Vergewaltigung: Richter glaubte dem Opfer, stellte das Verfahren aber ein Vergewaltigung: Verfahren eingestellt

Von Susanne Will
Die Göttin Justitia. Foto: Arne Dedert/dpa Foto: red

Der Richter hatte keinen Zweifel an der Darstellung des Opfers: Der 36-Jährige, der am Dienstag vor ihm stand, habe die 34-jährige Ex-Freundin und Mutter seines Kindes vergewaltigt. Jedoch: Bestraft wird er dafür vor dem Bayreuther Landgericht nicht. Das Verfahren wurde eingestellt. Denn: Diese Verurteilung würde das Kraut nicht fetter machen – der Mann muss am 25. Oktober sowieso für zwei Jahre und vier Monate in Haft.

 
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Ende letzten Jahres war er wegen Brandstiftung verurteilt worden. Der jüngste Fall wurde eingestellt nach Paragraf 154. Das passiert dann, wenn – wie in diese Fall – eine erneute Verurteilung am Strafmaß nicht viel ändern wird.

Scheune neben Wohnhaus der Ex brannte

Zur Vorgeschichte: Am frühen Morgen des 30. April 2014 steckte der Angeklagte in Hummeltal eine Scheune in Brand. Die steht genau vor dem Haus seiner früheren Lebensgefährtin – eben jener Frau, die ihn später wegen Vergewaltigung anzeigen wird. Ein Übergreifen des Feuers auf Wohnhäuser verhinderte die Feuerwehr nur mit viel Mühe.

Er drohte, sie anzuzünden

Richter Werner Kahler bestätigte damals im Berufungsprozess das erste Urteil des Amtsgerichtes. Das Motiv: Der Angeklagte habe sich über seine Ex geärgert. Auch dass er ihr einige Tage später drohte, sie anzuzünden, glaubte der Richter damals.

Mann bestritt die Vergewaltigung

Die Haft muss der Mann erst in zwei Wochen antreten. Und hatte vorher, am Dienstag, einen erneuten Auftritt vor Gericht. Er erschien mit seinem Anwalt, selbst reden wollte er nicht. Den Vorwurf, er habe seine Ex-Freundin im November 2015 vergewaltigt, bestritt er allerdings kategorisch.

Zeugin hat massives Alkoholproblem

So soll es sich zugetragen haben: Der Mann wohnte mittlerweile in Bamberg, die Frau in Mistelbach. Die 34-Jährige hat ein massives Alkoholproblem. Als sie am Abend des 10. November 2015 aufgewacht sei, habe sie bemerkt, dass sie keinen Alkohol mehr zu Hause hatte. Sie rief ihren Ex-Freund an, er solle ihr Bier bringen.

Überfall auf dem Feldweg

Von Bamberg machte sich der Mann auf nach Bayreuth. Als er ankam, hatte er kein Bier dabei, aber er fuhr sie in eine Tankstelle nach Bayreuth. Mit einem Sixpack und einem Kräuterlikör stieg sie wieder ins Auto. Auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung sei er in einen Feldweg abgebogen. „Er sagte, er wollte reden“, erinnerte sich die Frau. Beide seien ausgestiegen, dann habe er sie schnell mit dem Bauch gegen die Beifahrertür gedrückt, ihr mit einer Hand die Hose heruntergerissen, seine auch, dazu ihre Hände festgehalten und ihr außerdem Nase und Mund zugehalten.

"Er hat aufgehört, als ich geweint habe"

Die Vergewaltigung habe nur eine kurze Zeit gedauert, nein, einen Samenerguss habe er nicht gehabt, „er hat aufgehört, als ich geweint habe“. Und deutlich habe sie vorher gesagt, dass sie das nicht wolle. „Ich habe versucht, mich zu wehren, aber ich war betrunken und hatte keine Kraft.“

Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus

Und hier fangen die Widersprüche an. Sie selbst sagt, die Vergewaltigung sei im Januar 2016 gewesen. Angezeigt hat sie die Tat aber am 19. November 2015. Die Anzeige erfolgte im Bezirkskrankenhaus. Hier war sie einige Tage nach der Tat volltrunken als Notfall eingeliefert worden.

Widersprüche

Damals sagte sie aus, die Vergewaltigung sei gegen 20 Uhr passiert – vor Gericht behauptete sie, es sei zwischen 23 und 1 Uhr gewesen. Der Polizei sagte sie, ihr Hund habe im Auto gesessen. Vor Gericht erinnerte sie sich daran, dass der Hund im Freien gewesen sei.

"Angeklagter hätte drei Hände haben müssen"

Der Richter äußerte Zweifel. Der Angeklagte hätte drei Hände haben müssen, um die Frau wie geschildert zu vergewaltigen. Der Staatsanwalt konnte nicht glauben, dass der Ex, der sie bereits wegen der Brandstiftung einzuschüchtern versucht hatte, von Bamberg nach Mistelbach fährt, um ihr Bier zu bringen. „So ist er. Das macht er“, sagte die Frau und erzählte, dass es in der mehrjährigen Beziehung öfter dieses Geschäft gegeben hätte: Wenn er ihr Alkohol gibt, revanchiert sie sich mit sexuellen Gefälligkeiten.

Sexuelle Dienste gegen Alkohol

„So könnte es doch möglich sein, dass er das wie früher auffassen musste: Er gibt Ihnen Alkohol, dafür sind Sie ihm sexuell zu Diensten“, sagte der Richter. Die Frau erwiderte: „Aber das auf dem Feldweg, das habe ich nicht gewollt. Und das habe ich ihm auch so gesagt.“

Aussetzer unter Alkohol

Der Anwalt des Angeklagten wollte wissen, warum sie nicht gleich zur Polizei gegangen ist. „Weil ich betrunken war. Und wenn ich mal angefangen habe, ging das manchmal ein paar Tage.“ Warum sie ihre Unterwäsche nicht als Beweis aufgehoben hätte. „Weil es mir peinlich war. Außerdem hatte er ja keine Spuren hinterlassen.“ Und ob sie schon alkoholbedingte Aussetzer gehabt hätte. „Natürlich.“

Glaubwürdig, aber...

Trotz aller Widersprüche hielt der Richter sie für glaubwürdig, „auch wenn sie einiges nicht mehr weiß“. Er hörte aber in ihren Aussagen nicht, dass sie ihrem Ex-Freund etwas unterstellen wollte. Für ihn ist es eine Vergewaltigung im minderschweren Fall: Beide hatten nach dem Ende der Beziehung noch sexuelle Kontakte; sie lässt sich von ihm Bier bringen – was er in der Vergangenheit mit Sex gleichsetzen konnte; sie stieg bewusst ins Auto; sie leistete minimale Gegenwehr. Er schlug vor, das Verfahren nach Paragraf 154 einzustellen, der Staatsanwalt konnte sich „damit anfreunden“.

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