Mediziner vom Klinikum Bayreuth antworten Weltkrebstag: Fünf Fragen im Ärzte-Check

Von Katharina Wojczenko
Starke Frau: Wenn Frauen an Krebs erkranken, verlieren sie bei der Behandlung oft die Haare. Das Klinikum bietet für sie Schminkkurse an. Darin bekommen sie Tipps, wie sie sich mit Schminke und Perücke besser fühlen. Archivfoto: Andreas Harbach Foto: red

Krebs - dieses Wort lässt niemanden kalt. Doch manches, was einem dazu spontan in den Kopf schießt, ist nicht wahr. Zum heutigen Weltkrebstag antworten Ärzte vom Klinikum Bayreuth auf fünf typische Fragen - von Haarausfall bis Glaube.

 
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1. Fallen allen Krebskranken die Haare aus?

Nein. Ob das passiert, hängt nicht von der Krebsart ab, sondern von den Medikamenten, mit denen sie behandelt wird. "In den meisten Fällen sieht man den Patienten die Krankheit überhaupt nicht an", sagt Professor Alexander Kiani, Leiter des Onkologischen Zentrums am Klinikum. Eine Ausnahme sind Tumore auf der Haut oder eine weit fortgeschrittene Krebserkrankung. In der letzten Lebensphase magern die Patienten häufig ab.

Bei gynäkologischen Erkrankungen wie Brustkrebs sei die Wahrscheinlichkeit aber hoch, sagt Dr. Nikos Fersis, Chefarzt der Frauenklinik. Denn die Medikamente haben Einfluss auf den Hormonzyklus. Schwankt dieser, fallen vermehrt Haare aus. Damit das nicht passiert, werden an manchen Kliniken seit kurzem Kühlhauben eingesetzt. Diese setzen die Patientinnen auf, schon bevor sie die Infusion mit der Chemotherapie bekommen. Die Haube kühlt die Kopfhaut auf minus 30 Grad. "Das ist teilweise nicht  angenehm für die Patientin", sagt Fersis, aber verhindert oder vermindert, dass den Frauen die Haare ausfallen.

Der Haken: Bisher ist das Verfahren erst an so wenigen Frauen getestet, dass es keine seriösen Studien zu Wirksamkeit und Folgen gibt. Die gute Nachricht für Brustkrebspatientinnen: "95 Prozent werden geheilt, wenn der Krebs früh erkannt wird."

2. Ich habe Krebs. Muss ich sterben?

Das hängt vor allem davon ab, wann der Krebs entdeckt wurde. Die Statistik besagt, dass bei Hoden-, Prostata- und Hautkrebs die Heilungschance bei über 90 Prozent liegt. Aber wenn ein Hautkrebs erst im späten Stadium entdeckt wird, ist er tödlich. Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs überleben die meisten nur wenige Jahre. "Das liegt daran, dass diese Krebsart meist spät entdeckt wird", sagt Dr. Steffen Mühldorfer, Chefarzt der Gastroenterologie.

Prof. Kiani warnt aber vor der Statistik: "Auch wenn Patienten dieselbe Diagnose haben, ist der Verlauf der Krankheit bei jedem anders." Das sei typisch für Krebs. Er wage deshalb nie Prognosen. Nicht nur die Diagnostik, sondern auch die Behandlung habe sich in den vergangenen Jahren verbessert, so dass die Mehrheit der Patienten nicht mehr an Krebs stirbt, sondern letztlich an Herzinfarkt oder einer anderen Erkrankung. "Viele können mit Krebs noch jahrelang gut leben, ein Familienleben haben und arbeiten."

3. Darmspiegelung? Das tu ich mir nicht an!

Bloß keine Panik, sagt Dr. Steffen Mühldorfer. Von dem unangenehmsten Teil der Vorsorgeuntersuchung - die Ärzte führen einen Schlauch mit Kamera in den After bis zum Blinddarm ein - bekommt der Patient dank einer Schlafspritze nichts mit. Bei der Darmspiegelung können die anfangs noch gutartigen Darmpolypen gefunden und gleich entfernt werden, aus denen sich Krebs entwickelt. 

Für die Untersuchung muss der Darm richtig sauber sein. Deshalb darf man ab dem Nachmittag vor der Untersuchung nichts mehr essen - und muss eine Spüllösung trinken. "Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig", räumt Mühldorfer ein, die Folgen durchschlagend: "Man sollte sich von da an in direkter Nähe der Toilette aufhalten." Dasselbe passiere übrigens bei einer blutreinigenden Entschlackungskur, für die man in Kurorten teuer Geld zahle.

Ist die Untersuchung vorbei, darf der Patient in der Regel sofort wieder essen. Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebstodesursache in Deutschland - aber wenn er früh genug erkannt wird, sind die Heilungschancen sehr gut. In den vergangenen zehn Jahren konnten in Deutschland dank der Vorsorgekoloskopie 180.000 Darmkrebserkrankungen verhindert und 41.000 früh erkannt werden.

4. Hilft viel untersuchen viel?

Jein. Die gesetzlich empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen, die die Kassen bezahlen, seien alle wichtig, sagt Prof. Kiani. Andere wie das PSA-Screening, das früh Prostatakrebs entdecken soll, seien umstritten. Häufig sei trotz erhöhten PSA-Werts aber kein Tumor nachweisbar. Die Untersuchungen, vor allem das Warten aufs Ergebnis, seien eine unnötige psychische Belastung. Diese "Überdiagnostik", zum Beispiel in Form von Gewebeentnahmen, birgt aber wenig Risiken und ist selbst nicht schädlich. Ob der Test die Sterblichkeit an Prostatakrebs senken kann, bleibt unklar.

5. Versetzt der Glaube Berge?

Bei manchen Krankheiten spielt die Pyche fürs körperliche Befinden eine Rolle, zum Beispiel, wenn man unter Reizdarm leidet. Krebs kann man aber nicht durch Willenskraft heilen und es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Stress oder eine positive Einstellung Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf hat. Deshalb werden Patienten nicht nur körperlich behandelt, sondern bekommen eine sogenannte psychoonkologische Unterstützung angeboten.

"Diese kann helfen, mit der Situation und den Nebenwirkungen besser umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern", sagt Psychoonkologin Ulrike Schmeisser. Sie und ihre Kollegen bieten auch für die Angehörigen Gespräche und Entspannungstechniken an, weil die Situation für sie ebenfalls belastend ist. Ratschläge an Krebspatienten wie "Du musst positiv denken, dann wird das schon", seien zwar gut gemeint, setzten die Patienten aber unter Druck. "Ängste, Sorgen und Stimmungstiefs sind in der Situation normal", sagt Schmeisser. Was nachgewiesen bei der Heilung hilft, ist Bewegung.

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