Gehälter in Deutschland: Eine Spurensuche in den Statistiken Wer verdient eigentlich wie viel?

Von Michael Deppisch
 Foto: red

Schweigen ist Gold, zumindest beim Geld. Man spricht nicht gern darüber, wer eigentlich was verdient. Die Zurückhaltung der Deutschen in dieser so wichtigen Frage zeigt sich auch bei Stellenanzeigen: Gesucht werden Mitarbeiter mit vielfältigen Qualifikationen für anspruchsvolle Aufgaben nur die entscheidende Zahl, was das dem Arbeitgeber wert ist, die fehlt.

 
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Ganz anders in den USA. Da ist der zu erwartende Verdienst die wichtigste Information. So spielen in der öffentlichen Diskussion in Deutschland meist nur die Millioneneinkommen der Fußballprofis oder Dax-Vorstände eine (durchaus auch neidbesetzte) Rolle. Über die Einkommen ganz normaler Arbeitnehmer jedoch spricht man nicht.

Sehen wir uns die Mitte der Gesellschaft an, das sind gefühlt die Arbeitnehmer mit Tarifeinkommen. Etwa 19 Millionen der gut 42 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland fallen in diese Kategorie. Neben ihnen gibt es Angestellte ohne Tarifvertrag oder mit frei verhandelten Gehältern, Unternehmer, Selbstständige, Freiberufler, Beamte oder den stark gewachsenen Niedriglohnsektor.

Tarifbindung lohnt sich: In der Industrie etwa verdienen Arbeitnehmer in Unternehmen mit Tarifbindung deutlich mehr als ihre Kollegen in Betrieben ohne Tarifbindungen. Das hat jetzt eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion ergeben. Der Abstand lag im Jahr 2010 bei immerhin 21,2 Prozent. Was aber wird denn nun in der Industrie verdient? Nehmen wir die Metall- und Elektroindustrie in Bayern. Hier beginnt die Spanne mit der Entgeltgruppe (ET) 1 bei 2122 Euro brutto im Monat und endet bei ET 12 mit 5146 Euro. Damit sind die Bayern nicht Spitze: In Baden-Württemberg reicht der Tarifvertrag bis zur Entgeltgruppe 17 (5344,50 Euro) das verdient etwa ein Ingenieur mit reichlich Berufserfahrung. Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sind dabei nicht berücksichtigt.

Über 50 000 Tarifverträge 
in Deutschland

Es zeigt sich: Die deutsche Tarifwelt ist detailliert geregelt und für Außenstehende kaum zu durchblicken. Je nach Bundesland (wichtig immer noch die Unterscheidung Ost oder West), Wirtschaftszweig, Branche, Tarifpartner, Einstufung, Qualifikation, Schulabschluss, Lebensalter oder Berufsjahren ergeben sich schier endlos viele Möglichkeiten für die Höhe des individuellen Einkommens. Das Archiv der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung listet Tausende von Tarifverträgen auf. Es ist nicht leicht, für einen bestimmten Beruf das entsprechende Gehalt zu finden. Das räumt auch Frank Firsching ein. Der unterfränkische Bezirkschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) spricht von bundesweit über 50 000 Tarifverträgen.

Aber was verdienen die Deutschen denn nun? Das Statistische Bundesamt sagt: exakt 3527 Euro. So hoch lag 2014 das durchschnittliche Bruttoeinkommen vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, Männer bekamen 3728 Euro, Frauen 3075 Euro. Eine Differenz, auf die wir noch eingehen werden. An diesen Werten kann sich also jeder messen: Verdiene ich mehr oder verdiene ich weniger?

Doch wie wird in den unterschiedlichen Branchen und Berufen bezahlt? Auch hier helfen die Bundesstatistiker. Die Spanne der Bruttomonatseinkommen reicht von 2134 Euro im Gastgewerbe bis zu 4771 Euro in der Finanz- und Versicherungsbranche. Unterhält man sich mit Gewerkschaftern, ist die genannte Bandbreite der tatsächlichen Tarifeinkommen der Deutschen deutlich größer: Sie reicht von rund 1500 Euro das entspricht in etwa einem Bruttomonatsverdienst bei Mindestlohn bis rund 6000 Euro auf der obersten Sprosse der Tarifleiter.

Doch was ist ein gerechter Verdienst für eine bestimmte Leistung? Die Arbeitswelt ist in den vergangenen Jahren unübersichtlicher, komplexer geworden. Und so trat 2007 das sogenannte Verdienststatistikgesetz in Kraft und löste das bis dahin gültige Lohnstatistikgesetz ab und mit ihm die alte Unterscheidung in Arbeiter und Angestellte. In einer vierteljährlichen Erhebung wird nun der Bruttoverdienst aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erfasst. Durchschnittlich verdienten Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor in Bayern im vierten Quartal vergangenen Jahres demnach immerhin 3724 Euro brutto im Monat. Wieder so ein Durchschnittswert, der eigentlich nicht wirklich etwas aussagt.

Fünf-Klassen-Gesellschaft
 bei Arbeitnehmern

Daher gibt es auch branchen- und berufsübergreifend fünf Leistungsgruppen von Führungskräften bis zu ungelernten Arbeitnehmern mit einfachen Tätigkeiten. Diese Fünfklassengesellschaft bei den Verdiensten hat vor allem am oberen Ende einen heftigen Ausreißer: Denn in der Leistungsgruppe 1 (LG 1) sind auch angestellte Führungskräfte bis hin zum Geschäftsführer versammelt (wenn das Einkommen zumindest teilweise erfolgsunabhängige Zahlungen enthält). Daher fließen hier auch weitaus höhere Einkommen in die Statistik mit ein. Das bestätigt uns Karl-Heinz Merkle vom Landesamt für Statistik in Bayern, eine genaue Aufschlüsselung dieses Effekts gebe es jedoch nicht. Und so haben Männer im produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungsbereich im Freistaat in der LG 1 ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen von 7118 Euro. Mit Sonderzahlungen sind es sogar 8625 Euro. Die Frauen liegen mit 5717 Euro beziehungsweise 6769 Euro weit hinter ihren männlichen Kollegen. Grund: Es gibt offenbar deutlich weniger Managerinnen.

In der Leistungsgruppe 2 finden sich Arbeitnehmer mit komplexen Tätigkeiten, für die spezielle Fachkenntnisse und Berufserfahrung nötig sind. In diese Gruppe gehören auch Mitarbeiter mit Dispositions- und Führungsaufgaben (etwa Meister). Bruttoverdienst hier (ohne Sonderzahlungen): 4355 Euro im Monat (Männer: 4530 Euro; Frauen: 3908 Euro). Die Die LG 3 meint dann etwa den klassischen Facharbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung, Verdienst hier: 3054 Euro (Männer: 3172 Euro; Frauen: 2795 Euro). In der LG 4 sind angelernte Arbeitnehmer mit besonderen Kenntnissen berücksichtigt, ihr Verdienst: 2549 Euro (Männer: 2669 Euro, Frauen: 2233 Euro). In die LG 5 schließlich fallen ungelernte Arbeitnehmer mit einfachen Tätigkeiten, Verdienst hier: 2083 Euro, Männer: 2128 Euro, Frauen: 2014 Euro). Der Abstand zwischen Männern und Frauen schmilzt also wenn weniger verdient wird.

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