Wenn Eltern den Psychiater brauchen

Von Peter Rauscher
Wenn Eltern unter ihren Belastungen zusammenzubrechen drohen, hilft er: Dr. Johannes Kornacher, Oberarzt am Depressionszentrum des Bezirkskrankenhauses in Bayreuth. Foto: Archiv/Andreas Harbach Foto: red

Ein Vatertag an diesem Donnerstag für den Papa, ein Muttertag am Sonntag für die Mama - und oft genug war's das dann wieder fürs ganze Jahr mit dem Dankesagen. Wie aber werden Eltern selber fertig mit den täglichen Belastungen - oder später mit dem plötzlichen Wegfall ihrer Erzieherrolle? Manchmal nur mit ärztlicher Hilfe, sagt Dr. Johannes Kornacher, Oberarzt am Depressionszentrum des Bezirkskrankenhauses Bayreuth.

 
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Haben es Eltern heute schwerer als frühere Elterngenerationen?

Johannes Kornacher: Die Probleme sind heute andere. Früher stand für Eltern die materielle Not im Vordergrund. Jetzt ist die Umwelt komplex geworden und stellt dadurch hohe Ansprüche. Diese Ansprüche  werden zum großen Teil geweckt durch die Allgegenwärtigkeit von Medien im Leben. Werbung weckt gezielt hohe Erwartungen, weckt Bedürfnisse bei Eltern und auch schon bei kleinen Kindern. Persönlichkeitsentwicklung geschieht zum Teil außerhalb von Elternhaus und Schule, zum Beispiel in sozialen Medien.

Wie sollen Eltern damit umgehen, wenn Kinder vieles nur deshalb wollen, weil ihnen die Werbung das einredet und weil die anderen das auch haben oder machen?

Kornacher: Entscheidend für Kinder sind Vorbilder, vor allem die der Eltern. Schwierig wird es, wenn diese das Alles-haben-wollen selber vorleben. Eltern, denen vorrangig daran gelegen ist sich selber zu verwirklichen,  geben negative Vorbilder ab. Wenn Eltern immer weniger Zeit für ihre Kinder haben und ihnen stattdessen Medien vorsetzen, damit die Kinder beschäftigt sind, führt das zu Beziehungslosigkeit und beeinträchtigt in der Konsequenz die Persönlichkeitsentwicklung.

Der Trend geht bei uns zur Verstaatlichung von Erziehung durch Kinderbetreuung möglichst früh und möglichst lange. Ist das gut oder schlecht für Eltern und Kinder?

Kornacher: Ich sehe das kritisch. Zum einen bietet das neue Möglichkeiten der Unterstützung. Andererseits sollte das aber niemals die Zeit der Eltern für ihre Kinder ersetzen. Die Schule darf nicht das reparieren müssen, was im Elternhaus versäumt wurde. Erziehung heißt immer: sich Zeit nehmen für die Kinder. Dass die Eltern durch „Entlastung“ von der Kinderbetreuung nur noch mehr zur Verfügungsmasse der Wirtschaft werden, wäre ein Irrweg.

Welche Eltern suchen Hilfe in  der Psychiatrie?

Kornacher: Das sind zum einen jüngere Erwachsene, die überlastet oder erschöpft und in der Folge psychisch krank geworden sind. Auf die Depressionsstation kommen gelegentlich depressive Mütter unmittelbar nach der Entbindung, vor allem aber Eltern ab 40, die ihre erwachsen werdenden Kinder wieder loslassen müssen. Meistens sind es Mütter, die sich zu stark mit ihrer Mutterrolle identifiziert haben und einen notwendigen Rollenwechsel emotional nicht bewältigen können. Sie fühlen sich nicht mehr so gebraucht.

Was empfehlen sie diesen Patienten?

Kornacher: Andere Möglichkeiten zu betrachten, die das Leben bietet. Die Freiheit wiederzuentdecken, etwas selbst zu gestalten, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Sich beispielsweise wieder mehr dem Partner widmen, Freundschaften neu beleben, Hobbys nachgehen oder Ehrenämter annehmen. Auch das kann sehr erfüllend sein.

Was sind Alarmsignale für Überlastung und Erschöpfung, nach denen ein Arztbesuch ratsam wäre?

Kornacher: Wenn man merkt, dass die normalen Erholungszeiten am Abend und im Urlaub nicht mehr ausreichen. Wenn man nicht schlafen kann oder nach dem Schlaf immer noch erschöpft aufwacht. Und wenn man merkt, dass man sich im Wesen verändert und immer aggressiver wird, womöglich sogar Gewalt ins Spiel kommt. Das ist oft ein Zeichen für Überforderung.

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