"Zu Hause hatten wir ein Problem"

Von Renate Allwicher
Ali und Amir sind glücklich, ihren christlichen Glauben in Deutschland leben zu dürfen. In seiner Heimat könnte Ali, Fotograf der gerne malt, solche ein Bild nicht mit sich herumtragen. Amir ist vor allem glücklich, gerade die Schlüssel für seine eigene Wohnung bekommen zu haben. Foto: Renate Allwicher Foto: red

Was für ein Glück, entkommen zu sein! Angekommen in einem sicheren Land. Und was für ein Unglück, fern der Heimat zu sein! Weit weg von Familie, Freunden, Traditionen und einer Welt in der die eigene Sprache gesprochen wird. Für die Kurier-Adventsserie zum Thema Glück berichten zwei Iraner von ihrer Flucht und darüber, was für sie das Glück in Bayreuth in Deutschland ausmacht.

 
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Amir (45)und Ali (22) sind vor etwa neun Monaten in Deutschland angekommen. Beide hatten eine Flucht hinter sich, wie sie im Buche steht. Obwohl sie getrennt voneinander unterwegs waren und obwohl auf der Flucht jeder seine ganz eigenen Erfahrungen macht, ähneln sich ihre Geschichten im Rückblick: Fußmärsche in unbekanntem Terrain, die Bootsfahrt, ganz auf sich allein gestellt, zu einer griechischen Insel – „ich war der Kapitän auf meinem Boot“(Ali) – „ich habe 1100 Dollar bezahlt“ (Amir) – „ja, ich auch in etwa“ (Ali),– gefolgt von tagelangen Busfahrten für viele hundert Euro. Eine Flucht ist teuer und gefährlich und glücklich ist der, der sie gut übersteht.

Christen, die einst Muslime waren, sind rechtlos

Beide hatten zudem das Glück, dass ihr Asylantrag angenommen wurde – eine  Sorge, die sich kein Mensch macht, der sich auf die Flucht begibt, weil er um sein Leben fürchtet. Genau das war im Iran der Fall. Denn wer im Iran einst Moslem war, aber lieber Christ sein möchte, lebt gefährlich. Dabei hat das Christentum im Iran eine sehr lange Geschichte, es gründet aus den sehr frühen Jahren des Glaubens und im Grunde ist es auch immer noch als Minderheitenreligion anerkannt. Seit der Islamischen Revolution 1979 sind die Christen allerdings dem islamischen Recht unterworfen, weshalb viele das Land verließen. Völlig rechtlos sind Christen, die früher Muslime waren, sowie deren Nachkommen. Muslime, die zum Christentum übertreten, können hingerichtet werden. Deshalb flohen Ali und Amir.

"Das nächste Mal töten wir dich"

Ali ist schon lange Christ, schon seit über 16 Jahren, erzählt er. Amir, der schon besser Deutsch spricht, übersetzt. Alis Onkel arbeitet in einer der geheimen christlichen Gemeinden -  Gemeinden, die sich in privaten Wohnungen treffen oder zu Gesprächen im Park. Durch den Onkel kam Ali dazu und er blieb. Als er allerdings zum wiederholten Male dort erwischt wurde, bekam er die Warnung: „Das nächste Mal töten wir dich.“ Sein Anlass zur Flucht.

Bei Amir waren die Abläufe rasanter. Ein Freund von ihm ist Christ. „Mit dem habe ich viel darüber gesprochen und habe mich immer mehr dafür interessiert“, berichtet er. Er wollte auch dazugehören – was eine Weile gutging. Seine Eltern hätten ihn zwar gerne wieder als Moslem gesehen. „Aber sie sind sehr open-minded, sehr offen, sie konnten das aushalten“, erzählt Amir und rutscht beim Erzählen immer mal wieder ins Englische. Dann allerdings fand der Vater eines Freundes bei seinem Sohn eine Bibel mit Widmung von Amir. „Und der Vater war Mitglied der Religionspolizei“, erzählt er. Amir bekam einen warnenden Anruf seines Freundes. „Dann musste ich sehr schnell run-away – was heißt das nochmal auf Deutsch? Weglaufen?" - "Fliehen!“

Das Glück, sich taufen lassen zu können

Ali, von Beruf Fotograf,  wollte nach Deutschland, von dem er viel Gutes gehört hatte, unser Land war das erklärte Ziel seiner Flucht. Anders bei Amir: „Ich wollte eigentlich nach England, weil ich gut Englisch spreche.“ Der Zufall und die Regeln des EU-Asylrechts halten ihn jedoch in Deutschland und er ist nun dennoch glücklich damit. „Aber die Sprache zu lernen, das war schon schwierig“, sagt er. Die Sprache, die andere Kultur, das Leben in Gemeinschaftsunterkünften, die Suche nach einer eigenen Wohnung – leicht ist das alles nicht. Trotzdem sind beide nicht unglücklich, fern der Heimat zu sein. „Zu Hause hatten wir ein Problem“, sagt Ali.

Als Glück empfinden sie zunächst einmal, dass sie sich hier taufen lassen konnten. Sie gehören zu der Gruppe iranischer Flüchtlinge, die der Friedenskirchengemeinde angehören (der Kurier berichtete). Noch immer staunen Sie darüber, die Bibel jetzt als Buch in Händen zu halten und nicht mehr in Form heimlich weitergereichter einzelner Seiten – oder als Textauszug, aufs Handy geschickt.

Typisch deutsch ist auch mal richtig gut

Als Glück empfinden aber vor allem gerade das, was uns Deutschen oft als (furchtbar) typisch angekreidet wird. Die Pünktlichkeit, die auch Verlässlichkeit bedeutet. Dass es gerechte Gesetze gibt und, noch wichtiger, dass sich fast alle daran halten.

Beide haben nun für mindestens drei Jahre ein Aufenthaltsrecht in Deutschland, sie dürfen arbeiten, studieren und wohnen, wo sie wollen. Eine eigene Wohnung zu finden, ist als Ausländer aber gar nicht einfach, berichten die beiden. Ali sucht noch, Amir hatte schon Glück.

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