Zauber auf Plastik-Eis

Von Frank Piontek

Echteis war gestern. Heute ist Kunststoff – aber es ist erstaunlich, mit welcher Eleganz die Tänzer auf ihren Kufen über den trockenen Boden gleiten, über dem eine zarte Nebelschicht liegt. "Russian Circus on Ice" in der Oberfrankenhalle ist auch ein wenig Magie.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der russische Zirkus auf dem Eis ist eine altehrwürdige Veranstaltung. Schon seit 1964 existiert diese Kunstgattung: als Variante der Revue und des Varietés, weniger des artistisch anspruchsvollen, lebensgefährlichen Zirkus, wie er kürzlich in Gestalt von Roncalli in Bayreuth gastierte.

Obwohl: poetische Elemente hat der eine wie der andere Zirkus. Nur können die Tänzer und Dahingleiter auf der weißen Fläche zeigen, dass sie mehr oder weniger in der Disziplin des Klassischen Balletts ausgebildet wurden und als Eiskunstläufer vielleicht manch Wettbewerb gewannen. Richtig schön wird es denn auch, wenn Clara und ihr Märchenprinz zu Tschaikowskys göttlicher Musik über der Bühne schweben: quasi dicht unter der Kuppel des Zirkuszelts, die wir uns in der sachlichen Oberfrankenhalle vorstellen müssen.

Zauberei mit circensischen Einlagen

Was wir sehen, ist ein wenig Zauberei, ist Eiskunstlauf mit circensischen Einlagen, sind Discoballette in Neon und musikalische Clownsnummern, die an der Perlenschnur mehrerer größerer Geschichten aufgereiht werden. Das Ganze ist durchaus kindgerecht, und dies auch, weil die Weihnachtsgeschichte vom Nussknacker immer noch die Augen glänzen macht. Wenn das „Hohe Paar“ zu schweben beginnt, beginnt die Rührung auch bei den großen Zuschauern, mag auch die Arbeit unter der imaginären Zirkuskuppel eher gymnastisch als spektakulär in Szene gesetzt werden. So werden die kleinen Glanznummern den Geschichten von Alice im Wunderland, der Schneekönigin und einer Zirkusprinzessin (die nichts mit Kálmáns Operette zu tun hat) wie Glitzersteine aufgesetzt.

Mit dem Walkürenritt in die Winterwelt

Die Schneeflocken, natürlich die hübschen Frauen der Compagnie, die auf die Namen Anastasia, Anna und Alena hören, marschieren, das ist in Bayreuth schön befremdend, mit dem Walkürenritt in die Winterwelt. Die Schneekönigin umgarnt den Kai mit Stelzenkufen, und plötzlich bricht eine zehnminütige Piratentanznummer im „Fluch der Karibik“-Outfit in Andersens Märchen hinein: mit massenhaftem Seilhüpfen. Die Unbekümmertheit der künstlerischen Leitung (Julia Plashinskaja und Alexander Plashinskiy) gegenüber einer stringenten Dramaturgie legitimiert sich aus dem Divertissement-Charakter der klassischen Revue: erlaubt ist, was gefällt – dies war ja schon im „Schwanensee“ der Fall.

Surreales Spiel

Und so gefallen die Jonglage der Königin im Wunderland und die naiven wie schönen aufmarschierenden Schachfiguren, es gefallen die feschen Einradfahrer und Damen in glitzernd aufgeputzten Kostümen von anno 1820, und es begeistert zuletzt das futuristische Varieté der Männer im Schwarzlicht, die mit Riesenkuben surreal spielen. Das Bild wird vielleicht bleiben – mehr noch aber das zauberhaft schwebende Liebespaar, dicht unter der unsichtbaren Kuppel.

Echteis war gestern? Aber wer braucht bei diesen Bildern schon Echteis?

Bilder