und Engagement

Von Susanne Will

Schauspieler arbeiten, wenn andere Menschen Feierabend haben. Sie stehen bis spät abends auf der Bühne,  proben an Wochenenden, ihre Verträge sind befristet. 30.000 von ihnen gibt es in Deutschland, 21.000 arbeiten an Theatern. Die Bezahlung für die allermeisten: sehr dürftig. Zum ersten Mal trafen sich jetzt Schauspieler in Bonn, sie fordern mehr Rechte. Die sind wohl bitter nötig, wenn man liest, wie Schauspieler aus der hiesigen Region ihren Berufsalltag schildern – und warum der harte Job für sie nach wie vor ein Traumberuf ist.

 
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Alltag von Schauspielern: Das Konto in den Miesen bis zum nächsten Auftritt

Nadine Badewitz (Bayreuth, 30, Theater: „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ , TV: „Frankentatort – Das Recht, sich zu sorgen“): „Nach der Schauspielschule stand ich im Nichts. Ich hatte das große Glück, dass ich nebenbei bei  Radio Mainwelle angestellt war als Moderatorin. Das war meine Grundabsicherung. Es war schnell klar: Vom Schauspiel alleine kann ich nicht sorgenfrei leben. So habe ich mich entschlossen, mit meiner Familie das Café Heimathafen in Bayreuth zu eröffnen. Damit kann ich flexibel bleiben, was beim Radio ausgeschlossen war. Das Café schafft mir mein bedingungsloses Grundeinkommen. Jetzt kann ich die Dinge machen, in denen ich stark bin, ohne finanzielle Ängste zu erleiden. Ich bin privilegiert. Sich arbeitslos melden zu müssen, ist der blanke Horror. Jedoch ist es bei uns wie in vielen Jobs: Manche sind oben, sie schaffen den Sprung und verdienen extrem gut, was ihnen vergönnt sein soll. Doch für den Rest ist es schwierig – vor allem, wenn er noch eine Familie ernähren muss.“

Quelle: youtube

Karolina Lodyga (Pegnitz, 32, Theaterauftritte unter anderem in Dresden und Berlin, TV: Mörderin in „Frankentatort – das Recht sich zu sorgen“): „Am Theater habe ich im Monat so viel verdient wie beim Fernsehen in zwei Drehtagen. Und am Theater stehst du jeden Tag auf der Bühne. Davon kann man oft nicht leben. Ich habe in der Telenovela „Anna und die Liebe“ mitgemacht, habe mich aber gefragt, ob ich das auf Dauer machen möchte, denn als Schauspieler steckst du ruckzuck in einer Schublade. Ich war ein Jahr lang zuhause, nur um aus diesem Raster rauszufallen. Dabei habe ich mich mit einem bis drei Drehtagen im Monat über Wasser gehalten. Ich musste meine Wohnung kündigen und sehr kleine Brötchen backen, bis ich wieder das machen konnte, was ich wollte – ich liebe diesen Beruf schließlich. Geholfen hat mir dabei mein Verlobter. Es war ein großer Druck damals: Allein für ein Casting willst du ja gut aussehen, hast aber kein Geld für schöne Kleidung. Gott sei Dank darf ich jetzt Filme machen. Ich arbeite im Sommer, da werden wegen der geringeren Kosten die Filme gedreht. Ich muss sehen, dass ich über die Winter komme. Da werden die Low- oder No-Budget-Filme gemacht, denn da haben die guten Leute Zeit, die arbeiten dann für die Kunst. Mit Synchron-Jobs halte ich mich über Wasser. Auf Hilfe vom Arbeitsamt kann man nicht hoffen. Und wenn die Fotos für unsere Agenturen erneuert werden müssen, dann zahlen wir die. Die kosten 1200 Euro, das zahlen wir. Wenn man nicht sehr berühmt ist, ist es schwierig. Aber es lohnt sich. Ich habe jetzt vier Hauptrollen im Jahr. Mehr schafft man fast eh nicht.“

Quelle: BR

Marco Stickel (Hof, 49, Theaterschauspieler mit Engagement am Hofer Theater): „Ich habe auf meiner Homepage einen Imagefilm, den hat ein Absolvent der Hamburger Filmhochschule gedreht. Normalerweise kostet so etwas mindestens  1000 Euro, das Arbeitsamt gibt einem gerade einmal 200 Euro dazu. Seit der Saison 2012/13 bin ich nun in Hof angestellt. Ich hatte Zeiten, in denen ich ziemlich auf dem Hund war. Damals hatte ich ein festes Angebot in Hamburg, so zogen meine damalige Frau und ich samt Kind in die Hansestadt. Doch aufgrund interner Klüngeleien wurde es nichts mit dem Job. Und die anderen Futtertröge in Hamburg waren besetzt. Auf Eigeninitiative hin gründeten wir ein freies Ensemble, das in Thüringen in einem Park im Freien auftrat. In den neun Jahren haben wir vom Land Thüringen einen Zuschuss von höchstens 15.000 Euro erhalten. Aber wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet. Es nutzte aber nichts, wir mussten ans Familiensilber gehen. Wir waren in der glücklichen Lage, zumindest genügend zum Essen zu haben. Es machte damals durchaus einen Unterschied, ob man für zehn oder für 30 Euro einkaufen geht. Seit vier Jahren bin ich nun glücklich in Hof, es konsolidiert sich. Und, ja, ich kann jetzt für 30 Euro einkaufen gehen.“

Quelle: Theater Hof

Ulrike Kitta (35, Pottenstein, 35, Dramaturgin): „Kürzlich wurde die Belegschaft vom E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg nahezu ausgewechselt, mich betraf das auch. Aber ich habe mich sehr bewusst für den Beruf entschieden, das Theater lebt vom Wandel. Natürlich ist das für Freiberufliche schwierig, man muss damit umgehen können. Auch ich habe Existenzängste. Aktuell bin ich arbeitssuchend. Auch wenn es hart klingt: Wer damit nicht umgehen kann, hat nicht den richtigen Job.“

Jan Burdinski (61, Hollfeld, Intendant Fränkischer Theatersommer). Er engagiert freie Schauspieler: „Unsere Schauspieler sorgen dafür, dass sie neben unseren Angeboten zusätzliche Engagements haben. Damit sind sie uns gegenüber nicht verpflichtet, Rechenschaft abzulegen. Wenn sie zu unserem Terminplan Ja sagen und wir sie gut finden, werden sie engagiert. Die schon länger bei uns sind, wissen, dass sie über den Sommer ausgelastet sind und in der Regel davon leben können. Aber sie müssen so planen, dass sie spätestens ab Oktober wieder andere Verpflichtungen haben. Von den allerwenigsten höre ich Klagen. Unsere Schauspieler schaffen es mit viel Durchhaltekraft, dass sie sich freiberuflich durchschlagen. Es ist hart,  ja. Aber für alle Etagen in unserem Theater. Wir wissen, dass es nur durch die Kraft der Begeisterung zu meistern ist.“

Michael Lerchenberg (63, Intendant der Luisenburg-Festspiele): „Voranschicken muss ich: Ich hatte immer Glück. Von den 30.000 Schauspieler in Deutschland verdienen fünf Prozent sehr gut. Aber auch die verdienen das nicht 30 Jahre am Stück. Und ich muss sagen, dass wir ein gesegnetes Theater-System in Deutschland haben, in Amerika müssen die Kollegen kellnern. Aber ich kenne es: Wenn man als Schauspieler drei Monate kein Angebot bekommt, wird man nervös. Dann klingelt das Telefon – und plötzlich hat man drei Angebote gleichzeitig. Ich bange mit den Jungen, ich möchte heute nicht mehr als junger Schauspieler anfangen müssen. Ich bekomme als Intendant jedes Jahr einen Leitzordner, in dem 350 Schicksale junger Kollegen liegen. Zu meiner Zeit, als Absolvent der Otto-Falckenberg-Schule, war die Schule allein schon eine Jobgarantie. Jetzt kommen aber so viele von diesen Schulen, dass die Konkurrenz immens hoch ist. Und jeder Bühnenarbeiter lacht sich beim Mindestlohn von 1650 Euro brutto tot.“

Quelle: BR

 

 

 

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