Wenn der Wolf kommt: Hunde helfen

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Vier Pyrenäenberghunde sorgen für Schutz in der Mutterkuhherde in Schrenkersberg. Rinderzüchter Norbert Böhmer und Hundetrainerin Jennifer Gambietz haben das Projekt gemeinsam initiiert. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Vier weiße, zottelige Hunde sollen ihn in die Schranken weisen, den Wolf, der Rinderzüchter Norbert Böhmer aus Schrenkersberg seit einigen Jahren das Leben schwer macht. Ein Kalb wurde gerissen, das war 2008, vier weitere, die nachts auf der Weide geboren wurden, sind verschwunden. Vier französische Pyrenäenberghunde leben jetzt mit in der Rinderherde. Als Rudel im Kampf gegen die eigenen Ahnen, die Wölfe, die offenbar ihr früheres Territorium zurückerobern. In den Wäldern rund um Plankenfels.

 
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Nur: Hier hat sich in den letzten 150 Jahren viel verändert. Die Bebauung ist dichter. Wälder und Fluren werden intensiv genutzt. Mountainbiker, Wanderer mit Hunden, Reiter … Dazwischen ein Wolf. Wenn es denn einer war, der hier Kälber gerissen hat. Denn beweisen lässt sich das nicht.

Die Behörde: Walter Joswig vom Bayerischen Landesamt für Umwelt in Hof ist zuständig für die Wölfe in Bayern, zuständig, dass die Rückkehr eines der großen Beutegreifer mitten in dicht besiedelter Landschaft gelingt. Und auch das Zusammenleben mit Nutztierhaltern. „Wir haben kein Förderwesen in dem Sinne,“ sagt er. Noch nicht. Präventionsarbeit werde geleistet. Seit 2012. Und für Pilotprojekte gibt es Zuschüsse. Norbert Böhmer beispielsweise erhält einen Zuschuss von 6000 Euro.

Die Trainerin: Damit wird die Arbeit von Hundetrainerin Jennifer Gambietz bezahlt. Sie hat die Rüden Django und Astro, und die Hündinnen Gipsy und Gretl vorbereitet für ihre Aufgaben am Schrenkersberg. Die großen Zottelhunde leben zur Zeit mit der Kuhherde im Stall, und werden dann im Sommer, wenn die Rinder wieder auf den Weiden stehen, eigenständig die Herde bewachen. Deswegen heißen sie auch Herdenschutzhunde und nicht Hütehunde. „Sie müssen ohne einen Hirten zurechtkommen,“ erklärt Gambietz.

Die Hunde: Nach langem Überlegen und einigen Reisen in Gebiete und Länder mit Wolfsbesiedelung hat sich Norbert Böhmer entschlossen, seine rund 100 Fleischrinder Pyrenäenberghunden anzuvertrauen. Die richtige Hundewahl sei wichtig, sagt auch Joswig. „Wir versuchen, billige Hundeaufkäufe ungeeigneter Tiere zu verhindern, um nicht Spaziergänger zu gefährden.“ Zehn Betriebe, die mit Schutzhunden arbeiten „zu denen wir Kontakt haben“, gebe es mittlerweile in Bayern. „Das erfordert viele Änderungen und gute Unterstützung.“

Die Rinder: Böhmer züchtet Simmentalrinder, hornloses Gelbvieh in seinem reinen Grünlandbetrieb. 65 Hektar, zum Großteil rund um den Hof herum gelegen, bewirtschaftet er. 26 Hektar davon sind eingezäunt, und davon wiederum sieben Hektar hat er bereits fit gemacht für die Herausforderung Wolf. Die Einzäunung wurde dichter, so dass auch die Hunde nicht durchschlüpfen können. Nötig ist das vor allem aus rechtlichen Gründen, denn bei den Hunden sei es genetisch verankert, dass sie ihr Territorium nicht verlassen. Gambietz, die nicht nur Tierpsychologie studiert hat, sondern sich auch als Hirtin hat ausbilden lassen, hat die Erfahrung gemacht, dass geschützte Herden sehr schnell lernen. „Die Rinder werden viel ruhiger und gelassener.“ Die Gewöhnungsphase für junge Hunde beträgt zwei bis drei Jahre. Wobei Gambietz das System bevorzugt, erwachsene Hunde mit Welpen zusammen zu halten. „Das Jungtier lernt dann schneller durch Abschauen.“

Der Mensch: Doch auch die Menschen müssen aufmerksam gemacht werden, sagt Böhmer. Ein Schild am Wegrand weist darauf hin, dass hier Schutzhunde arbeiten. Gefahr für Spaziergänger, Reiter und andere Hunde gehe von den Tieren nicht aus. Gambietz rät dazu, Hunde immer anzuleinen. Nur wenn Hunde in die Weide eindringen, könne es gefährlich werden, denn der Schutzinstinkt der Pyrenäenberghunde ist ausgeprägt. In der Ausbildung lernen sie auch eine gewisse Coolness. „Sie sollen nicht den 500. Wanderer am Zaun entlang bellend begleiten,“ sagt Gambietz. Idealerweise ruhen Herdenschutzhunde tagsüber, damit sie nachts wach und aufmerksam sind.

Der Bürgermeister: Harald Wich freut sich über die Weidehaltung der Rinder am Schrenkersberg. „Das ist eine Bereicherung. Die Flächen bleiben frei und verbuschen nicht.“ Zwiegespalten ist seine Haltung, was die Rückkehr des Wolfes anbelangt. „Man muss entsprechende Rahmenbedingungen schaffen,“ fordert er, damit es kein Risiko für die Menschen gibt. Finanziell unterstützen kann die Gemeinde nicht, nur moralisch. Und bei der Hundesteuer. Da gebe es Vergünstigungen für Hütehunde.

Das Pilotprojekt: Joswig spricht von einem Pilotprojekt, das man hier begleite. In ganz Bayern gebe es bisher zehn Betriebe, die mit Hunden arbeiten, um sich gegen die „großen Beutegreifer“, zu denen auch Luchse und Bären zählen, zur Wehr zu setzen. Wenn gerissene Nutztiere gefunden werden, gebe es einen Entschädigungsfonds. Allerdings müsse bewiesen werden, dass nicht wildernde Hunde das Kalb getötet haben. Ein umfangreiches Instrumentarium stellt der Staat dafür bereit. Vor Ort werden nicht nur die Bissverletzungen und Kampfspuren untersucht, es folge auch eine genetische Untersuchung. „Die ist auch wichtig fürs Monitoring“, sagt Joswig. Eine teure Untersuchung, die allein rund 100 Euro kostet. Nicht zuletzt geschehe das um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen. „Die Aussage, dass es sich um einen Wolfsriss handelt, zieht Kreise. Die Wirkung in der Öffentlichkeit ist dann sehr groß,“ sagt Joswig.

Die Kosten: Manche Rinderzüchter sehen das anders. Sie sind verärgert, weil ihrer Meinung nach viel abgewiegelt werde. „Und dann heißt es halt einfach, es waren wildernde Hunde und gezahlt wird nichts,“ sagt ein Rinderzüchter, der nicht genannt werden möchte. Böhmer bemüht sich um Neutralität. „Wir bräuchten den Wolf hier nicht,“ sagt er. „aber wir sind ein offenes Land, und wir müssen unsere Nutztiere schützen. Ich will, dass es meinen Tieren gut geht.“ Die fünf Kälber, die er in den letzten Jahren verloren hat, hat ihm niemand ersetzt. Wolfsspuren konnten keine sichergestellt werden. Dafür nimmt er jetzt Geld in die Hand um für Sicherheit zu sorgen. Allein 22 000 Euro kostet die Umstellung auf neue Zäune, und etwa 3000 Euro kostet die Anschaffung eines Schutzhundes. Dessen Unterhaltung (Futter, Tierarztkosten und so weiter) sind weitere tausend Euro pro Jahr und Hund. Böhmer: „Da ist an andere Investitionen nicht mehr zu denken.“

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