Venus kocht Suppe Vom Versuch, den Tannhäuser zu dechiffrieren

Simone Richter
 Foto: red

Wenn von Vielweiberei, Sündenherrlichkeit und einem Teufel mit schönen Krallen die Rede ist, kann der Venusberg nicht weit sein! Wer meinte, die Abenteuer eines Ritters namens Tannhäuser könnten (auf welche Art auch immer) erotisch abfärben, der wurde eines Besseren belehrt. 

 
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Denn bei der Matinee im Rokokosaal im Steingraeber- Haus unter dem Motto „Wie wird die Nacht so lüstern!“ gab es zwar wie angekündigt musikalische Literatur und literarische Musikalität. Dem aufreizenden Stoff begegnete der Rezitator Hans-Jürgen Schatz jedoch unterkühlt.

Von Emanuel Geibel bis zu den Brüdern Grimm, von Ludwig Bechstein bis Ludwig Tieck: Über die Legende des Tannhäusers ist literarisch und musikalisch, philosophisch und historisch viel gearbeitet worden. Im Fokus steht dabei jener, der von einer Trunkenheit zur nächsten taumelte, der sich plötzlich zwischen holdseligen Gestalten fand und schließlich von Frau Venus vereinnahmt wurde. Kurzum: Ein Inhalt, der es zweifelsohne in sich hat, erst recht, wenn von nackten Mädchen, heimlicher Minne und glühenden Reizen eines lilienweißen Leibes die Rede ist.

Wer solche Texte aufsagt, der darf beben! Der darf berührt sein und berühren. Der darf sich dank der herrlichen Anzüglichkeit hitzig dem Vortrag hingeben. Der darf sogar schwitzend deklamieren und beim Hersagen verschmitzt lächeln. Der darf – und der sollte. Geht es doch darum, nicht nur abzuliefern, sondern das Publikum mitzunehmen. Schauspieler Hans-Jürgen Schatz bleibt als Rezitator beherrscht und distanziert. Seine Augen sind entweder auf das Papier oder das Parkett gebannt. Weiß er, dass Zuschauer im Raum sind? Kein Grußwort, keine Einleitung oder Hinführung der Gäste ans Thema. In der Rolle des charmanten Rhetorikers gefällt er sich wohl so gar nicht.

Um seine persönlichen Anmerkungen von den Originalzitaten zu unterscheiden, braucht es spitze Ohren. Schatz unterscheidet kaum zwischen durchaus wissenswerten Einordnungen in den Gesamtkomplex, Hintergründen und Wagner-Biografie oder Literaturen. Nur im Briefwechsel zwischen Richard Wagner und Franz Liszt wie auch bei Heinrich Heines „Tannhäuserlied“ verändert sich Schatz kurzzeitig, er wirkt authentischer, offeriert amüsante Passagen. So erfährt man, dass Venus für ihren Liebsten in der Küche Suppe kocht, die Liebe sich als wilder Wasserfall entpuppt und der Held sogar Deutschland schnarchen hört; dass Tannhäuser ein Nationalzuchthaus fordert und im Liebesgefecht schon mal zuschlägt.

Die Brücke zur aktuellen Inszenierung bei den Wagner-Festspielen bleibt schmal, Sebastian Baumgartens Biogasanlage wird zum schalen Witz am Rand. Stattdessen verschmilzt das Gesagte zu einer umfangreichen, knietiefen und grauen Textmasse. Holger Groschopp am Liszt-Flügel dient mit bewährten Wagnerismen dabei als Anker: Von der Pilgerchor-Paraphrase bis zum Abendstern-Rezitativ lässt man sich von ihm gerne vor dem Versinken retten.

Foto: red