Wagner auf dem Abenteuerspielplatz

Von Michael Weiser

Im Neubau des Richard-Wagner-Museums nähern sich Studenten des Fachbereichs Mediendesign der Hochschule Hof/Campus Münchberg dem Phänomen Wagner von seinen Widersprüchen und Brüchen her. Titel: "Rifts & Scratches". Wie sich ein Brite in eine fixe Idee namens Wagner verrannte, wie ein Drucker Wahnfried zum zweiten Mal zerstörte, woraus sich Wagner seinen "Parsifal" zusammenbastelte: Schaun mer mal.

 
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Es ist natürlich nicht so, dass alles klappt. Es ist nicht mal so, dass man in jedem Fall draufkommt, was der Urheber beabsichtigt, nicht sofort jedenfalls, beim ersten Blick. Es ist eher so, dass man manchmal zweimal hinschauen muss. Und erst dann bemerkt, dass man auf einem Abenteuerspielplatz gelandet ist.

So ist das gerade im Neubau des Richard-Wagner-Museums: nicht immer perfekt, aber abenteuerlich. Sehr konservative Besucher könnten an dieser Ausstellung und überhaupt dem ganzen Projekt Anstoß nehmen, weil da gerade alles so bunt ist, so skurril, so verspielt. Und dann noch ein DJ - Paul D. Miller alias DJ Spooky -, der zur Eröffnung auflegt, wenige Meter von Haus Wahnfried entfernt: Cosima hätte das nicht goutiert.

Spannend ist das

Aber vielleicht Richard. Weil's spannend ist. Und weil die Studenten der Hochschule für Mediendesign moderne Technik verwenden, um etwas vor Augen zu führen, was ganz schön schwierig zu erklären ist: Wagners Werk und Wirkung, sein Einfluss auf seine Zeitgenossen, die Zeit danach, die Gegenwart. Mythos Wagner eben: ein überzeitlicher Stoff, im Gewand der Gegenwart erzählt. Nein, überhaupt nicht auszuschließen, dass Richard daran seinen Spaß gehabt hätte.

Mitunter hat man (am ersten Abend zumindest) den entschuldigenden Hinweis gefunden, dass etwas noch im Stadium des Entstehens sei. Zum Beispiel an der Station von Manuel Paul und Stefanie Scheer. "Wahnfri3D" heißt das Projekt, die "3" ist als umgedrehtes "E" zu lesen und doch auch als Ziffer. Weil es den beiden darum ging, Haus Wahnfried als 3-D-Modell wieder auferstehen zu lassen: 70 Fotos von Wahnfrieds Außenwänden, ein geduldig rechnender Computer, ein noch geduldiger druckender 3-D-Drucker - und schon stand Wahnfried im Miniformat, aus Plastik geformt. Und daneben zerbombt, mit schwarzen Trümmern: Wahnfried nach dem 5. April 1945, ohne Saal und Rotunde. Sogar Rauch steigt aus den Trümmern auf, genauer: Wasserdampf. Daneben ein weiteres Modell: Wielands Wahnfried, allerdings nur wenige Millimeter hoch. Weil beim Drucken was schiefging, sieht man auch die Mauer, hinter der Wieland seine Mutter als unverbesserliche Hitler-Freundin entsorgte, nur als Grundmäuerchen.

Scheitern gehört dazu

Wagner selbst, wir erinnern uns, ist auch nicht alles gelungen. Scheitern gehörte auch zu seinem Weg. Dass man in der Ausstellung auf Abstürze hinweist, erinnert an die Behandlung der Fehlstellen in Haus Wahnfried: Nichts kaschieren, nichts dekorieren, vielmehr zeigen, was Lücke ist und bleiben wird. Eine Installation zeigt eine Karte Bayreuths, auf der rote Punkte blitzschnell zu Kreise wachsen, dort eine Gruppe, dann dort: die Explosionen der Bomben während der Luftangriffe im April 1945. Wagner und Bayreuth - das ist auch ein schmerzhaftes Erbe. Hier nun gilt es frei nach Beuys: Zeige Deine Wunde!

Michael Zöllner hat am Campus in Münchberg die Studenten über Monate angeleitet. Ergebnis: Zu Wagner führen erkennbar viele Wege, über Soundinstallationen ebenso wie über Schaubilder zu seiner Geschichte. Jennifer Munzert arbeitet mit Bildern, kurzen Texten und roten Fäden - und wirft so in ihrer Installation "Wer ist der Gral?" eine Begriffsgeschichte von Parzival, der Tafelrunde und dem Gral an die Wand. Sehr erhellend!

Wagners Reisefuror

Wie sehr Wagner in Bewegung war, zeigen Marisa Franz und Xenia Staubach, die Datensätze über die Reisen des unsteten Genies angelegt haben. Wohin diese Reisen führten, mit welchen Vehikeln Wagner reiste, wie ein Geschwindigkeitsvergleich von damals mit heute ausfiele - das kann man an ihren Stationen herausfinden. Und Wagners Reisemühsal ganz entfernt nachempfinden, indem man am Steuerrad dreht. Es muss gar nicht immer Elektronik im Spiel sein. Melanie Würdinger arbeitet mit Fäden, mit Skalen und Nägeln, um die man die die Fäden wickeln kann: So entsteht mit einfachen Mitteln eine Graphik, die belegt, was welchen Besuchern wie gut gefallen hat.

Es dürften ein paar Erklärungen mehr sein

Ein Schatz lustiger, skurriler und beinahe tragischer Geschichten verbirgt sich hinter dem Projekt Wagner recollected der Dozenten Claudia Siegel und Kilian Steinbach. Wagner-Fans steuerten persönliche Erinnerungsstücke an Wagner und ihre Wagner-Begeisterung bei. Zeige deinen Wagner!

Wie ein Engländer sich in eine erkennbar fixe Idee von einem angeblich frühen Foto von Wagner verrannte, was Wagner-Eier mit Rettung aus höchster Not zu tun haben: In der Ausstellung kann man das erfahren. Zumindest auf Nachfrage: Mitunter vermisst man Erklärungen. Nicht vollkommen und schon gar nicht ohne Lücken, diese Ausstellung - und doch bemerkenswert. 

INFO: Zu sehen bis 30. Mai. Am Freitag, 26. Mai, steigt dort mit Piano-Begleitung "Reingold. Hringurinn víkinga", oder: Wagners Tetralogie als Wikingergeschichte ganz neu erzählt. Beginn ist um 20 Uhr.