Vorsicht vor Kik und unsicheren Messengern

Von Sonny Adam
Smartphones sollen Spaß machen. Deshalb sind Simon Stahlschmidt (17) und Patrick Zahl (16) Medienscouts am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium geworden. Sie wollen über die Gefahren, die die neuen Medien mit sich bringen, aufklären und jüngeren Schülern helfen. ⋌Foto: Sonny Adam Foto: red

Schüler kommunizieren hauptsächlich über Messenger mit ihren Smartphones. Bei vielen ist WhatsApp aber out - weil da jeder ist. Sie wollen unter sich bleiben. Und nutzen dafür andere Messenger wie zum Beispiel Kik. Doch diese Dienste sind oft nicht sicher und bieten Pädophilen und Kriminellen die Möglichkeit, sich an Jugendliche heranzumachen.  Der Jugendkontaktbeamte der Polizei Kulmbach Alexander Zink berichtete jetzt bei einer Informationsveranstaltung des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums, welche Gefahren Kik und andere unsichere Messenger bergen. Und: Der Kurier gibt am Ende des Textes Tipps für Eltern, wie sich Kinder und Jugendliche sicher im Internet bewegen können.

 
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Lea (Name von der Redaktion geändert) ist 12 Jahre alt. Sie besucht die sechste Klasse einer Kulmbacher Schule. Lea hat gute Noten, stammt aus einem intakten sozialen Umfeld. Natürlich hat sie ein Smartphone. Wie viele ihrer Klassenkameraden. Um Nachrichten an sie zu senden, nutzt sie kostenlose Messenger-Dienste. Lea findet WhatsApp nicht so praktisch, weil das jeder hat und weil man WhatsApp nur vom Smartphone aus nutzen kann. Deshalb hat sie sich den ebenfalls kostenlosen Messenger-Dienst Kik installiert. Auch ihre Freundinnen nutzen diesen Dienst.

Kik gibt es seit 2010. Mit Kik lassen sich Bilder, Videos, Sprachnachrichten und – anders als bei WhatsApp etwa – auch selbst erstellte Skizzen oder YouTube-Videos mit dem Smartphone versenden und abspielen. Kik verfügt außerdem über einen integrierten Web-Browser, mit dessen Hilfe sich empfangene Internet-Adressen direkt in der App öffnen lassen. 2013 hatte dieser Instant-Messaging-Dienst schon 100 Millionen Nutzer. „Und der Vorteil an diesem Dienst ist, dass die Registrierung auch ohne Telefonnummer erfolgen kann. Das bedeutet: Der Dienst ist auch auf Tablets nutzbar“, erklärt Zink. Und genau das hat auch Lea gefallen. So konnte sie zu Hause auch vom Familien-Tablet chatten. Praktisch.

Freundin entpuppt sich als pädophiler Familienvater

Doch davor, was nach einem Vorteil klingt, kann die Polizei nur warnen. Denn Kik ist inzwischen zu einem Tummelplatz für Pädophile geworden. All das wusste Lea natürlich nicht. Sie hat unbekümmert mit ihren Freundinnen gechattet, Dateien wurden ausgetauscht. Auch Fotos. Und dann wollte plötzlich eine Freundin von Lea Nacktbilder. Lea weigerte sich zuerst. Doch dann ließ sie sich hinreißen und sandte ihrer Freundin – die 14 Jahre sein sollte – zwei Bilder von sich. Ein fataler Fehler. Denn plötzlich wurde Lea erpresst. Sie sollte mehr Fotos schicken, intimere Details, auch Videos. Wenn sie dies nicht tun würde, würden die Fotos, die sie gesendet hatte, an all ihre Freunde geschickt und auf Facebook veröffentlicht.

Lea war entsetzt, vertraute sich ihrer Mutter an. Beide gingen zur Kulmbacher Polizei. „Die vermeintliche Freundin hat sich dann als 56-jähriger Familienvater aus Nordrhein-Westfalen entpuppt. Er war pädophil“, sagt Zink. Damit er dingfest gemacht werden konnte, musste die Polizei einen Trick anwenden. Lea spielte mit und entlockte dem Mann seinen Skype-Kontakt (ein kostenloser Anrufdienst via Internet). So konnte die Polizei feststellen, wer sich hinter dem unbekannten Kürzel verbirgt. „Aber normalerweise haben wir bei Kik keine Zugriffsmöglichkeiten, denn wir haben ja keine Handynummern oder ähnliches“, erklärte Zink.

Kik ist nicht der einzige Dienst, der missbraucht wird. Younow ist ein Videoportal, eigentlich erst ab 13 Jahren. Doch auch in diesem Portal sind viele der tatsächlichen Nutzer viel jünger – und Live-Streams animieren dazu, eben auch sexuelle Inhalte zu senden. 37 Prozent aller Streams verstoßen gegen urheberrechtliche Bestimmungen, zwölf Prozent gegen Persönlichkeitsrechte und acht Prozent enthalten Beleidigungen, so die Polizei. Die Streams mit sexuellen Inhalten liegen zwar unter einem Prozent – doch bei über 16 Millionen Streams au Deutschland ist das trotzdem eine unglaubliche Zahl.

Sogar die Namen dürfen verwendet werden

Zink warnte bei der Informationsveranstaltung des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums davor, allzu sorglos mit kostenlosen Diensten umzugehen. Auch Whatsapp habe seine Tücken. Denn alle kostenlosen Messaging-Dienste hätten ihre Nachteile. Snapchat gaukelt den Usern vor, dass sich die Dateien selbst zerstören. 100 Millionen aktive Nutzer gibt es derzeit. Doch es ist einfach, die Fotos zu kopieren. Und mit der Nutzung von Snapchat räumt jeder User dem Dienst ein, dass alle Bilder und Videos verwendet werden können – egal für was. Sogar die Namen dürfen genannt werden.

Im Internet tummeln sich allerdings nicht nur Erwachsene, die sich an Kinder ranmachen. Auch Rechtsextreme und politisch extreme Gruppierungen machten sich das Internet, die Messenger-Dienste, Facebook und Co. zunutze, erklärte Susanne Ehmann, Informatik-Expertin am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium. Im Internet sei immer Vorsicht geboten. Ehmann zeigte, wie man auf Whatsapp Personen, deren Handynummer man kennt, ausspionieren kann. Ganz legal. Und schon hat man ein umfassendes Nutzerprofil, wer, wann, wie lange appt.

Personen werden verleumdet und bloßgestellt

Im Internet wird gemobbt, beleidigt, schikaniert. Personen werden verleumdet oder bloßgestellt. Und manchmal kann auch schon der Ausschluss aus bestimmten Gruppen Cybermobbing oder der Anfang von Cybermobbing sein.

Gegen solche Vorkommnisse werden am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium Medienscouts ausgebildet. Sie engagieren sich in der Prävention, wollen aufklären, jüngeren Schülern helfen. Patrick Zahl (16) ist seit zwei Jahren Medienscout. „Ich möchte gerne jüngeren Schülern helfen. Man kann sich an uns Medienscouts wenden. Und wenn wir nur einen Fall von Cybermobbing verhindern, hat sich unser Engagement schon gelohnt“, sagt Zahl. Persönlich hat er noch keinen solchen Fall kennengelernt. Auch Simon Stahlschmidt (17) nicht. „Aber ich kenne jemanden von einer anderen Schule, der übers Internet gemobbt worden ist. Da muss man was tun“, sagt Stahlschmidt. Eltern und Schüler können aber selbst einiges tun: Immer und überall auf die Sicherheitseinstellungen achten und diese regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls neu einstellen.

 

(kfe). Eine Alternative: ein bisschen Geld für Sicherheit ausgeben. Auch wenn WhatsApp inzwischen auch verschlüsselt: Sichere Messenger sind bepsielsweise Threema, Signal und Telegram. Die empfiehlt auch Edward Snowden. Und er muss es ja wissen. Nachteil: Man muss auch seine Freunde überzeugen, mit zu dem neuen Messenger zu wechseln.

Tipps für Eltern:

Geben Sie Ihrem Kind ein Handy, das Sie selbst bedienen können oder lassen Sie sich Spiele, Anwendungen und Gerät von Ihrem Kind erklären.

Ein Handy mit Prepaid-Karte bietet eine erste Kostenkontrolle.

Das Handy sollte mit einer PIN geschützt werden, die Ihr Kind nicht weitergibt. 

Notieren Sie die Seriennummer des Geräts. Mit der Eingabe von *#06# kann man die sogenannte IMEI-Nummer sehen. Bei Diebstahl oder Verlust gibt es mit dieser Nummer eine Chance, das Smartphone wiederzufinden.

Achten Sie darauf, dass Bluetooth ausgeschaltet ist.

Werfen Sie regelmäßig einen Blick auf die installierten Apps auf dem Smartphone. Viele kostenfreie Apps mögen praktisch sein, aber sie übertragen im Hintergrund sensible Daten oder sorgen für mehr nervige Werbung. Nicht jede App lohnt sich.

Sensibilisieren Sie Ihr Kind dafür, nicht einfach so in sozialen Netzwerken oder in Messenger-Diensten wie WhatsApp Unbekannten seine Daten zu geben. Kettenbriefe und unbekannte pdf-Anhänge (zumal von unbekannten Absendern) sollten nicht geöffnet, eigene Ton- und Video-Aufnahmen von Mitschülern und Lehrern nicht unbedacht einfach so veröffentlicht oder weitergeleitet werden.

Informieren Sie sich über Neuheiten. Sprechen Sie regelmäßig mit Ihrem Kind darüber, probieren Sie gemeinsam neue Anwendungen aus.

Sprechen Sie mit Ihrem Kind über erwünschte und unerwünschte Bilder, Videos, Spiele, Posts etc., die sich auf seinem Handy befinden.

Begleiten Sie Ihr Kind und zeigen Sie Interesse an seinem Handy-Alltag. So können Sie Ihr Kind besser vor Gefahren schützen. 
 

Tipps und Anlaufstellen im Internet:

• Das Angebot Klicksave ist eine EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz und gibt Eltern Tipps, wie sie beispielsweise eine Kindersicherung einbauen können. Die Seite richtet sich aber auch an Kinder und Jugendliche selbst und zeigt ihnen anschaulich, warum Datenschutz wichtig ist und was tun ist bei Datenklau, Sexting und Co.

• Tipps für Erwachsene und Kinder rund ums Internet, für Anfänger und Fortgeschrittene, gibt es im Internet-ABC. Dahinter steckt die Landesanstalt für Medien in NRW.

•  Schau hin ist ein Elternratgeber, der dabei unterstützt, die Kinder im Umgang mit Medien zu stärken. Ein Schwerpunkt liegt auf Online-Spielen und sozialen Netzwerken. Auch als App verfügbar.

• Die Techniker-Krankenkasse bietet ein Angebot, bei dem es um Internetsucht geht, mit Tipps für Betroffene und Angehörige sowie einem Selbsttest.

• Der Fachverband Medienabhängigkeit bietet aktuelle Forschungsergebnisse, Literaturtipps und mehr.

• Medienbewusst ist ein Ratgeber der Technischen Universität Ilmenau zu Internet und Fernsehnutzung von Kindern und Jugendlichen-

• Seit März 2011 bietet die Internetseite "Surfen ohne Risiko" Eltern Informationen für die Medienerziehung. Kinder bekommen durch eine mit kindersicheren Angeboten individuell gestaltbare Startseite einen sicheren Zugang zum Internet. Das Internetangebot wurde in Zusammenarbeit mit jugendschutz.net erstellt.

•  Der KinderServer des Bundesjugendministeriums ermöglicht ein kindgerechtes Surfen in einem gesicherten Modus. Der passwortgeschützte Wechsel zurück in den Erwachsenenmodus macht den KinderServer dabei besonders familienfreundlich.

 

Mehr dazu:

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Studie: Jeder sechste Schüler war schon Opfer von Cybermobbing

 

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