Bayreuth: Das Problem mit freiem WLAN

Von K. Fritzsche und M. Fischer
 Foto: red

In Nordamerika und in vielen europäischen Ländern sind freie WLAN-Netze gang und gäbe. Anders in Deutschland - und unter den Deutschen Städten zählt Bayreuth auch nicht gerade zu den Vorreitern. Die Stadtverwaltung lässt derzeit prüfen, ob da nicht doch was machbar ist. Wir erklären, welche finanziellen und auch rechtlichen Hürden es gibt und zeigen, an welchen Standorte man bereits ohne mobiles Datenkontingent kostenlos surfen kann.

 
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Wie Anita Gavranovic vor dem Neuen Schloss sitzen und per WLAN kostenfrei im Internet surfen, das ist bereits möglich. Der Hotspot am Neuen Schloss ist einer von 10.000, die Finanzminister Markus Söder bis 2020 für Bayern versprochen hat.

Will man aber im Gassenviertel oder an der Eremitage einen ebensolchen Service nutzen: Fehlanzeige. Dabei sind diese Orte nicht nur bei Einheimischen, sondern auch bei Touristen beliebt. Mit einem Klick wären sie informiert über die Sehenswürdigkeiten Bayreuths - Image-Gewinn für die Stadt nicht ausgeschlossen. Was spricht also dagegen?

Die Nachfrage ist da: 40.000 Nutzer haben sich 2015 in einen der acht Hotspots eingeloggt, die Vodafone in Bayreuth anbietet, macht durchschnittlich etwa 110 pro Tag. Die beliebtesten WLAN-Hotspots von Vodafone liegen an der Ecke Hohenzollernring/Hindenburgstraße und in der Maximilianstraße auf Höhe der Hausnummer 15. Nutzer können die Hotspots täglich 30 Minuten kostenlos nutzen. Wer länger surfen möchte, muss bezahlen.

 

An diesen Standorten können Sie auch ohne mobiles Datenvolumen surfen. Lila gekennzeichnete Hotspots sind kostenlos, grün gekennzeichnete teilweise kostenlos und rot gekennzeichnete kostenpflichtig. Sie kennen weitere Hotspots in Bayreuth und der Region? Dann schreiben Sie und gerne eine Mail an onlineredaktion@nordbayerischer-kurier.de.

Kostenpflichtig ist auch die Nutzung der zwölf Hotspots der Firma TMT in Bayreuth. Auch in Bad Berneck, Pegnitz und Hollfeld sind Hotspots von TMT eingerichtet. Die ersten gab es bereits 2006. TMT würde das Netz gerne ausweiten, möglicherweise auch in Kooperation. "Wir sind immer wieder in Gesprächen mit Partnern, die WLAN für ihre Kunden oder auch völlig frei anbieten wollen", sagt Projektmanager Heiko Popp. Jedoch: Nicht alle Standorte seien für einen Hotspot geeignet: "Grundsätzlich muss schon eine Netzanbindung in guter Bandbreite vorhanden sein" - gerade im ländlichen Raum oft Wunschdenken.

Und dann der finanzielle Aspekt: Popp kann verstehen, wenn Kommunen finanzielle Bedenken haben. "Gerade im öffentlichen Bereich sind die Investitionen oft nicht ohne Unterstützung oder Förderung zu tätigen, weil man ja mit freiem WLAN keine Einnahmen generiert." Kooperationsmodelle mit Zuschüssen wie in Pforzheim, das als erste Stadt in Deutschland seit Juni 2014 flächendeckend freies WLAN anbietet, könnten eine Option sein.

Stadt denkt über Netz nach

Darüber denken auch die Verantwortlichen bei der Stadt Bayreuth nach. "Grundsätzlich handelt es sich um ein wichtiges Thema der Standortqualität. Die städtische Wirtschaftsförderung prüft daher derzeit Möglichkeiten, gegebenenfalls mit Hilfe staatlicher Zuschüsse weitere Verbesserungen einer kostenlosen WLAN-Infrastruktur in Bayreuth zu erreichen", teilt Pressesprecher Joachim Oppold auf Nachfrage mit. Kostenfreies WLAN der Stadt gibt es derzeit im RW21 und in der Meldestelle im Rathaus.

WLAN im öffentlichen Nahverkehr

Augsburg ist schon einen Schritt weiter. Dort gibt es seit Herbst 2015 in einigen Bussen und Straßenbahnen freies WLAN. Bis Ende Mai soll das Netz sogar auf alle Fahrzeuge ausgeweitet sein, denn die Erfahrungen damit seien äußerst positiv, sagt Jürgen Fergg, Pressesprecher der Augsburger Stadtwerke. "Von den Zugriffszahlen sind wir sehr überrascht. Sie lagen deutlich höher als zunächst angenommen. Für uns ist das ein zusätzlicher Service für unsere Fahrgäste. Smartphone-Nutzer können so auch die Fahrtzeit zur Information nutzen - etwa auch über unsere Fahrinfo-App mit Abfahrtszeiten in Echtzeit." Die Kosten lägen bei Bussen bei rund 1.500, bei Straßenbahnen bei etwa 2.000 Euro pro Fahrzeug, zuzüglich Verbindungskosten.

In Bayreuth ist dies (noch) undenkbar: "Ein flächendeckendes Netzwerk im Nahverkehr anzubieten, ist aus wirtschaftlicher Sicht momentan nicht interessant", erklärt Jan Koch, Sprecher der Stadtwerke.

Erfolg: Image-Gewinn

In der Tat seien die Kosten verhältnismäßig hoch, geben auch die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) zu. Die VHH ist in Deutschland Pionier in Sachen freies WLAN in Bussen. Seit 2012 kann man in 25 Bussen kostenfrei mobil surfen. Aber, so ist man sich bei der VHH sicher: Das Angebot zahlt sich auf andere Weise aus. Kundenbindung und -zufriedenheit seien extrem hoch, ein gutes Service-Angebot zahle auf Marke und Image ein. Dazu gehört auch, dass die VHH in vielen Bussen ein Bücherregal von Kunden für Kunden eingerichtet hat. Fahrende öffentliche Bücherschränke.

Viele kleine Firmen oder auch Privatpersonen, die freies WLAN anbieten möchten, schrecken nicht nur vor den Kosten zurück, sondern auch vor möglichen rechtlichen Problemen. Anders als beispielsweise TMT als sogenannter Accessprovider gilt für Privatpersonen - und damit auch für Betreiber eines Cafés oder einer kleinen Firma - die Regelung der Störerhaftung. Das bedeutet: Im Extremfall müssen Anbieter von öffentlich zugänglichen WLAN-Hotspots damit rechnen, dass sie für eine Straftat (mit-)verantwortlich gemacht werden, die jemand über ihren Netzzugang verübt hat. Beispielsweise, wenn jemand über ihr Netzwerk illegal Musik oder kinderpornografische Inhalte herunterlädt. Ein Gesetzesentwurf, der das ändern sollte, kommt seit Monaten nicht voran.

Zwei-Klassen-Informationsgesellschaft?

Aber braucht man denn unbedingt flächendeckendes WLAN, wenn mittlerweile fast jeder über großes Datenvolumen für sein Smartphone oder Tablet verfügt? Für Netz-Aktivisten wie Freifunk ist das inzwischen eine höchst politische Angelegenheit. Informationsfreiheit und damit auch technisch freier Zugang zu Informationen sei ein Menschenrecht, argumentieren sie. Und auch wenn Handy-Verträge mit hohen Datenvolumen immer billiger werden: Nicht jeder könne sich das leisten, und so entstehe bei der Digitalisierung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.

 

Hintergrund: Das bedeutet Störerhaftung

(kfe). Viele potenzielle Anbieter von WLAN-Hotspots, etwa Cafés, Vereine oder auch Privatpersonen, haben Angst, wegen der sogenannten Störerhaftung belangt zu werden. In Deutschland ist trotz langer Diskussion die Haftung für Gesetzesverstöße in einem öffentlich zugänglichen WLAN-Netz bislang nicht klar geregelt. Im Telemediengesetz ist zwar festgelegt, dass Internetprovider wie die Telekom nicht dafür geradestehen müssen, wenn ihre Kunden im Netz illegale Dinge tun. Für Privatleute greift diese Regelung jedoch nicht.

Einen Gesetzesentwurf mit einer entsprechenden Änderung hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht. Um ihn wird aber immer noch gerungen; eine zweite und dritte Lesung im Bundestag wurde wieder und wieder verschoben. Viele Experten und auch der Handelsverband Deutschland sind der Meinung, der Entwurf mache die Sache sogar noch schlimmer, verhindere gerade bei mittelständischen Unternehmen Wettbewerb und Kundenbindung.

Der Arbeitskreis Urheberrecht im Bundestag äußerte: "Der Vorschlag zur Neufassung des Paragrafen acht des Telemediengesetzes führt unbestimmte Rechtsbegriffe ein, schafft daher nicht die angestrebte Rechtssicherheit und wird im Ergebnis nicht zu mehr, sondern zu weniger offenen WLAN-Angeboten führen."

UPDATE 11.05.2016, 10.15 Uhr: Nach einem zähen Streit haben sich Union und SPD auf ein neues WLAN-Gesetz geeinigt: Die allseits ungeliebte Störerhaftung fällt nach Spiegel-Online-Informationen weg - der Weg für offene Hotspots ist frei.

 

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