Konzeptkünstler Ottmar Hörl will im Sommer 500 Abgüsse des Bayreuther Meisters in der Innenstadt aufstellen „Wagner kann ja nichts dafür“

 Foto: red

Zuletzt hat er Karl Marx nach Trier gebracht, vorher Albrecht Dürers Hasen nach Nürnberg und 2004 Wagners Hund Russ nach Bayreuth. In diesem Sommer will der Konzeptkünstler Ottmar Hörl Bayreuth ein zweites Mal erobern – mit Richard Wagner persönlich, hundertfach in Plastik gegossen. Ein Interview über das größte Spektakel im Wagnerjahr.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Herr Hörl, Hunderte Wagnerfiguren in der Innenstadt – muss denn das sein?
Ottmar Hörl: Nicht nur in der Innenstadt, auch in den Parks und auf dem Festspielhügel. Unser Wagner wuselt durch die ganze Stadt – und er macht das, was er am besten kann: Er dirigiert Bayreuth. Er macht ja, seitdem es das Festspielhaus gibt, eigentlich nichts anderes. Bayreuth wäre ja ohne Wagner – ja, was wäre das? Ein kleines, verträumtes Städtchen in Bayern. Wagner hat dieses Städtchen in die Weltgeschichte katapultiert. Ich habe ja 2004 schon einmal eine umfassende Arbeit zu Wagner in Bayreuth gemacht...

...mit 600 Neufundländern aus schwarzem Plastik, die neben allen Parkbänken der Stadt saßen.
Hörl: Ja, die Wagner-Hunde waren ein Teil davon. Diesmal nehme ich Wagner selbst. Wenn man schon einmal in Bayreuth gearbeitet hat, wie ich, dann bekommt man ja auch mit, wie die Stadt tickt. Ich habe damals relativ schnell verstanden, wie der Hase läuft.

Wie meinen Sie das?
Hörl: Ich habe das Projekt damals ja nur machen können, weil der Kulturausschuss gesagt hat: Wenn er das Geld mitbringt, dann kann er schon was machen. Im Rathaus war man gegen mich.
Damals war Wolfgang Wagner noch Festspielleiter, und die Stadt hatte eine solche Angst vor ihm, dass man in vorauseilendem Gehorsam alles beseitigt hat, was das Opernspektakel auch nur berühren könnte. Der Kulturreferent hat zum Beispiel meine Hunde im Festspielpark abräumen lassen. Insofern ist die kommende Arbeit die Konsequenz aus der Arbeit damals: Außer Wagner kann man in dieser Stadt nichts machen. Wenn Sie mich also fragen, warum ich das mache...

...ja, bitte: Warum machen Sie das?
Hörl: Es geht mir um die Dominanz einer Figur in einer Stadt. Wagner selbst kann dafür nichts, man kann ihn für vieles verurteilen, aber nicht dafür, dass ihm Bayreuth heute in vorauseilendem Gehorsam alles unterordnet. Alles, auch die Kultur. Und ich rede nicht von diesem Jahr – das ist seit Jahrzehnten so. Und das will ich zeigen. Ich meine: Dass eine Stadt durch einen Künstler zu einer solchen Bedeutung kommt, ist ja nicht nur negativ. Suchen Sie mal eine Figur, durch die eine Stadt überhaupt zu Bedeutung kommt. Da gibt es nicht so viele.

Die Herangehensweise ist dann aber wieder typisch Hörl: Sie vervielfältigen eine Figur und platzieren sie in der Stadt.
Hörl: Na klar. Wagners Musik funktioniert ja auch nur über die Duplizität. Wenn Wagner nur einmal gespielt worden wäre, wenn es Wagner nur ein einziges Mal geben würde, dann hätte das alles nicht so funktioniert. Es geht mir um serielle Reihungssysteme. Außerdem will ich, dass Menschen an der Kultur teilnehmen. Deshalb gehe ich ja auf die Straße – da nehmen alle teil, und nicht nur die drei Prozent der Bevölkerung, die in Galerien gehen.


Sie verschaffen sich Aufmerksamkeit, indem Sie sich den Leuten in den Weg stellen.
Hörl: Was mich immer sehr interessiert, ist Humor, Ironie. Kultur folgt für mich einem Lustprinzip. Das ist ja auch etwas, was mir bei Wagnerianern auffällt: ihre Humorlosigkeit. Die Humorlosigkeit von Wagnerianern ist unglaublich. Deshalb versuche ich eine kleine Bearbeitung – man muss nicht so tun, als wäre Wagners Musik so bestechend, dass man kein Wort mehr darüber verlieren dürfte. Ich versuche, Wagner als Person zu zeigen, Wagner als tanzenden Derwisch. Ich möchte gern ein Stück Entspanntheit, Souveränität in diese Stadt hineinbringen – damit sie endlich anfängt, selbst existent zu werden. Bayreuth soll mit Wagner eine Identität entwickeln, nicht nur durch Wagner.
Ich finde es schön, eine Arbeit zu machen, bei der die Leute ein Schmunzeln ins Gesicht kriegen. Eine Arbeit, bei der die Kunst nicht so erdenschwer ist, dass man fast platzt unter der Last der Bedeutung, sondern bei der man merkt: Das ist auch ein Spiel. Wir sollten uns daran erfreuen und nicht dauernd so tun, als wäre Wagner ein Säulenheiliger dieser Welt. Das ist eigentlich die Idee meiner Arbeit.

Wie viele Wagner-Figuren stellen Sie in Bayreuth aus?
Hörl: So viele wie möglich. Ab 500 fange ich ja grundsätzlich erst an, meine Gehirnzellen in Bewegung zu setzen (lacht).

Sind die Wagners schon fertig?
Hörl: Nein, die Wagner-Form liegt noch im Bad – die Form muss sechs Wochen lang in einem Bad liegen, die wird galvanisch bedampft mit einer Kupfer-Nickel-Schicht. Die Figuren sind Handarbeit, ich lasse alles in Deutschland fertigen, wir schaffen maximal 22 Figuren am Tag. Mit der Form selbst habe ich vergangenes Jahr schon angefangen – es dauert ja auch, bis so ein Ideenkonzept fertig ist. Einen dirigierenden Wagner – da steht man lange davor und fragt sich, wann ist es gut genug, überzeugend genug? Jetzt ist die Figur aber so schön geworden und auch so lustig, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache, dass sie nicht lange überleben. Und das ist dann schon ein Problem – ich muss die geklauten ja mitbezahlen.

Das Gespräch führte Florian Zinnecker.

Autor

Bilder