Welche Henne legt das größte Ei? Protokoll einer (gescheiterten) Recherche im Glucken-Milieu Weidenberger Huhn legt XL-Ei

Von Christophe Braun
Martina Heintke aus Weidenberg zeigt eines ihrer 980 Hühner. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Kurier-Redakteur Manfred Scherer staunte nicht schlecht, als er in einer gewöhnlichen Eierschachtel ein Riesen-Ei fand: sieben Zentimeter lang, dick und braun. Wir haben uns auf die Suche nach dem Huhn begeben - und sind in Weidenberg fündig geworden. Fast.

 
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War es die da hinten, die so arglos im Boden scharrt? Oder ihre Nachbarin, die Löcher in den Himmel glotzt? War es die Henne an der Stalltür? Oder das fette Huhn am Zaun? Wie leicht haben wir uns die Ermittlung im Glucken-Milieu vorgestellt – und wie kompliziert ist sie wirklich!

Aber der Reihe nach: Am Wochenende entdeckt Kurier-Redakteur Manfred Scherer im Supermarkt ein Riesen-Ei: Sieben Zentimeter lang, groß, dick, braun, ein Prachtexemplar. Wie gewaltig muss erst das Huhn sein! Wir sehen uns schon in einem Stall Aug' in Auge mit einer kuhgroßen Henne. Und beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Der Anfang ist leicht. Den Herkunftshof des spektakulären Eis entnehmen wir dem Etikett auf der Packung: der Gebhardtshof der Familie Heintke in Weidenberg.

Der Gebhardtshof liegt etwas abseits des Orts: ein großes Haus, Scheunen und Ställe. Dunkle Wolken türmen sich am Himmel, ein eisiger Wind pfeift. Ein paar Hühner nähern sich dem Zaun des Freigeländes. Ihre Blicke: Neugierig bis verschlagen. Wissen sie um das Geheimnis des Riesen-Eis? Auf mehrfache Nachfrage kommt bloß Gackern.

Detektivarbeit im Hühnerstall

Hühnerhalterin Martina Heintke (30) muss grinsen, als sie von unserem Anliegen erfährt: Ein  Ei einer bestimmten Henne zuzuordnen – das dürfte in etwa so schwer sein wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Immerhin verkauft die Tierwirtin pro Woche zwischen 5000 und 6000 Eier.

Von solchen Zahlen lassen wir uns nicht entmutigen. Schließlich haben wir genug Fernsehkrimis gesehen, um zu wissen, wie wir vorgehen müssen: Zunächst werden wir den Kreis der Verdächtigen verkleinern, bis nur noch eine Handvoll übrig bleiben. Dann werden wir alle Verdächtigen versammeln und mittels brillanter Schlussfolgerungen den Täter bloßstellen. So machen es die Meisterdetektive Miss Marple und Hercule Poirot. So wollen wir es tun.

Die Hühnerhalterin hilft: „Für ein braunes Ei", erklärt sie, „kommt nur ein braunes Huhn in Frage." Ein Drittel der Hühner auf Heintkes Hof sind weiß. Die scheiden also aus. Obwohl ein paar von ihnen ziemlich verdächtig dreinschauen.

Es bleiben knapp 700 verdächtige Vögel. Den nächsten Tipp gibt Heintkes Mutter Heidrun (50): „Größere Eier werden von älteren Hühnern gelegt. Die müssen mindestens ein Jahr alt sein."

Umso älter die Hühner werden, desto dünner und bruchgefährdeter ist die Schale ihrer Eier. Deshalb gibt Martina Heintke ihre Hühner im Alter von etwa einem Jahr ab. Wir suchen also eine ältere, braune Henne. „Da kommen vielleicht 50 Hühner in Frage", sagt Heidrun Heintke. Wir atmen erleichtert auf: Die Ermittlungen stehen kurz vor dem Durchbruch!

Denkste. Tatsächlich sind unsere Nachforschungen an einen toten Punkt gelangt. Denn die Hühner, diese raffinierten Kerle, decken sich gegenseitig: Fast jede Henne hat am fraglichen Tag ein Ei gelegt.

„Mmmmh", sagen wir.

„Gack-gack-gack-gack-gack", sagen die Hühner, und irgendwie klingt es spöttisch. Das war's. Sie werden ihr Geheimnis mit in den Suppentopf nehmen.

Naja, sagt Martina Heintke: So außergewöhnlich seien Riesen-Eier auch wieder nicht: Etwa jedes zehnte Ei sei für die üblichen Größenklassen S, M und L zu groß. Für ein großes, braunes Ei brauche es ein altes, braunes Huhn – mehr nicht.

Wir beißen uns auf die Lippen. Die alten, braunen Hennen gackern hämisch. Da geht sie hin, unsere schöne Geschichte vom Riesen-Huhn. Zum Trost  drückt Martina Heintke uns einen glatten, tischtennisballgroßen Gegenstand in die Hand: Ein Mini-Ei. Die, sagt sie, seien sowieso die besten Eier überhaupt. Das wisse bloß niemand. Nicht einmal die Hühner.

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