Welche Statistik darf's denn sein?

Von Michael Weiser

Die gute Nachricht: Bayreuth wächst. Und zwar stark, was Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe als Bestätigung für die positive Entwicklung der Stadt nimmt. Die schlechten Nachrichten: Bamberg liegt wahrscheinlich noch immer vorn. Und: Es bleiben Zweifel.

 
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Die amtlichen Zahlen aus Fürth erschütterten Anfang 2015 das Bayreuther Selbstbewusstsein: Das Statistische Landesamt meldete, dass Bayreuth bereits um 500 Menschen hinter Bamberg zurückgefallen sei. Nur rund 71.000 Menschen wurden in Bayreuth gezählt. Die Demografen sagten außerdem voraus, dass Bamberg seinen Vorsprung voraussichtlich sogar ausbauen werde. Auch deswegen, weil Bayreuth schrumpfen werde – um rund 4 Prozent innerhalb von 15 Jahren.

Starkes Wachstum,

Und jetzt? Große Erleichterung im Rathaus: Endlich nicht mehr auf Zahlen-Diät. Entgegen dem Trend in Nordostbayern sei Bayreuth gewachsen, heißt es in ein. Von 74.524 Bayreuthern ist in einer Pressemitteilung der Stadt die Rede, so viele wie seit 2004 nicht mehr. Was wiederum Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe frohlocken lässt: „Bayreuth entwickelt sich derzeit in vielen Feldern sehr positiv, dies gilt beispielsweise für das Arbeitsplatzangebot wie auch die Attraktivität als Wohnort. Die steigenden Bevölkerungszahlen zeigen, dass die Arbeit der Stadt an der Lebensqualität in Bayreuth erfolgreich ist.“

Nachrichten aus Bamberg könnten die gute Laune verstärkt haben. Die Bischofsstadt hatte vor wenigen Wochen ihrerseits 74.096 Einwohner gemeldet, mithin gut 430 weniger als die Bezirkshauptstadt.

Kann man so nicht sagen, sagt das Landesamt

Doch da lohnt genaueres Hinsehen. Denn die Rivalen nennen Ergebnisse, die jeweils auf unterschiedlicher Grundlage entstanden sind. Bamberg meldete die in der Regel niedrigeren und älteren amtlichen Zahlen des Landesamtes. Bayreuth hingegen vermeldete die aktuelle Fortschreibung durch das eigene Einwohner- und Wahlamt.

Der Hauptunterschied: Das Statistische Landesamt strebt eine Bereinigung nach einem Zensus an, bemüht sich nach den Worten eines Sprechers um die Bereinigung der Statistik von „Karteileichen“, bevor es Zuzüge und Geburten zum Ausgangsergebnis hinzuzählt sowie Todesfälle und Wegzüge abzieht. Die Stadt wiederum schreibe ihre Ergebnisse fort und fort und damit auch die Fehler, die irgendwann mal in die Rechnung gelangt seien, heißt es aus dem Landesamt in Fürth. Das Problem ist: keinem Ergebnis darf man hundertprozentig vertrauen. Tendenziell lässt sich sagen, dass sich die Städte selbst mehr Einwohner zurechnen als das Statistische Landesamt.

Wie sich klar in der Berechnung für Bayreuth feststellen lässt. Das jüngste Ergebnis des Landesamtes stammt vom 30. September 2016 und widerspricht Bayreuths Jubelmeldung. Keine 74.500, sondern nur rund 71.900 Einwohner meldet das Amt für diesen Zeitpunkt. Klar, es liegen 13 Monaten daziwschen. Dass Bayreuth innerhalb dieser 13 Monate um 2600 Menschen gewachsen sein könnte, ist aber auch unwahrscheinlich.

Verzerrt die Uni das Bild?

Eine „Momentaufnahme“, so nennt Sprecher Joachim Oppold die optimistische Meldung aus dem Rathaus. Die guten Zahlen seien auch auf die vielen Einschreibungen an der Uni Bayreuth zurückzuführen.

Doch eben die Unis könnten das Bild verzerren. Erstsemester heißt schließlich nicht gleich Erstwohnsitz. Längst nicht jeder Student hat sich an seinem Studienort gemeldet. Bayreuth gilt sogar als Pendel-Uni. Durchaus möglich daher, dass das Meldeamt von zu optimistischen Erwartungen ausgeht. Oppold bleibt im Grundsatz aber dabei: Die Zahlen könnten schwanken, seien aber insgesamt erfreulich.

Warum sind die Zahlen wichtig?

Die Nachricht, dass Bayreuth hinter Bamberg zurückgefallen sei, hatte vor drei Jahren beim SPD-Landtagsabgeordneten und Stadtrat Christoph Rabenstein die Alarmglocken schrillen lassen. Er hatte Bayreuth aufgefordert, sich aus seiner Lethargie zu befreien. Mittlerweile klingt er gelassener an. „Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen“ sagt er und erkennt, was Kultur und Wirtschaft in Bayreuth betrifft, durchaus Fortschritte an.

Zu Gelassenheit rät auch der Stadtentwickler Manfred Miosga von der Uni Bayreuth. Es gebe verschiedene Faktoren, die für Zuwanderung sorgen könnten, im übrigen brächte auch ein Wachstum Probleme, für das Bayreuth aber relativ gut gerüstet sei: dem wachsenden Bedarf nach Wohnraum entsprechend werde ausreichend gebaut. „Im übrigen muss ich schmunzeln, wenn ich sehe, wie viel Wichtigkeit den Zahlen beigemesssen wird.“

Allerdings sind die Einwohnerzahlen nicht nur eine Frage des Prestiges: Nach den Ergebnissen des Landesamtes wird Geld an die Städte verteilt. Die Differenzen bergen also auf jeden Fall Stoff für Streit. Dies sei kein besonderes Bayreuther Problem, sondern in zahlreichen, vor allem größeren bayerischen Städten festzustellen, sagt Oppold, „mit zum Teil wesentlich größeren Abweichungsmargen als bei uns“. Es gibt seit längerem einen Arbeitskreis im Städtetag, der sich mit diesen Differenzen befasst. Dass dieses Gremium zu einem eindeutigen Ergebnis kommt, steht so bald nicht zu erwarten.

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