OLG-Vize Tschanett äußert sich in Kurier-Interview zur Karlsruher Entscheidung Wie kommt Mollath an Entschädigung?

Von Elmar Schatz
Gustl Mollath posiert in Nürnberg mit einem Hut in der Hand. Foto: dpa Foto: red

Welche Voraussetzung muss erfüllt sein, damit Gustl Mollath Entschädigung bekommt? Im Kurier-Interview antwortet Ernst Tschanett, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Bamberg, auch auf diese Frage.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Welcher Weg führt für Gustl Mollath zu Schadenersatz?
Ernst Tschanett: Die Entschädigung für Urteilsfolgen ist im Gesetz für die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen geregelt. Voraussetzung für eine Entschädigung ist, dass die Verurteilung im Wiederaufnahmeverfahren fortfällt oder gemildert wird. Über die Verpflichtung des Staates zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil, das das Verfahren abschließt. Es hängt also alles vom Ergebnis des Wiederaufnahmeverfahrens ab, das derzeit völlig offen ist.

Ist der Spruch des Bundesverfassungsgerichts nicht eine Schelte für Bayreuther und Bamberger Richter?
Tschanett: Natürlich ist es bedauerlich, dass die Entscheidungen des Landgerichts (Bayreuth) und des Oberlandesgerichts (Bamberg) von den Verfassungsrichtern als grundrechtsverletzend bewertet wurden. Daran kann keinem Gericht gelegen sein. Es gehört aber zu den bewährten Mechanismen des Rechtsstaats, wenn Gerichtsentscheidungen von einem übergeordneten Gericht überprüft und gegebenenfalls beanstandet werden. Nichts anderes ist hier geschehen, das hat man zu respektieren und das tun wir auch. Von „Schelte“, „Klatsche“ oder gar einem „Tiefpunkt“ für die gesamte bayerische Justiz als solche zu sprechen, wie dies in einigen Medien der Fall war, halte ich bei allem Respekt vor der verfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht für angemessen.

Worum ging es dem Verfassungsgericht?
Tschanett: Übersehen wird, dass das Verfassungsgericht in erster Linie einen unzureichenden Begründungsinhalt der angegriffenen Entscheidungen – nicht das Ergebnis als solches – beanstandet hat. Übersehen wird auch, dass diese Entscheidungen aus 2011 datieren. Die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 16. Juli 2013 hat aber gerade die vom Verfassungsgericht ins Feld geführten Kriterien zum Anlass genommen, den letzten Beschluss des Landgerichts über die Fortdauer der Unterbringung aufzuheben, geht also genau in die Richtung, die vom Bundesverfassungsgericht eingeschlagen wurde.

Welche Konsequenzen hat die Karlsruher Entscheidung für die angesprochenen Richter in Bayreuth und Bamberg persönlich, gibt es Sanktionen, wenn sie wirklich Fehler gemacht haben?
Tschanett: Wo Menschen Entscheidungen treffen, werden Fehler gemacht. Für die Fehlerkontrolle gerichtlicher Entscheidungen gibt es den Instanzenzug. Gerade im juristischen Bereich hängt vieles von Sichtweisen und Wertungen ab, die in den verschiedenen Instanzen unterschiedlich ausfallen können, ohne dass es ein absolutes Richtig oder Falsch gibt. Solange ein Richter seine Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen trifft, muss er sich darauf verlassen können, dass es bei einer Fehlerkorrektur durch übergeordnete Gerichte verbleibt. Anderenfalls könnte niemand riskieren, überhaupt noch Urteile zu fällen, und das kann nicht im Interesse eines funktionierenden Rechtsstaats sein.

Die Gerichte hätten die Prognose über die Gefährlichkeit Mollaths Gutachtern überlassen und keine eigenen Entscheidungen getroffen, heißt es aus Karlsruhe. Worauf sollten sich die Richter sonst stützen?
Tschanett: In medizinischen Fragen sind die Gerichte auf die Erkenntnisse von Sachverständigen als tatsächliche Grundlage ihrer rechtlichen Entscheidung schlichtweg angewiesen. Sie müssen letztendlich aber eine eigene Entscheidung treffen. Auch im vorliegenden Fall wurden sämtliche Entscheidungen auf der Basis von und in Einklang mit psychiatrischen Sachverständigengutachten getroffen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts sollte uns Richter dazu veranlassen, künftig noch genauer herauszuarbeiten, dass ein Gutachten nur eine Tatsachengrundlage für eine Entscheidung ist, nicht jedoch die Entscheidung selbst.

Das Wiederaufnahmeverfahren liegt in Regensburg, was könnte Bayreuth oder Bamberg im Nachhinein tun?
Tschanett: Das Oberlandesgericht Bamberg wird sich der Sache, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, nochmals annehmen. Welche Art von Entscheidung ergehen wird, ist derzeit allerdings noch offen, nachdem das Vollstreckungsverfahren durch die angeordnete Wiederaufnahme und die Entlassung des Herrn Mollath erledigt ist. Im Übrigen verbleibt es beim Wiederaufnahmeverfahren in Regensburg, weshalb ein weiteres Tätigwerden der Gerichte in Bayreuth und Bamberg nicht veranlasst ist.

Bilder