Was Kriegsbilder mit Kindern machen

Von Thorsten Gütling
Angelika Tzschoppe und die Tagebucheinträge der Grundschüler von 1991. Jetzt zu sehen in der Stadtbücherei Hollfeld. Foto: Thorsten Gütling Foto: red

Es war der erste Krieg, der live im Fernsehen übertragen wurde. Als vor 25 Jahren im Irak und Kuwait die Bomben flogen und die Ölfelder brannten, lieferte allenvoran der amerikanische Sender CNN die Bilder dazu - auch in die deutschen Wohnzimmer. Eine Ausstellung zeigt, was diese Bilder in den Köpfen der Kinder verursacht haben.

 
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Als am 17. Januar 1991 die ersten Bomben fliegen, leitet Angelika Tzschoppe eine 2. Klasse an der Grundschule Hollfeld. Die Gespräche und Gedanken der sieben Jahre alten Schüler, schreibt Tzschoppe am Abend auf. Die Tagebucheinträge, wie die Lehrerin sie nennt, lässt sie die Schüler bebildern. Ein Mädchen wird in den Aufzeichnungen mit den Worten zitiert: "Die Jungs haben das viel besser gekonnt, haben Panzer, Flugzeuge und Raketen gemalt. Die Mädchen dagegen schreiende Kinder und Frauen und Häuser die brennen."

Anonymisiert, um die Kinder zu schützen

Angelika Tzschoppe hat das Mädchen Julia genannt. Ein erfundener Name, um das Mädchen zu schützen, wie sie sagt. Und Julia erzählt in anderen Einträgen davon, dass sie die Raketeneinschläge die im Fernsehen zu sehen sind, erst für ein Feuerwerk hält. Dass ihre Eltern versuchen, sie zu beruhigen, indem sie sagen, dass der Krieg doch weit weg sei. Julia beschreibt, wie sie auf einer Weltkarte mit dem Lineal nachmisst und zu dem Entschluss kommt, dass der Krieg nicht weiter weg ist, als der letzte Urlaubsort. Unter Tzschoppes Aufzeichnungen malt das Mädchen daher ein Lineal. Andere malen ein Federmäppchen aus dem gespitzte Buntstifte ragen. "Manche Jungs haben sich so Panzer gebaut", sagt Tzschoppe.

Windpocken statt Puder

Ein anderes Mädchen erzählt, wie sie mit Windpocken zuhause liegt und sich weigert, die juckenden Stellen zu bepudern. Weil sie im Fernsehen gesehen hat, dass es Chemiewaffen gibt, die die Haut von Menschen krank werden lässt. Wieder ein anderes Mädchen sieht in der Zeitung ein Bild von einem verwundeten irakischen Mädchen namens Bathel. Daneben im Krankenbett liegt eine Puppe. Zuhause setzt auch das Mädchen eine Puppe in ihr Bett. "Damit Bathel wieder gesund wird", erzählt sie ihrer Freundin. Und ein Junge berichtet, wie sein vier Jahre alter Bruder plötzlich beim Anblick jedes Mannes mit dunklem Schnauzer "bös, bös, bumm, bumm", ruft.

Zwei Soldaten, zwei Götter

Am 28. Januar 1991 melden Medien, dass Öl in den Persischen Golf fließt. Die Kinder machen sich Sorgen um die Fische. Beim Anblick zweier betender Soldaten, aus den USA und dem Irak, fragt ein Junge die Lehrerin: "Wie soll das gehen, wenn beide zu ihrem Gott beten, damit sie den Krieg gewinnen?" Am 12. Februar erzählt Julia ihrer Freundin: "Wir haben gestern einen Schneemann gebaut. Und überhaupt nicht über den blöden Krieg gesprochen." Ein anderes Mädchen fragt: "Warum sollten wir jetzt noch Müll trennen?"

Bürgerkrieg nach Waffenstillstand

Am 1. März wird ein Waffenstillstand ausgerufen. Ein Mädchen berichtet, wie sie mit ihrem Vater streitet, weil der nicht an den Frieden glaubt. "Die Menschen sind doch so gescheit", sagt die 7-Jährige. Noch Monate später tobt im Irak der Bürgerkrieg.

Ausstellung noch bis Ostern

Die Ausstellung ist noch bis Ostern in der Stadtbücherei Hollfeld, Steinweg 17, zu sehen. Geöffnet ist die Bücherei Donnerstag von 16 bis 18 Uhr und Sonntag von 10:30 bis 12 Uhr.